Medien und ihr Publikum: Vertrauen in der Krise

In seinem Buch „Mainstream – Warum wir den Medien nicht mehr trauen“ ergründet der Journalist und Sozialwissenschaftler Uwe Krüger die Vertrauenskrise zwischen den Medien und ihrem Publikum. Und er stellt fest: Das Meinungsspektrum der deutschen Medien ist eng. Eine Rezension von Norbert Schäfer
Von PRO
Mit der Berichterstattung über den gewalttätigen Konflikt und den politischen Umsturz in der Ukraine 2014 haben sich die Medien von ihrem Publikum entfremdet, so die These Uwe Krügers
Vier von zehn Deutschen haben laut einer Umfrage „sehr großes oder großes Vertrauen in die politische Berichterstattung der Medien“ – das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist: Die Mehrheit hat demnach wenig oder gar kein Vertrauen. Das ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap in einer Studie für die Wochenzeitung Die Zeit im Mai 2015. Den Berichten zur „Flüchtlingsproblematik im Mittelmeer“ hatten demach 48 Prozent der Befragten vertraut, den Meldungen zu den „Protesten des islam-kritischen Bündnisses Pegida in Dresden“ nur 40 Prozent. Noch skeptischer wurden in der Umfrage die Medienbeiträge zur „Schuldenkrise in Griechenland“ (35 Prozent vertrauten ihnen) und zum „Ukraine-Konflikt zwischen Russland und westlichen Ländern“ (30 Prozent) eingeschätzt. Diesen Befund greift der promovierte Diplom-Journalist Uwe Krüger in seinem Buch „Mainstream – Warum wir den Medien nicht mehr trauen“ auf und stellt fest: Das Verhältnis zwischen Bürgern und Medien ist belastet. Auf 145 Seiten ermittelt Krüger, der am Institut für Journalistik der Universität Leipzig forscht und lehrt, die Ursachen des Vertrauensverlusts. Die Quellen seiner Erkenntnisse dokumentiert er in einem Anhang von 25 Seiten. Krügers Beobachtung deckt sich mit einer Feststellung von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier aus dem Jahr 2014. In seiner Rede anlässlich der Verleihung der „Lead Awards“ hatte der die fehlende Meinungsvielfalt in der Presse bemängelt: „Wenn ich morgens manchmal durch den Pressespiegel meines Hauses blättere, habe ich das Gefühl: Der Meinungskorridor war schon mal breiter. Es gibt eine erstaunliche Homogenität in deutschen Redaktionen, wenn sie Informationen gewichten und einordnen. Der Konformitätsdruck in den Köpfen der Journalisten scheint mir ziemlich hoch.“

Die Ursache des Unmuts liegt in der Ukraine

Krüger schildert, wie Lobbynetzwerke, vertrauliche Hintergrundkreise, die soziale Herkunft der Journalisten und die dramatisch verschlechterten Rahmen- und Arbeitsbedingungen der Branche das Meinungsspektrum in den Medien einengen. Das Vertrauen in die Medien zerbrach laut Krüger 2014 an der Berichterstattung über den Konflikt in der Ukraine und den Sturz von Präsident Wiktor Janukowitsch. „Was im Frühjahr 2014 mit massivem Ärger über eine als unausgewogen empfundene Ukraine-Berichterstattung und ein negatives Russland-Bild begann, schwoll zu einer Fundamentalkritik an, die mit den Schlagworten ‚Mainstream-Medien‘, ‚Gleichschaltung‘, ‚Systemmedien‘ und ‚Lügenpresse‘ umrissen werden kann, und die in ganz unterschiedlichen politischen Lagern und Milieus geteilt wird“, schreibt Krüger und kommt zu dem Ergebnis, dass „der deutsche Medienmainstream […] ein sehr enges Meinungsbild präsentiert“. Wesentliche Fakten seien bei der Berichterstattung unterschlagen worden, was dazu geführt habe, dass ein Teil des Publikums nicht mit Empörung über Putin, „sondern mit Empörung über die Medien“ reagiert habe. Das von den „deutschen Leitmedien gezeichnete Schwarz-Weiß-Bild“ hätte Krügers Auffassung nach „dringend einiger Grautöne bedurft“. Auf die Kritik des verstimmten Publikums an den Medien hätten diese mit „Abwehr und Verdrängung“ reagiert. So habe ein Appell von mehr als 60 Politikern, Künstlern und Intellektuellen, unter anderem Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und der Schauspieler Mario Adorf, im Dezember 2014 an die Medien, sie sollten „ihrer Pflicht zur vorurteilsfreien Berichterstattung überzeugender nachkommen als bisher“, keinen Eingang in die TV-Nachrichten gefunden.

