Martin Dreyers „Volxbibel – Altes Testament“: Cool, schräg oder lässig?

Vor knapp vier Jahren erschien die "Volxbibel" auf dem deutschen Buchmarkt und löste Jubel, aber auch Proteste aus. Jesu Geburt in einer Tiefgarage, der Einzug nach Jerusalem auf einem Motorrad – vielen Christen war die Bibelauslegung von "Jesus Freaks"-Gründer Martin Dreyer zu modern und vor allem zu weit weg vom Urtext. Jetzt erscheint auch das Alte Testament im "Volxbibel"-Stil. pro-Autorin Anna Wirth hat Martin Dreyer in Köln besucht – und einen Mann getroffen, der voll und ganz hinter seinem Werk steht.
Von PRO

„Ach, ihr wolltet ja vorbeikommen… – ganz vergessen“, ist das Erste, was wir von Martin Dreyer hören. Dass er unseren Interviewtermin fast vergessen hätte – irgendwie passt es ins Bild. Exaktheit und Verlässlichkeit sind nicht die Charaktereigenschaften, die man einem Mann zuschreiben möchte, der die christliche Punk-Gemeinde „Jesus Freaks“ gegründet hat. Nein, wir erwarten keinen korrekten, schick gekleideten und sich gewählt ausdrückenden Autor, als wir uns mit dem Firmenwagen durch den Verkehr der Kölner Innenstadt wühlen. Wir erwarten einen sympathischen Chaoten – und werden nicht enttäuscht. Als wir die Wohnung des Wahlkölners betreten, treffen wir den 44-Jährigen in seinem Arbeitszimmer. „Ein bisschen unaufgeräumt, ich weiß, aber morgen ist auch Abgabe des AT, erster Teil“, sagt er entschuldigend. Innerhalb eines Jahres hat er, gemeinsam mit einem 12-köpfigen bunt gemischten Team aus Theologen, Schülern, Studenten oder auch Hausfrauen, die ersten 17 Bücher der Bibel in Jugendsprache übersetzt.

Dreyer hat sich die Arbeit gemacht, obwohl er schon jetzt damit rechnet, dass es Proteste gegen seine Bibel geben wird. „Bei uns trägt Goliath eine schusssichere Weste und hat eine Pumpgun, David kämpft nur mit einem Messer“, erklärt er die Geschichte aus dem ersten Samuel-Kapitel im Volxbibel-Stil und macht damit auch klar, woran seine Kritiker Anstoß finden. Es ist nicht allein die moderne Sprache, die manchen Christen und Theologen zu schaffen macht, nicht allein die Tatsache, dass seine Bibelfiguren auch mal „Mist“ sagen, sondern es ist vor allem die Umdichtung der Geschichten ins Moderne. Jesus fährt Motorrad, statt auf einem Esel zu reiten, Moses bringt die Zehn Gebote in Stahlplatten gefräst vom Berg Sinai und zerstört sie schließlich mit einer Flex – das geht so manchem zu weit, nicht nur Christen, fürchtet Dreyer. „Die Moslems berufen sich schließlich auch auf Abraham. Könnte schon sein, dass da Proteste kommen.“

Auf Widerstand stieß er bereits, als die erste „Volxbibel“ im Jahr 2005 auf den Markt kam. „Die Bibel ist Gottes, vom Heiligen Geist inspiriertes Wort, mit dem man nicht einfach experimentieren sollte“, sagte etwa der Evangelist und Geschäftsführer der Christlichen Verlagsgesellschaft Dillenburg, Hartmut Jaeger, in einem Streitgespräch mit Dreyer, der sich nicht gerne an die Zeit der Medienkritik erinnert. „Mit sachlichen Einwänden konnte ich immer gut leben“, erklärt er, „aber ich habe auch E-Mails bekommen, in denen mir gedroht wurde, oder es gab Leute, die sagten: ‚Was der Martin macht, ist vom Teufel.‘ Das war nicht so easy, vor allem, der Versuchung zu widerstehen zurückzuschießen.“ Bis zu 600 Protestmails erreichten ihn täglich. „Momentan höre ich aber nur noch Positives“, sagt er und findet sein Lächeln wieder. Es ist auch der Erfolg des Buches, der für sich spricht. 150.000 Volxbibeln wurden bisher verkauft. In den säkularen Taschenbuch-Bestsellerlisten kletterte die Volxbibel bis auf Rang 17. Mittlerweile liegt sie sogar in Bahnhofsbüchereien aus.

