Mazyeks Schattenkämpfe

Fundamentalismus muss nicht religiös sein. Das hat der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, am Freitag in der evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt erklärt. Im Rahmen der Beschneidungsdebatte seien ihm atheistische Gruppen ungewöhnlich aggressiv begegnet. Doch auch mit „evangelikalen Fundamentalisten” habe er schon „Schattenkämpfe” ausgetragen.

Von PRO

Radikalismus, da war sich Mazyek bei der Veranstaltung zum Thema „Christlicher Fundamentalismus aus muslimischer Sicht” sicher, gibt es im Christentum und Atheismus ebenso wie im Islam. Er schäme sich für die „inquisitorische Rhetorik” des salafistischen Predigers Pierre Vogel, der Moderator Johannes B. Kerner zuletzt vor laufenden Kameras erklärt habe, er komme in die Hölle, weil er kein Moslem sei. Doch Mazyek erinnerte auch an die Koranverbrennung eines Pastors in den USA. Einen wahren „Schattenkrieg” habe er zeitweise gegen die Evangelikalen geführt. Islamophobie sei in bestimmten evangelikalen Gruppen eine Konstante, erklärte Mazyek. Im Rahmen der Beschneidungsdebatte habe er hingegen kaum antiislamische christlich-fundamentalistische Stimmen wahrgenommen.

„Das ist eigentlich Karneval”

Zugleich stellte Mazyek fest, der Begriff Fundamentalismus werde inflationär für nichts und alles benutzt, seit dem 11. September 2001 aber vor allem im Bezug auf die muslimische Religion. Die meisten seiner Vorträge als Vorsitzender des Zentralrats der Muslime seien geprägt von der Frage, wie extremistisch der Islam sei. Immer wieder müsse er sich von Gewalt distanzieren.

Extremisten attestierte er neben einem geschlossenen und stark dialektisch geprägten Weltbild ein schwaches Selbstbewusstsein. Nach außen träten sie deshalb meist umso entschlossener auf und grenzten sich zum Beispiel durch das Tragen eines langen Bartes ab. „Dabei ist das eigentlich Karneval”, sagte Mazyek. Auch beobachte er in Debatten mit Fundamentalisten oft, dass kein Argumentationsaustausch möglich sei, stattdessen drohten sie mit der Hölle oder gar mit Gewalt. „Fundamentalismus findet besonders dann statt, wenn die Umwelt den Menschen sehr feindlich erscheint”, sagte Mazyek. Eine areligiöse Gesellschaft sei ein guter Nährboden für religiösen Extremismus.

Mit Wissen gegen Hass

Wissen sei das beste Mittel gegen eine übertriebene Religiosität. Je besser man die eigene Religion kenne, desto ausgeglichener begegne man Andersdenkenden. Oft wüssten Fundamentalisten nur wenig über den eigenen Glauben und würden vergessen, dass alle Religionen die Würde des Menschen zu wahren versuchten. Jesus, Mohammed und Moses hätten dieselben Botschaften vermittelt, etwa, sich um die Armen zu kümmern. Schon deshalb sei die Geschwisterlichkeit von Christen und Muslimen logisch und auch im Islam angelegt.

Mazyek blickte auch in seine eigene Biografie: Der in Deutschland geborene Moslem war in jungen Jahren in den christlichen Religionsunterricht gegangen, weil er seinen Lehrer so sehr schätzte. Das Christentum habe er schon früh kennengelernt, er bezeichnete das am Freitagabend als ein „schönes Erlebnis”. Seine religiöse Erziehung habe er vor allem in der Moschee genossen. Diskriminierungen habe er in seiner Kindheit und Jugend nicht erlebt, eher ein „Fremdeln”, wenn er die katholischen Gebete im Kindergarten nicht mitgesprochen habe. Als junger Mensch habe er sich auch mit islamischem Fundamentalismus beschäftigt. So habe er die Schriften eines der geistigen Väter der Muslimbruderschaft, Sayid Qutb, gelesen. Fasziniert sei er gewesen von dessen Dialektik, der klaren Trennung zwischen Gut und Böse, in seinen Büchern. „Aber, es hat mich nicht so geprägt, dass ich es umgesetzt hätte”, erinnerte er sich. (pro)

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