Marx: Kein Europa ohne Beiträge des Christentums

"Wir müssen deutlicher machen, dass wir eine positive Botschaft zu verkünden haben." Dafür hat der Münchener Erzbischof Reinhard Kardinal Marx in einem Interview mit der Tageszeitung "Die Welt" geworben. Der Theologe äußert sich neben der gesellschaftlichen Rolle der Kirche zur Gerechtigkeitsfrage und dazu, warum Kirche aktiv im Sozialstaat mitwirken solle.
Von PRO

Kirche müsse auch in Zukunft die Fragen des Lebensschutzes, der Familie und der Nachhaltigkeit thematisieren. Diese blieben in politischen Zuspitzungen oft auf der Strecke. Dauerhafte Aufgabe der Kirche sei es, die Stimme für Geringqualifizierte, Schwache und Kranke zu erheben: "Die Starken und Vermögenden können sich in der Regel ganz gut selber helfen."

Marx kritisiert Staatsverschuldung

Deutschland verfüge über ein hohes Niveau an sozialstaatlicher Entwicklung. Dieses sei aber dadurch bedroht, dass soziale Standards durch die globalisierte Welt unter Druck gerieten. Der "Sündenfall" der sozialen Marktwirtschaft begründe sich in der "Ideologie des fraglos vorausgesetzten Wachstums". Eine Korrektur der hohen Staatsverschuldung kann Marx in naher Zukunft nicht erkennen: "Aber es wäre ein guter Anfang, wenn keine neuen Schulden mehr gemacht würden und Steuereinnahmen in den Schuldenabbau fließen würden."

Eine Gesellschaft mit dem einzigen Ziel materiellen Wohlstand zu verteidigen, kann aus Marx‘ Sicht nicht funktionieren. Er fordert eine Rückbesinnung auf die geistigen und politischen Grundlagen Europas. Ein gemeinsames Europa ohne die Beiträge des Christentums sei nur schwer vorstellbar. Christlicher Glaube müsse deswegen die Kraft aufbringen, die Gesellschaft mitzuprägen. Die Religion werde viel zu oft als etwas Vormodernes und Unruhestiftendes wahrgenommen. Marx sieht in der Religion dagegen eine "Quelle des Friedens und des Fortschritts".

Marx fordert positive Botschaften

Konkret werde die Verantwortung dann, wenn Kirche bei gesellschaftlichen Themen wie der künstlichen Befruchtung oder der Geburt durch Leihmütter vernünftige Argumente bringe. Statt zu sagen, "wir sind gegen Abtreibung", solle Kirche kommunizieren: "Wir sind für das Leben! Wir sind für die Ehe, die offen ist für Kinder." In vielen Lebensbereichen gelte es Hilfen anzubieten, statt im Anklagen und Verurteilen stecken zu bleiben: "Wenn man einmal anfängt, Leben zur Disposition zu stellen, gerät man schnell auf eine abschüssige Bahn." In Bezug auf die Homo-Ehe müsse klar werden, dass die Kirche nicht Menschen ablehne, sondern aus "Vernunftgründen" nicht alle gleichsetze.

Politischem Extremismus und religiösem Fundamentalismus steht Marx skeptisch gegenüber, auch wenn es viele "Vereinfacher und Populisten" in den eigenen Reihen gebe. Unangenehm werde es dann, wenn "Wahlkämpfe von politischen Bewegungen finanziert werden, die Hass verbreiten und unseren demokratischen Staat unterminieren". Für die zukünftige Gestaltung der katholischen Kirche wünscht er sich, dass die "Bischöfe das Volk Gottes zusammenführen" und im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils eine Erneuerung und Vertiefung des Glaubens erreichten.

Reinhard Marx wurde 1953 im westfälischen Geseke geboren. Sein Studium absolvierte er unter anderem in Paris und Paderborn. Nach seiner Station als Weihbischof in Paderborn wurde er Bischof von Trier. 2007 ernannte ihn Papst Benedikt XVI. zum Erzbischof von München und Freising, im November 2010 zum Kardinal. Als Theologe beschäftigte er sich mit sozialpolitischen Fragen. 2008 veröffentlichte er ein Buch mit dem Titel "Das Kapital: Ein Plädoyer für den Menschen", in dem er mit dem "wild gewordenen Kapitalismus" abrechnet. (pro)

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