Das Wort Gottes für den säkularen Markt

Dreyer hofft damit, seinem Ziel, eine Bibel für den säkularen Markt herauszugeben, näher gekommen zu sein: „Wir wollten eine Bibel, die leicht lesbar ist. Der Vorteil der Volxbibel ist: Du kannst dir auch mal vorm Schlafengehen ein ganzes Evangelium reinziehen“, erklärt Dreyer. Mittlerweile haben wir auf der weißen Ledercouch im Wohnzimmer Platz genommen. Seinen ganzen Einrichtungsstolz durften wir einen Raum weiter bereits bewundern: einen Beamer mit Kinoleinwand. „Dafür musste ich meiner Frau versprechen, einmal in der Woche zu putzen“, erzählt er schmunzelnd. Das sei es ihm wert gewesen. Er liebe es, abends auf der Couch zu sitzen und noch einen Film zu schauen. So entspannt er vom Alltag, und der ist prall gefüllt. Vier Tage die Woche schreibt er an der Volxbibel, einen Tag arbeitet er in einem selbst gegründeten Internetcafé für Jugendliche, am Wochenende geht es meist zu Predigten und Lesungen in ganz Deutschland. Dreyer hat vieles ausprobiert und viel erreicht. Er studierte Theologie und Pädagogik, arbeitete als Drogen- und Suchtberater und betreute nicht zuletzt immer wieder Jesus-Freaks-Gemeinden, von denen es mittlerweile über 100 in ganz Deutschland gibt. „Mir werden Dinge schnell langweilig“, gibt er zu.

Die Arbeit an der Volxbibel scheint ihn dennoch gefesselt zu haben. Kein Wunder, ist sie doch die bisher einzige „Mitmachbibel“ der Welt. Die Arbeit am Alten Testament funktioniert über eine Wiki-Plattform im Internet. Dort stellte Dreyer seine Bibelauslegung online. Anschließend darf sein Team kürzen, ändern, verbessern. Theologen, so versichert er, beaufsichtigen den gesamten Arbeitsprozess und tragen Rechnung dafür, dass der Originaltext durch die Modernisierung nicht verfälscht wird. Dabei empfand er die Arbeit am Alten Testament in vielen Aspekten schwieriger, als jene am Neuen Testament. „Das NT war anspruchsvoller, was theologische Gesichtspunkte angeht, aber beim AT fällt es schwerer, darzustellen, wie Gott ist, etwa wenn man sich die Brutalität in Büchern wie dem der Richter anschaut. Man muss eben das ganze Buch lesen, um den Zusammenhang der Geschichte zu verstehen“, erklärt er.

Besonders beliebt bei Haupt- und Sonderschülern

Dennoch, viele werfen ihm vor, dass es gerade der theologische Anspruch ist, der in der Volxbibel verloren gehe. Für Dreyer kein Problem. Ihm geht es nicht um die Lehre, sondern darum, dass Nichtchristen das Wort Gottes verstehen. Seiner Erfahrung nach ist die Volxbibel gerade bei weniger Gebildeten beliebt: „Gymnasiasten sind geteilter Meinung über das Buch, Real-, und Hauptschüler mögen sie schon eher, und bei den Sonderschülern sind es fast hundert Prozent, die etwas mit der Volxbibel anfangen können.“ Gerne berichtet er von Erlebnissen und Begegnungen, die er mit Volxbibel-Lesern hatte. Einmal habe ihn ein Leser aus einem paraguayanischen Aussiedlerdorf im Internet angeschrieben. „Du musst dir vorstellen, der lebt da nur mit Deutschen, die aber ausgewandert sind, ohne Radio, ohne TV, einfach irgendwo in der Pampa“, erklärt Dreyer. Deshalb habe sich in diesem Dorf im Laufe der Jahrzehnte ein recht einfaches Deutsch entwickelt. „Nun erzählte mir dieser Typ, dass meine Volxbibel da eine Zeit lang das begehrteste Buch gewesen sei, dass es sogar Verleihlisten dafür gäbe, weil es nur eine Ausgaben davon in dem Dorf gibt.“ Immer wieder begegnen Dreyer auch Jugendliche, die mithilfe der Volxbibel gläubig werden. „Ich habe von einem Jugendlichen gehört, der sagte, er habe die Volxbibel gelesen wie ein Harry-Potter-Buch, einfach von vorne bis hinten durch. Dann hat er mich gefragt, was er nun machen soll. Ich habe ihm vorgeschlagen, das Lebensübergabegebet, das am Ende der Volxbibel steht, zu beten. Jetzt geht der Junge in eine Gemeinde und ist Christ.“ Vielleicht ist er in einer der vielen Jesus Freaks-Gemeinden gelandet.

Martin Dreyer, „Die Volxbibel AT – Teil 1“, ca. 900 Seiten, € [D] 9,95 / € [A] 10,30 / sFr 18,50, ISBN: 978-3-940041-05-0, Volxbibel-Verlag
Weitere Informationen:
www.volxbibel.de | www.volxbibel-verlag.de 

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