Blindes Vertrauen

Achtung, Spoiler! Der Netflix-Film „Bird Box“ sorgt für hohe Zugriffszahlen, einen gefährlichen Trend – und greift eine Menge religiöser Motive auf.
Von Nicolai Franz
Sandra Bullock spielt in Bird Box die Hauptrolle

Das Grauen lauert im Freien. Wer es sieht, verfällt einem mysteriösen Wahn und kann nicht anders, als sich das Leben zu nehmen. Nur wer seine Augen schließt, überlebt. Deswegen trainiert Malorie ihre Kinder schon früh, sich mit Augenbinde im Freien zurecht zu finden. Ihr Ziel: Irgendwann den sicheren Ort erreichen, von dem die Männerstimme aus dem Funkgerät erzählt.

„Bird Box“ heißt der Horrorfilm, der Netflix aktuell hohe Zugriffszahlen beschert. Laut dem Streamingdienst haben allein in der ersten Woche nach Erscheinen im Dezember 45 Millionen Nutzer den Film abgerufen. Der Hype um „Bird Box“ führte zu einem teils gefährlichen Internetphänomen. Unter dem Hashtag „#BirdBoxChallenge“ proben Nutzer, wie es sich anfühlt, alltägliche Dinge mit verbundenen Augen zu machen. Zu den harmloseren Übungen gehört, den Briefkasten zu leeren, im Supermarkt einzukaufen oder Schafe zu füttern. Andere Nutzer machten die wenig überraschende Erfahrung, dass blindes Tätowieren eine ebenso schlechte Idee ist wie eine Autofahrt mit verbundenen Augen. YouTube hat wegen hochgeladener Videos der Challenge sogar seine Richtlinien verschärft.

Netflix warnt zwar vor Nachahmungen, dürfte aber für die zusätzliche Aufmerksamkeit nicht undankbar sein. Doch woher kommt der große Erfolg von „Bird Box“? Sicher ist die brillante Sandra Bullock in der Rolle der Hauptfigur Malorie ein Grund dafür. Aber auch die Geschichte selbst scheint einen Nerv zu treffen, der Menschen nachhaltig bewegt – und der klar religiöse Züge aufweist.

Von einer „Genesis-Erzählung rückwärts“ schreibt etwa der amerikanische Blog der Gospel Coalition. Eine Reise weg von einer Welt voller Bedrohung und Tod hin zu einem Garten Eden, einem Ort, an dem keine Angst mehr herrscht, sondern Liebe und Freude. Bei Adam und Eva verspricht die Schlange Weisheit und Erkenntnis. Sie will ihnen die Augen öffnen. In „Bird Box“ sind es die „Verrückten“, die immun gegen die todbringende Bedrohung sind und Malorie dazu drängen, die Augenbinde abzunehmen. Einer sagt: „Ich habe die Wahrheit gesehen. Nehmt eure Augenbinden ab. Es ist wunderschön. Es ist wunderschön!“

Rettung ist nahe

Auch viele andere Motive haben religiöse und besonders christliche Bezüge: Der Untergang der Welt, die Hoffnung auf Erlösung, blindes Vertrauen, die friedlichen Vögel, die Versuchungen, das Paradies. Das trifft naturgemäß auf viele Endzeit-Filme zu. Bei „Bird Box“ sind sie aber besonders ausgeprägt.

Natürlich ist „Bird Box“ kein christlicher Film. Schon das Genre „Horror“ wollen sich viele Christen verständlicherweise nicht zumuten. Die Selbsttötungen werden in solcher Deutlichkeit gezeigt, dass Forderungen nach Warnungen für Menschen laut wurden, die mit Suizidgedanken zu tun haben.

Und doch zeigt der Streifen, wie aktuell die Ursehnsüchte und Urängste sind, die in der Bibel beschrieben werden. Und wie viel Halt die gütige Stimme gibt, die Malorie nur selten über das Funkgerät hören kann und der sie blind vertrauen muss. Der freundliche Mann will sie nämlich retten. „Wir haben einen Ort mit Vorräten für viele. Hier ist es sicher.“

Die Hoffnung auf Erlösung, sie ist stärker als die Angst vor den Gefahren, die überall lauern.

Von: Nicolai Franz

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