Medienmacher auf der Kanzel

Als Musiker, Moderator, Schauspieler sowie Radio- und Fernsehsprecher ist Julian Sengelmann in den Medien zu Hause. Darüber hinaus hat der 37-Jährige gerade frisch sein Pfarrexamen abgelegt. Diese Kombination hat sein Leben und seinen Glauben geprägt.
Von Christina Bachmann
Nach dem Abitur wollte Julian Sengelmann Schauspieler und Rockstar werden. Nun ist er Medienmacher und hat Theologiestudium samt Vikariat hinter sich.

Manch einer kennt ihn aus der ARD-Vorabendserie „Türkisch für Anfänger“, doch inzwischen scheint Julian Sengelmann in den Medien geradezu prädestiniert zu sein für kirchliche Themen. Ob er für den NDR christliche Feiertage erforscht oder im Sat.1-Sonntags-Talk mit verschiedensten Promis redet, irgendwie hat das alles mit Glauben und Kirche zu tun. Medien und Theologie, das sind auch in seinem persönlichen Leben zwei Stränge, die sich stets nebeneinander entwickelt haben.

Schauspieler und Rockstar, das war nach dem Abitur der eigentliche Berufswunsch des jungen Mannes aus Hamburg. Nach dem Zivildienst habe er sich an zehn Schauspielschulen beworben, erzählt er, und sei überall eingeladen worden. „Ich habe zehnmal meine Rollen vorbereitet – und bin kein einziges Mal hingegangen“, bekennt der 37-Jährige jedoch. „Um ehrlich zu sein: Ich hatte einfach nur Schiss.“ Als das letzte Vorsprechen ohne ihn stattgefunden hatte und dazu noch seine Band auseinanderbrach, dachte er: „Wieso nicht Theologie studieren?“

Dieses Studium sei ihm passend zu seiner Schulzeit an einem humanistischen Gymnasium wie eine „Luxus-Allgemeinwissens-Ausbildung“ vorgekommen. Den Bezug zur Kirche gab es durchaus. Bei den Pfadfindern – in Julian Sengelmanns Fall ein nichtkirchlicher Verband und eher linksorientiert – hatte man ihm beigebracht, die Dinge zu hinterfragen. Kirche genoss in dieser Gruppe nicht den besten Ruf. So habe er sich entschlossen, den Konfirmandenunterricht zu besuchen, um sich selbst ein Bild zu machen, erklärt Sengelmann.

Der Jugendliche wurde positiv überrascht. „Ich hatte einen Pastor, der alles andere war als pastoral“, erinnert er sich. „Der hat in einer Sprache gesprochen, die ich als 14-Jähriger verstehen konnte.“ So kam es, dass er nach der Konfirmation zur Jugendgruppe ging und sich dort angenommen fühlte, gerade auch als oftmals unsicherer, pubertierender Jugendlicher. Die Gemeinschaft sowie Themen, die ihn persönlich etwas angingen, ließen ihn dabeibleiben. „Ich hatte in meiner Zeit in der Kirche eine wahnsinnig intensive, total Iebensnahe Auseinandersetzung mit dem, was dann später mein Glaube werden sollte“, sagt er rückblickend.

Von daher schien ihm der Gedanke an ein Theologiestudium nicht so abwegig. Parallel zum Studium entwickelte sich außerdem die Karriere als Musiker und Schauspieler. So passte es gut, dass die Nordkirche, die Evangelische Kirche zwischen Nord- und Ostsee, nach Sengelmanns Studium als Pilotprojekt ein sogenanntes berufsbegleitendes Vikariat anbot. Passend zum jeweiligen Berufskontext wird dafür ein individueller Plan erstellt. „Am Ende des Tages muss man natürlich all das machen, was die Regelvikare auch machen“, erklärt Sengelmann. Das heißt: Er hat das Predigerseminar besucht, in einer Grundschule unterrichtet und war in der Gemeinde und der Seelsorge tätig.

