Deutsche Medien haben den Anschlag auf Charlie Hebdo für ihren „Kampf gegen Pegida“ instrumentalisiert, schreibt der Journalist Stefan Niggemeier. Politiker wie Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) tun es ihnen gleich – und entlarven sich damit als Heuchler. Ein Kommentar von Moritz Breckner
Trotz aller Kritik hat Pegida von Woche zu Woche mehr Teilnehmer
Nur wenige Minuten dauerte es am vergangenen Donnerstag auf Twitter, bis die Trauer um die Opfer des Anschlags auf die Redaktion von Charlie Hebdo mit der Sorge um Zulauf für Pegida und Islamkritik gemischt wurde. Die Mörder waren noch nicht gefasst, da begannen auch viele Medien in Deutschland, diese Frage zu diskutieren. Da Pegida sich den Kampf gegen religiös motivierte Gewalt auf die Fahnen geschrieben hat, liegt diese Vermutung nahe. Manche Beiträge klangen aber, als sei die bloße Existenz von Pegida in gleichem Maße zu bedauern wie die Morde von Paris.
Am Samstag gipfelte die Verknüpfung von Paris und Pegida in einer Medienkampagne, die sogar der Pegida-kritische Journalist Stefan Niggemeier als „infam“ bezeichnete. Mehrere Tageszeitungen veröffentlichten eine Karikatur, welche die Terroristen von Paris als verlängerten Arm der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ darstellte. „Die reden nur. Wir tun was“, erklärt einer der Terroristen mit Blick auf die „Lügenpresse“ skandierenden Pegida-Anhänger. Niggemeier schreibt über den Vorwurf, der hinter der Zeichnung steckt: „Er ist perfide, weil er Menschen, die friedlich demonstrieren, mit einem Verbrechen in Verbindung bringt, das sie nicht befürworten, nicht gutheißen und das nicht in ihrem Namen begangen worden ist. Und er ist falsch, weil die Zeitschrift Charlie Hebdo aus Sicht der Pegida-Leute genau das Gegenteil dessen ist, was sie als ‚Lügenpresse’ beschimpfen.“ Niggemeier distanziert sich in seiner Analyse deutlich von Pegida, beobachtet aber, dass die Medien den Vorurteilen von Pegida gegen Journalisten geradezu in die Hände spielen.
Niggemeiers Beobachtung lässt sich mühelos von den Medien auf Politiker ausweiten. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und allen voran Justizminister Heiko Maas (SPD) nutzten den Vorwurf, Pegida instrumentalisiere Paris, um gegen Pegida und auch die Alternative für Deutschland (AfD) in unanständiger Weise herzuziehen. „Wenn die gleichen Leute, die vor einer Woche über die Lügenpresse schimpfen, jetzt mit Trauerflor zur Verteidigung der Pressefreiheit demonstrieren, ist das an Heuchelei nicht zu überbieten“, erklärte Maas am Montag, und rückte anschließend die AfD in die Nähe der NPD. Maas bedient sich der gleichen Logik, die Niggemeier „perfide“ nennt. Politiker wie der Bundesjustizminister machen genau das, was sie Pegida vorwerfen – sie instrumentalisieren die Tragödie für ihre eigenen politischen Zwecke. Dies im gleichen Atemzuge wiederum Pegida vorzuwerfen, ist Heuchelei. Es ist paradox, wenn Politiker verkünden, eine Spaltung der Gesellschaft zu fürchten, und gleichzeitig Demonstranten und Wählergruppen pauschal diskreditieren.
„Lügenpresse“ übt deutliche Islamkritik
Der Vorwurf von Pegida, von der Presse voreingenommen behandelt zu werden, lässt sich nicht von der Hand weisen. Jede Reaktion der Bewegung auf die Anschläge in Frankreich wäre ihr von der Presse schlecht ausgelegt worden – außer vielleicht, die Gruppe hätte ihre Auflösung bekanntgegeben. Man muss Pegida nicht mögen, um das festzustellen. Deswegen ist es wahrscheinlich, dass die Pegida-Demonstranten gar keinen Blick mehr in die Medien werfen. Das ist zu bedauern, denn sonst würden sie merken, dass der Vorwurf „Lügenpresse“, zumindest wenn es um Islamkritik geht, leicht zu entkräften ist.
Seit dem Anschlag auf Charlie Hebdo durften vehemente Islamkritiker umfangreich kommentieren. Die Welt druckte einen Beitrag der vor Islamisten in die USA geflüchteten Niederländerin Ayaan Hirsi Ali ab. Titel: „Doch, dieses Massaker hat mit dem Islam zu tun!“ Ähnliches war im Cicero und in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu lesen. „Das kollektive Dauerbeleidigtsein haben die Muslime ziemlich exklusiv; das Verständnis in einem Teil der linksliberalen Öffentlichkeit ist ihnen gewiss“ – dieser Satz entstammt einer Kolumne der links-alternativen tageszeitung (taz), in der gleichzeitig auf Pegida geschimpft wird.
Die Presselandschaft in Deutschland hat zumindest für das Themengebiet Islam bewiesen, Meinungsvielfalt zuzulassen und bewusst anzubieten. Von „Lügenpresse“, dem Unwort des Jahres 2014, keine Spur.
Mit Blick auf die Berichterstattung über Pegida ist das jedoch anders, weshalb man den Demonstranten ihr tiefes Misstrauen gegenüber den Medien kaum verübeln kann. Würden Journalisten Pegida umfassend und ausgewogen darstellen, und würden Politiker die Sorgen der Demonstranten ernsthaft anhören, wie sie gerne behaupten, dann wäre Pegida schon viel Wind aus den Segeln genommen. (pro)
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