Das derzeitige Verhältnis von Bürgern und Presse trägt Züge einer „handfesten Beziehungkrise“. Das hat Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen am Mittwoch in Berlin erklärt. Blogger Stefan Niggemeier sprach sich gegen Fundamentalkritik à la „Lügenpresse“ aus.
Medienschelte bei einer Pegida-Demonstration in Frankfurt
„Wir erleben eine Krise, angetrieben von wechselseitigen Kränkungen“, beschrieb Pörksen das derzeitige Verhältnis von Medienkonsumenten und Journalisten. Verschiedene Journalistenverbände hatten anlässlich des Tages der Pressefreiheit am Sonntag zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, die sich mit einer lauter werdenden Medienkritik beschäftigen sollte. Lügenpresse, Shitstorm, Internetrolle und tätliche Angriffe – von all dem berichteten betroffene Journalisten an diesem Abend. Pörksen versuchte, diese neue Medienkritik analytisch zu betrachten: Die Deutungshoheit medialer Machtzentren schwinde, weil in Zeiten des Internets jeder Bürger Sender sein könne.
„Aus der Jauchegrube der Verschwörungstheorie“
In einer solchen Öffentlichkeit sei es normal, dass mediale Berichterstattung kritisch begleitet werde, etwa beim Rücktritt des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff oder den Äußerungen eines Thilo Sarrazin. Auch im Fall der medialen Aufarbeitung des Germanwings-Unglücks sei das sichtbar geworden. Im Internet formierten sich Zweifler der Berichte zum Hergang des Absturzes, zudem kritisierten viele die Art der Berichterstattung darüber. Medienverdrossene erhielten in der digitalen Welt erstmals eine breite eigene Plattform und förderten zum Teil auch Gedankengut aus der „Jauchegrube der Verschwörungstheorie“. Als Beispiele für Verschwörungstheoretiker nannte er Autoren wie Eva Herman oder Udo Ulfkotte. Die „vernetzten Vielen“, also Blogger oder Wiki-Betreiber, seien zu einer fünften Gewalt geworden.
Pörksen warb für eine neue „kritische Partnerschaft“ zwischen Journalisten und Masse. Journalisten seien herausgefordert, ihre Arbeit und Arbeitsweise öffentlich besser zu erklären, Fehler zu bekennen und dem Publikum die Arbeitsabläufe in den Redaktionen nahe zu bringen. Transparenz statt Demontage müsse die Beziehung beider Seiten prägen.
„Wir sind nicht mehr mutig genug“
Der Medienkritiker Stefan Niggemeier sprach sich gegen eine Fundamentalkritik an der Presse aus. Zwar lege er Wert darauf, etwa auf die Fehler der Bild-Zeitung aufmerksam zu machen. Den grundsätzlichen Vorwurf „Lügenpresse“ halte er aber für falsch. Auf Nachfrage gab er dennoch zu, nicht allzuviel Vertrauen in die Arbeit der Kollegen zu haben. Im Umgang mit den derzeitigen großen Krisen der Welt – in der Ukraine oder in Griechenland zum Beispiel – beobachte er eine einseitige Berichterstattung. „Es gibt eine große Einigkeit in der deutschen Presse, und zufällig sind wir dabei immer die Guten“, sagte er. Letztendlich müsse eine Branche wie der Journalismus, die vom Misstrauen lebe, damit zurecht kommen, wenn ihr selbst misstraut werde.
Die Zeit-Redakteurin Alice Bota sagte, für sie verlaufe die Grenze zulässiger Medienkritik da, wo diese diffus werde und die Presse ganz grundsätzlich als Propagandainstrument bezeichnet werde. Die Fachjournalistin für Rechtsextremismus, Andrea Röpke, berichtete davon, wie sie und ihre Kollegen bei Legida-Demonstrationen tätlich angegriffen wurden. Die Medien würden dort nun auch als „Judenpresse“ beschimpft. Zugleich übte sie selbst Kritik an der eigenen Branche. Es fehle die aufwändig recherchierte Hintergrundgeschichte. „Wir sind nicht mehr mutig genug dafür, wir sind nur noch rasant schnell“, sagte sie. (pro)
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