Islamisten tarnen ihre Inhalte als „Teil der bunten Webkultur“

Eindeutig dschihadistische Inhalte in jugendaffinen Diensten sind rückläufig. Das zeigt eine Studie von jugendschutz.net. Stattdessen treten Islamisten als Influencer mit unterschwelligen Themen in Sozialen Medien auf.
Von Norbert Schäfer
Ein Handy mit den Angeboten der sozialen Medien

Um Jugendliche im Internet zu erreichen, setzen Islamisten verstärkt auf die emotionale Ansprache der jungen Menschen in den sozialen Medien. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Kompetenzzentrums jugendschutz.net. Die islamistische Propaganda versuche, mit Kindern und Jugendlichen über subtile Themen wie Ungerechtigkeit, Ausgrenzung und Ohnmacht in Kontakt zu treten und die jungen Menschen zu ideologisieren. Ob „im Windschatten von Protesten gegen Rassismus und rechtem Terror oder in der Inszenierung als ‚moralische Autorität’“ – laut jugendschutz.net setzen die Islamisten bevorzugt jugendaffine Darstellungsformen auf Instagram oder YouTube für ihre Propaganda ein.

Explizite dschihadistische Inhalte haben nach Angaben des Leiters von jugendschutz.net, Stefan Glaser, mit dem Niedergang der Terrororganisation „Islamischer Staat“ abgenommen. Es gebe jedoch „keinen Grund zur Entwarnung“. Islamisten seien „im Netz weiter stark präsent, machen ihre Angebote anschlussfähig und tarnen sie als Teil der bunten Webkultur“. Terroranschläge wie in Hanau oder die Corona-Pandemie würden instrumentalisiert. Die Islamisten brächten mit ihren Parolen junge Menschen gegen Menschenrechte und Demokratie auf. Glaser sieht bei den Internetdiensteanbietern eine besondere Verantwortung und forderte, unzulässige Inhalte schneller zu löschen. Verbotene Inhalte blieben noch zu lange online.

Die Studie mit dem Titel „Islamismus im Netz 2019/20“ offenbart aber auch, dass die Islamisten versuchen, mit ihren Inhalten innerhalb der Grenzen des Erlaubten zu bleiben. Die „demokratiefeindliche Haltung“ zeige sich in der Gesamtbetrachtung der medialen Aktivitäten. „Die Menge und Vielfalt islamistischer Online-Propaganda, mit der Kinder und Jugendliche in Kontakt geraten können, bleibt groß“, heißt es in dem Bericht. Islamistische Akteure verknüpften ihre Weltsicht, Werte und Normen mit Lösungsangeboten für die Probleme junger Menschen.

Familienministerin Giffey: „Kinder und Jugendliche besonders schützen“

Für den Berichtszeitraum vom Januar bis zum Dezember 2019 registrierte jugendschutz.net demnach 891 Verstöße. Insgesamt seien 1.649 „Maßnahmen“ eingeleitet worden. Bei den meisten Verstößen handele es sich demnach um die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Mehr als 90 Prozent der registrierten Fälle hätten sich bei Social-Media-Diensten ereignet. Eigenen Angaben zufolge konnte jugendschutz.net in 85 Prozent der Fälle durch Hinweise an die Provider eine Löschung oder Sperrung der entsprechenden Inhalte erreichen.

„Angesichts der digitalen Lockangebote religiös oder politisch motivierter Extremisten ist ganz klar, dass Kinder und Jugendliche besonders geschützt werden müssen“, erklärte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, und weiter: „Verzerrte Weltbilder und demokratiefeindliches Gedankengut können gerade Jüngere beeinflussen und verstören.“ Dies gelte umso mehr, da sich islamistische Gruppen immer häufiger als Influencer inszenierten und Sorgen und Nöte von Heranwachsenden aufgriffen. Nach Giffeys Ansicht könne der Gefahr mit Medienkompetenzbildung und Demokratieerziehung begegnet werden. Ein Regierungsentwurf für ein modernes Jugendschutzgesetz sehe wirksame Schutz- und Informationspflichten für die Plattformanbieter vor sowie Möglichkeiten, die Regeln auch durchzusetzen. „Damit werden wir den Risiken und Gefahren im Netz begegnen“, erklärte Giffey.

jugendschutz.net ist das gemeinsame Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Jugendschutz im Internet. Die Stelle recherchiert Gefahren und Risiken in jugendaffinen Diensten und fordert Anbieter und Betreiber auf, ihre Angebote so zu gestalten, dass Kinder und Jugendliche sie unbeschwert nutzen können. jugendschutz.net wurde 1997 gegründet und ist seit 2003 an die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) angebunden. Finanziert wird jugendschutz.net von den Obersten Landesjugendbehörden, den Landesmedienanstalten und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Von: Norbert Schäfer

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