Doku offenbart Gräben zwischen Landeskirchen und Konservativen

Eine Doku des WDR will zeigen, wie die Kirche zur politischen Rechten steht. Dabei wird vor allem deutlich, dass die gesellschaftlichen Gräben auch die christliche Landschaft durchziehen. Eine TV-Kritik von Jonathan Steinert
Von PRO
Die Doku „Die Kirche und die Rechten“ zeigt unter anderem, wie sich eine Dortmunder Kirchengemeinde gegen den Einfluss einer Neonazi-Gruppe in ihrem Stadtteil wehrt

Wieder einmal macht sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen daran, das Verhältnis zwischen Christen und der politischen Rechten – sprich: der AfD – offenzulegen. Der Tenor der WDR-Doku „Die Kirche und die Rechten“ ist: Die Evangelische Kirche ist gegen „Rechts“ und Fremdenfeindlichkeit, für Toleranz und ein Recht auf Asyl. Aber sie gerät mit ihrer Haltung unter Druck, weil es Christen gibt, die dem politisch rechten Lager mehr oder weniger nahestehen und die Positionen der Kirche kritisieren. Natürlich schwingt unterschwellig die Bewertung mit, dass die Kirche die moralisch bessere Position vertritt, denn wer könnte etwas gegen dieses Engagement haben?

Die Doku, die die ARD Dienstagnacht sendete, und die jetzt in der Mediathek zu sehen ist, spannt einen weiten Bogen: von einer Dortmunder Kirchengemeinde, die sich gegen eine Gruppe Neonazis in ihrem Stadtteil stellt, zu konservativen Evangelikalen, die die Landeskirchen in verschiedener Hinsicht kritisieren; von der Gruppe „Christen in der AfD“, bis hin zu Gemeinden, die sich für die Integration von Flüchtlingen einsetzen oder sich über ihr AfD-nahes Pfarrerehepaar beschweren und nun ganz ohne pastorale Betreuung dastehen. Auch die Pläne des Trump-Beraters Steve Bannon, von einem italienischen Kloster aus in Europa eine konservative Revolution mit christlich-religiöser Grundierung zu lancieren, kommen im Film vor. Insofern zeichnet der Beitrag ein vielfältiges und mit Blick auf die Fragestellung weitgehend stimmiges Bild.

Gleichzeitig bekommt der Zuschauer einen Eindruck davon, wie sehr sich Teile der Evangelischen Kirche und vor allem ihre Leitung und konservative Christen voneinander entfremdet haben. Die gesellschaftlichen Gräben zwischen den politischen Polen gibt es auch in der kirchlichen Landschaft.

Konservative kritisieren die Landeskirchen

Vieles ist freilich nicht neu und wurde schon in zahlreichen Medienbeiträgen so ähnlich tematisiert. So werden auch die „üblichen Verdächtigen“ wie der Bremer Pfarrer Olaf Latzel mit seinen islamkritischen Aussagen und der freikirchliche Prediger Jakob Tscharntke und seine Verschwörungstheorien über Angela Merkels angeblichen Pläne eines neuen Deutschlands zitiert – beides Äußerungen von 2015. Sie sollen als Beleg dafür dienen, dass es auch Christen gibt, die ähnliche inhaltliche Positionen vertreten wie die AfD.

Der CDU-Politiker Hermann Gröhe, religionspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag und Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), sagt in dem Beitrag: „Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit, erst recht Antisemitismus steht natürlich gegen alles, was die christliche Botschaft im Kern ausmacht.“ Er beobachte aber, dass sich die AfD mit Ängsten vor dem Islam und Sorgen um das traditionelle Familienbild konservativen Christen als politische Heimat andienen wolle.