Dieser Einblick in Kirche hat bei dem Vikar einiges Nachdenken in Gang gesetzt. Nachzulesen in seinem aktuellen Buch „Glaube ja, Kirche nein?“. Darin geht es viel um notwendige Veränderungen, etwa bei den Strukturen. Gleichzeitig ist dem Autoren die große Zuneigung zu seiner Kirche abzuspüren, gipfelnd in dem Kapitel „I love you“. Sein optimistisches Fazit: Veränderung war schon immer Teil der Kirche und wird es weiter sein. Zu den Erkenntnissen, die er an den Kapitelenden frisch formuliert festhält, gehört, dass Kirche Kommunikationsgeschehen ist und sich neu ins Gespräch bringen und kennenlernen lassen muss.

Wo Glaube und Leben zusammenkommen

Hat er das im Vikariat selbst schon ganz praktisch umgesetzt? „Ich versuche, die Fremdheit zu nehmen“, erklärt Sengelmann nach kurzem Nachdenken auf die Frage, was er anders mache. Er erzählt von einem einschneidenden Erlebnis, als er mit seinen Konfirmanden im Gottesdienst einer Kollegin gesessen habe. „Drei sehr kluge, freche Jungs sind mitten im Gottesdienst aufgestanden und rausgegangen. Ich bin etwas erbost hinterher und habe gefragt: ‚Jungs, was soll das denn?‘ Und sie antworteten: ‚Das kann doch nicht der Sinn von Kirche sein, dass wir uns die ganze Zeit demütig und kleingemacht fühlen!‘“

Vieles von der Sprache und der Liturgie her war den Jungen unverständlich, begriff Sengelmann. Gemeinsam hätten sie das daraufhin thematisiert, seien die Gottesdienstliturgie miteinander durchgegangen „Wir haben alles umgeschmissen und daraufhin einen eigenen Gottesdienst gemacht“, sagt der Theologe. Herausgekommen sei kein klassischer agendarischer Gottesdienst, sondern etwas Neues, wo der eigene Glaube Ausdruck gefunden habe. „Wir haben versucht, inhaltlich miteinander zu bestimmen, was die einzelnen liturgischen Teile eigentlich bedeuten und wie man das heute umsetzen kann.“

Das neue Buch von Julian Sengelmann, „Glaube ja, Kirche nein? Warum sich Kirche verändern muss“, erscheint am 19. Mai bei rororo, 288 Seiten, 16 Euro, ISBN 9783499000553 Foto: rowohlt
Das neue Buch von Julian Sengelmann, „Glaube ja, Kirche nein? Warum sich Kirche verändern muss“, erscheint am 19. Mai bei rororo, 288 Seiten, 16 Euro, ISBN 9783499000553

Auch das Modell einer Art Wohnzimmerkirche, initiiert von einer Freundin in Hamburg, überzeugt den Theologen. „In einer schönen, alten Kirche in Ottensen werden freitagabends alle Bänke zur Seite geschoben und Sofas reingestellt“, erklärt er. „In der Mitte steht ein Kaugummiautomat, der ist gefüllt mit Kugeln, wo große Fragen draufstehen.“ Zwei Stunden inklusive Musik, Impulse und Abendmahl dauere der Gottesdienst. „Die Besucher werden mit eingebunden und kommen miteinander ins Gespräch. Menschen erzählen von all dem, was sie umtreibt.“ Und das komme an: „Es platzt aus allen Nähten und man geht nach zwei Stunden raus und denkt: Da kommen Glauben und Leben zusammen!“

Dass genau das in der Kirche möglich ist, will Sengelmann weitergeben. Wie es allerdings für den verheirateten Vater einer kleinen Tochter nach dem Pfarrexamen konkret weitergeht, ist noch offen. Die Kombination von Medienmensch und Pfarrer ist nicht unbedingt das Übliche. Was daraus vielleicht entsteht, ist noch nicht spruchreif. Nur so viel verrät Sengelmann: „Die Kirche und ich reden miteinander.“ Klar ist für ihn jedoch: Nach dem Examen ist er mit der Kirche noch längst nicht fertig. „Ich hätte nicht dreieinhalb Jahre berufsbegleitendes Vikariat gemacht, wenn ich dann nicht etwas in oder mit Kirche machen wollen würde.“

Von: Christina Bachmann

Dieser Artikel ist im Christlichen Medienmagazin pro erschienen, das Sie hier oder telefonisch unter der Nummer 06441/5667752 bestellen können.

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