Ein Wikipedia für Christen

N e w J e r s e y (PRO) - Weil ihnen das bekannte Online-Lexikon Wikipedia zu anti-christlich und politisch zu weit links war, gründeten ein amerikanischer Rechtsanwalt und 58 Studenten kurzerhand ein neues Wiki: das "Conservapedia". Hier sind Kritik an der Evolutionstheorie und Ansichten der Konservativen ausdrücklich erwünscht.
Von PRO

Conservapedia“ ist nicht etwa der Name des Wikis eines Konservenherstellers, sondern soll eine christliche Alternative zu Wikipedia sein. Dass die Artikel in Wikipedia politisch eher links ausgerichtet und der Religion eher neutral bis feindlich gegenüberstehen, ist anderen schon früher aufgefallen. Die Gründer von „Conservapedia“ haben bei ihrem weltlichen Bruder zudem einen starken Antiamerikanismus und Antikapitalismus ausgemacht. Auch bei den Themen, die Werte in der Erziehung behandeln, zeige das beliebte Mitmach-Lexikon erhebliche Mängel, fanden die konservativen „Conservapediologen“.

Wikipedia mit anti-christlicher Tendenz?

In ihrem Wiki haben sie eine Liste mit „Beispielen für Einseitigkeiten in Wikipedia“ erstellt, die ständig aktualisiert wird. So bemängeln sie beispielsweise, dass im dortigen Artikel über die Renaissance jeder Hinweis auf den wichtigen Einfluss des Christentums auf diese Epoche fehlt. Außerdem sehen sie nicht ein, warum in Wikipedia die Datumsangaben „B.C.E.“ – also „Vor unserer Zeitrechnung“ – und „C.E.“ („Common Era“) erlaubt sind, obwohl sich doch eigentlich „B.C.“ (vor Christus) und „A.D.“ (Anno Domini) durchgesetzt haben. „Diese Angaben beziehen sich auf die Geburt Jesu, warum sollte man also etwas anderes angeben? Conservapedia ist an Christen ausgerichtet und vermeidet die ‚C.E.‘-Version“, stellen die Macher klar.

„Die Administratoren, die den Inhalt von Wikipedia überwachen, repräsentieren nicht die Ansichten der Mehrheit der Amerikaner“, begründen sie die Gründung ihrer Alternative. Als Beispiel nennen sie die Ansichten zur Evolutionstheorie: Während in der amerikanischen Gesellschaft nur zehn Prozent wirklich von ihr überzeugt seien, scheine es in der Wikipedia-Welt so, als seien 100 Prozent der Teilnehmer Verfechter der Evolutionstheorie. Artikel, die Argumente gegen Darwins Lehre enthielten, würden dort rigoros zensiert.

Um dieser anti-christlichen Tendenz etwas entgegenzustellen, riefen sie das Lexikon ins Leben, das aus der Perspektive der Konservativen, der religiös Rechten und der Kreationisten in den USA auf die Welt blickt. Bereits 3.800 Begriffe wurden nach eigener Aussage online gestellt.

Gegründet hat das Wiki im November 2006 Andrew Schlafly. Er ist der Sohn der christlich-konservativen Autorin Phyllis Schlafly, die unter anderem in den 60er Jahren ein bekanntes Buch gegen den Feminismus schrieb. Andy selbst ist ebenfalls konservativer Autor und Rechtsanwalt und gehört zur Leitung der Amerikanischen Ärzte- und Chirurgen-Vereinigung. Schlafly standen 58 Studenten aus New Jersey zur Seite.

„Conservapedia“: Die Welt aus christlicher Sicht erklären

„Conservapedia“ baut auf derselben Software auf wie Wikipedia, doch der Inhalt soll sich komplett unterscheiden. Auch kann dort nur derjenige einen Artikel online stellen, der sich zuvor registriert hat. Die Neutralität von Wikipedia vergleicht Schlafly mit der eines „Lynch-Mobs“. „Wir haben klar Prinzipien, die wir auch darstellen, wobei hingegen Wikipedia vorgibt, neutral zu sein und am Ende eben doch parteiisch ist“, sagt er. Lang sind die Artikel der „konservativen Enzyklopädie“ noch nicht, aber es werden täglich mehr, und alle sind sie aus der Perspektive der christlichen Rechten verfasst. So findet man im Eintrag zur Evolutionstheorie sehr rasch den Hinweis, dass es bislang keinen Beweis für die „Makroevolution“ gebe und die „Fossilgeschichte“ die Evolutionstheorie sehr unwahrscheinlich mache.

Im Artikel über George Washington, den ersten Präsidenten der USA, betont gleich der zweite Satz, dass dieser ein gläubiger Christ war. Im weltlichen Wikipedia hingegen findet sich lediglich der dezente Hinweis, dass Herr Washington „nach der Revolution seine Frau des öfteren zu Gottesdiensten begleitete“. Zum Stichwort Homosexualität sagt „Conservapedia“ als allererstes, dass sie laut Bibel ganz klar Sünde sei. Im Übrigen habe Jesus kein einziges Mal davon gesprochen, und so ist der Artikel denn auch nach knappen drei Seiten zu Ende, während der gleichnamige Artikel bei Wikipedia 28 ausgedruckte Din A 4-Seiten ergeben würde.

Christliches Wiki: Häme vorprogrammiert

Seitdem das Portal vor vier Monaten online ging, sorgte es bei vielen weltlichen Webloggern für bissige Kommentare. In der so genannten „Blogosphäre“ wurden Artikel der „Conservapedia“ auseinander genommen, Zitate weitergereicht und teilweise Artikel in der christlichen Wikipedia-Alternative sabotiert. Das bekannte amerikanische Weblog „Boing Boing“ sprach von einer „Goldmine des unfreiwilligen Humors“.

In Wikipedia selbst finden sich im Eintrag zu den christlichen Nachahmern harsche Worte und der Aufruf, diesen Lexikoneintrag sofort zu löschen. Denn Informationen über die völlig irrelevante „Conservapedia“ hätten in „Wikipedia“ nichts zu suchen. Die Aufmerksamkeit jedoch wuchs, am Freitag berichtete „Spiegel Online“ über das neue Mitmach-Lexikon der „Fundamentalisten“, die Zugriffszahlen ließen die Server ächzen.

„Conservapedia“ ist nicht der erste Versuch von Christen, der in ihren Augen verzerrten Darstellung im un-christlichen Wikipedia etwas entgegenzustellen. Das „Creation Wiki“ ist seit 2004 online. Es bemüht sich darum, auf sachliche Art und Weise Kritik an der althergebrachten Evolutionstheorie zu üben und hat einen hohen wissenschaftlichen Anspruch. „Evolutions-Bashing findet in dem Eintrag nicht statt“, stellt „Spiegel Online“ fest. Des weiteren gibt es seit Anfang des Jahres das Theologiewiki, in dem Artikel zur überkonfessionellen christlichen Theologie gesammelt werden. Speziell für katholische Themen gibt es die „Kathpedia„.

Auf Deutsch gibt es seit kurzem auch ein Wiki für Atheisten – das „Athpedia„. Die Seite versteht sich nicht explizit „als Konkurrenz zu Wikipedia“, sondern als „ergänzendes Angebot für den interessierten Internetuser“.

Der Gründer von Wikipedia, Jimmy Wales, hat übrigens keine Probleme mit der christlichen Antwort „Conservapedia“. Gegenüber dem Magazin „New Scientist“ sagte er: „Eine freie Kultur kennt keine Grenzen. Wir begrüßen die Verwendung unserer Arbeit, um Varianten zu bauen. Das passt genau zu unserer Mission.“

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