Als Sprachrohr dieser sehr konservativen Christen führt die Doku die evangelische Nachrichtenagentur idea ins Feld – auch das haben andere Beiträge schon vorher getan. Aber hier kommen mehrere idea-Vertreter selbst zu Wort und dürfen ihre Position artikulieren. Redaktionsleiterin Daniela Städter etwa macht deutlich, dass sie es für falsch hält, AfD-Politiker nicht auf die Podien des Deutschen Evangelischen Kirchentages einzuladen. Der Vereinsvorsitzende Helmut Matthies äußert sich ähnlich. Matthias Pankau, Leiter von idea, erklärt, dass sein Blatt kritische Aspekte der Flüchtlingspolitik von 2015 benannt habe, die andere ausgeblendet hätten. Gleichzeitig betont er, dass er es unterstütze, wenn Menschen in Not geholfen werde.

Darüber hinaus geht es in der Doku über weite Strecken um grundsätzliche Kritik Evangelikaler an den Landeskirchen, etwa auch zum Thema Homosexualität und dem Verständnis der Bibel. „Ich vermisse, dass Kirchenleitungen Klartext reden, wenn es um die ureigensten Inhalte des Evangeliums geht“, sagt der langjährige ProChrist-Redner Ulrich Parzany vor der Kamera. „Eine Kirche muss missionarisch sein. Wenn sie das nicht mehr ist, hat sie sich selbst verleugnet.“ Und auch der Präses des pietistischen Gnadauer Verbandes und Mitglied im Rat der EKD, Michael Diener, kommt zu Wort. Er wiederum bedauert, dass konservative Christen ihn dafür kritisierten, Brücken zu eher Liberalen gebaut zu haben. So sei die Brücke auf Seiten der Konservativen abgebrochen.

Die Gräben werden sichtbar

Diener sagt ausdrücklich: „Die Gefahr, dass es eine Verbindung gibt zwischen einer Partei, die vermeintlich das Christliche neu in den Mittelpunkt stellen möchte, und konservativen Christen […] muss man auf jeden Fall sehen. Das ist so.“ Das betreffe vor allem konservative Christen, die sich von der Politik, aber auch von den Landeskirchen nicht mehr vertreten fühlten.

Das Schwierige an der Doku ist der Begriff „rechts“. Denn was genau ist das? Und wo sind die Grenzen dieser Kategorie? Was sind legitime konservative Positionen, die weder etwas mit Rechtsextremismus noch mit Populismus zu tun haben? Was geht darüber hinaus? Es kann natürlich nicht angehen, dass inhaltliche Kritik Konservativer an der Kirche automatisch bedeuten würde, der politischen Rechten nahezustehen. Oder dass eine sachlich begründete Kritik an der Flüchtlingspolitik eine tendenzielle AfD-Sympathie offenbare. Das sagt der Beitrag auch nicht. Aber der Kontext und die Fragestellung legen so eine Tendenz zwischen den Zeilen – fast unvermeidlich – nahe. Das liegt an dem Gegensatz, von dem die Doku lebt: Hier die Landeskirchen mit ihrer politischen Position, da die konservativen Christen mit ihrer Kritik.

Deutlicher erscheint dabei aber die Offenbarung, wie groß der Graben teilweise zwischen ihnen ist. Und wie dringend notwendig es wäre, sich von Ideologie und Emotion freizumachen, das Denken in Kategorien wie „rechts = böse“ und „links = gut“ – oder umgekehrt – aufzugeben, stattdessen in der Sache zu diskutieren und auf die Argumente des jeweils anderen zu hören. Gerade Christen könnten hier ein Vorbild sein, Gräben, die es in der Gesellschaft gibt, trotz unterschiedlicher Meinungen zu überbrücken und nicht zu vertiefen. Und gleichzeitig sollten christliche Gruppen und Kirchen sich weder zum Sprachrohr einer politischen Bewegung machen noch sich von der Politik vereinnahmen lassen. Ihr Maßstab sollte allein Jesus Christus sein. Nur leider gibt es offenbar gegensätzliche Ansichten darüber, was das bedeutet.

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