Homogene Szene

Im ersten der insgesamt acht Kapitel belegt der Autor den Glaubwürdigkeitsverlust der Leitmedien anhand von Befragungen seitens verschiedener Institute. Das Institut für Demoskopie Allensbach förderte beispielsweise zutage, dass 39 Prozent der Befragten bejahten, dass an dem „Lügenpresse“-Vorwurf etwas dran sei – in dem Sinne, „dass die Medien angeblich nicht objektiv berichten, sondern Sachverhalte verdrehen oder bestimmte Tatsachen ganz verheimlichen“. Der Autor lenkt den Blick vor allem auf die Journalisten und ihre Arbeitsweise. Seiner Analyse nach „bilden die Journalisten eine relativ homogene Szene“ im Hinblick auf ihren sozialen Hintergrund, während die „Mediennutzer ganz verschiedenen Milieus mit divergierenden Lebensumständen“ entspringen. Die Journalisten in Deutschland seien „alles andere als ein Spiegelbild“ der gesellschaftlichen Vielfalt, wie sie Milieustudien beschreiben. Ein deutliches Übergewicht liege beim „liberal-intellektuellen Milieu“, das auch in den renommierten Journalistenschulen dominiere und eine Ursache sei für die Kluft zwischen Medienmachern und -konsumenten. Jedoch „dass der Mainstream im klassischen Sinne links wäre, kann in den Bereich der Legende verwiesen werden“, schreibt Krüger. „Dass er sozialdemokratisiert ist, wird schon eher plausibel.“

„Mainstream schlägt Relevanz“

An verschiedenen Beispielen belegt er die Verflechtung von Journalisten mit der Politik. Die Teilhabe der Top-Journalisten an diesen Elite-Netzwerken und informellen Gesprächen unterstütze die Einengung der Meinungsvielfalt. Krüger hat die Kommentare von vier gut vernetzten Journalisten im „transatlantischen Elitemilieu“ über einen Zeitraum von acht Jahren untersucht und dabei inhaltlich „frappierende Parallelen“ festgestellt. Das „Milieu der Entscheider und Insider“ übe „unbestreitbar einen Sog auf Journalisten aus“, schreibt Krüger. „Nur wer die Zeit, das Geld, die Nerven und die Fähigkeit für Recherchen und Reflexion hat, kann Farbtupfer, Abweichungen und Alternativen in den ‚enormen homogenen Brei‘ (Pierre Bourdieu) des Medien-Mainstreams bringen“. Journalisten seien mittlerweile oft reine „Content-Manager“, Verwalter von Inhalten. „Kommerzialisierung, Boulevardisierung, Prekarisierung der Medienschaffenden und steigende Abhängigkeit von PR und Lobbyismus“ sowie der mächtige Aktualitätsdruck seien weitere Ursachen der Meinungseinengung. „Mainstream schlägt Relevanz, Beschleunigung schlägt Recherche“, schreibt Krüger. Eine Umfrage unter Journalisten habe ergeben: Nur elf Minuten verwenden Journalisten täglich für „Überprüfungsrecherchen, also für Quellencheck und Faktenkontrolle“. Einen weiteren Grund für die „Schlagseite in der Berichterstattung“ findet Krüger in dem Bemühen von Journalisten, „wie alle Menschen – etwas Wertvolles und Zerbrechliches beschützen“ zu wollen, und nennt als Beispiele die Maidan-Aktivisten, den Euro, oder Flüchtlinge und Migranten. Wer die Guten und wer die Bösen seien, sei vielen „Medienmachern schon aufgrund ihrer Sozialisation klar“, schreibt der Autor.

Dem „mündigen Publikum“ vertrauen

Wie kommt der Journalismus aus Krise? Krüger appelliert an die Journalisten, sich von den Trägern politischer Macht zu lösen und die „pädagogisch-paternalistische Haltung“ aufzugeben, mehr Vertrauen in die „Mündigkeit des Publikums und in die Selbstregulierungskräfte der offenen, demokratischen Gesellschaft“ zu setzen. Er erklärt, dass Journalisten nicht lügen, aber dass es aufgrund der Herkunft und der Verquickung der Medienschaffenden mit Politik und Netzwerken zu einer Mainstream-Berichterstattung kommt, die als unausgewogen wahrgenommen wird. Viele Bürger fühlten sich sowohl von den großen Parteien, als auch von den Leitmedien nicht mehr repräsentiert. Die Medien hätten in den Augen vieler ihre Kontrollfunktion gegenüber den Regierenden und Mächtigen eingebüßt. Krüger liefert in seinem Buch einen lesens- und nachdenkenswerten Befund der Vertrauenkrise in die Medien. Dabei argumentiert er sachlich, verständlich und differenziert, die Quellenangaben können Ausgangpunkt für eigene Recherchen zu dem Thema sein. Es bleibt jedoch zu wenig Raum für Lösungsvorschläge, um aus der Krise zu finden, und konkrete Handlungsempfehlungen für Journalisten, die sich aus Netzwerken und Abhängigkeiten zu lösen wünschen und abseits des Mainstreams berichten möchten. Leider fällt auch der Hinweis Krügers auf altenative Medien sehr kurz aus. Der Nutzer bleibt damit etwas hilflos zurück mit seiner Frage, was er nun mit den Medien machen soll. Aber das Buch hilft, besser zu verstehen, wie Journalisten ticken und wie ihre Arbeit hinter den Kulissen aussieht. Mit diesem Wissen wird man die Medien sicher mit etwas anderen Augen nutzen. (pro)

Uwe Krüger: „Mainstream. Warum wir den Medien nicht mehr trauen“, C.H.Beck, 170 Seiten, 14,95 EUR, EAN 9783406688515

Dieses Interview stammt aus der Ausgabe 3/2016 des Christlichen Medienmagazins pro. Bestellen Sie pro kostenlos unter der Telefonnummer 06441/915151, via E-Mail an info@pro-medienmagazin.de oder online.

https://www.pro-medienmagazin.de/journalismus/detailansicht/aktuell/medienexperte-bei-geldmangel-leidet-qualitaet-95208/
https://www.pro-medienmagazin.de/journalismus/detailansicht/aktuell/ein-journalismus-mit-perspektive-96909/
Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen