Marke Kirche in der Krise?

Die Aufarbeitung der Missbrauchsvorfälle und das Ende der Missbrauchs-Hotline haben die Katholische Kirche in der Gesellschaft in Misskredit gebracht. Dennoch, der Journalist Johannes B. Kerner fordert, dass jeder Christ verpflichtet sei, das Evangelium weiterzusagen.
Von PRO

Das "Kirchenbild zwischen Selbstbild und Fremdinszenierung?" diskutierten in einer "Domradio"-Sendung am Wochenende der Journalist Johannes B. Kerner, der Sprecher der Bischofskonferenz Mathias Kopp sowie Wolfram Domke, Leiter der "rheingold Akademie" des rheingold Instituts für qualitative Markt- und Medienanalysen. Die Experten erörterten, ob Kirche in der Öffentlichkeit realistisch oder verzerrt dargestellt wird. Kerner berichtete zunächst von seiner katholischen Erziehung. Als junger Mensch habe er die Katholische Kirche verlassen, weil er auf einige seiner Fragen keine Antworten erhielt: "Aber die ausgestreckte Hand, die mir der Kaplan beim Austritt angeboten hat, habe ich nach acht Jahren wieder ergriffen. Seit dieser Zeit gehöre ich wieder zum ‚Verein‘ und bin auch ein kritischer Beobachter der Entwicklungen." Auch seine Kinder erziehe er katholisch: "Wir bieten ihnen Glaube und Spiritualität an, sind aber liberal genug, dass sie irgendwann eine eigene Entscheidung treffen werden", betonte Kerner.

Unbemerkt etwas verloren gegangen

Auch der Protestant Wolfgang Domke berichtete von einer sehr wechselvollen Glaubensgeschichte. Ein Teil seiner Familie engagiere sich in der Katholischen Kirche, aber "ich bin in beiden nicht richtig drin". Die Kirche selbst sieht Domke als Marke in einer Krise. Bei der intensiven Aufarbeitung der Missbrauchsfälle hätte sie auch viel Unangenehmes über sich erfahren können, meint der Analytiker: "Die Gesellschaft befindet sich aber gerade in einer Phase, in der sie sich von alten Zwängen und Autoritäten löst. Dabei ist unbemerkt auch für die Kirche etwas verloren gegangen", sagte Domke.

"Viele Leute möchten nicht fremdbestimmt oder bevormundet werden. Aber genau das verbinden sie mit der Katholischen Kirche", berichtete Domke aus einer kürzlich veröffentlichten Studie. Der Energy-Drink "Red Bull" werbe etwa mit dem Spruch "Wenn Du wirklich dran glaubst, dann ist alles möglich!" Dies entspreche der biblischen Botschaft, dass Glaube auch Berge versetzen kann. Um in Zukunft gesellschaftlich relevant zu bleiben, müsse Kirche wissen, wo und wie sie die Menschen im Alltag erreicht. Viele Menschen erwarteten dies sogar von ihr.

Gerne katholisch – auch in stürmischen Zeiten

Mathias Kopp, Pressesprecher der Katholischen Bischofskonferenz, erklärte dass er auch in stürmischen Zeiten gerne katholisch sei. Er habe das Ziel, das Positive der Kirche in der Öffentlichkeit zu vermitteln. In Bezug auf sexuellen Missbrauch sieht er die Kirche als einzige Institution, die etwas zur Aufarbeitung beigetragen habe: "Dabei sind wir durch eine Phase tiefer Demut gegangen. Die Kirche hat agiert und sich finanziell engagiert." Gerade griffen aber etliche Themen ineinander, die eine positive Darstellung nicht gerade erleichterten: "Es gibt auch viele Punkte, an denen wir sehr gut aufgestellt sind." Die Kirche sei lange nicht so hinterwäldlerisch, wie viele denken. "Wir wollen uns dort profilieren, wo wir gefragt und gebraucht werden. Dafür muss klar sein, wo unser Glaube verankert ist und dass er authentisch gelebt wird. Wir brauchen Mut, die Wahrheit zu sagen, und das in einer klaren Sprache."

Der Journalist Kerner bemängelte, dass die Kirche in ihren Krisen noch offener und schneller hätte reagieren müssen, "auch wenn irgendeine Sau immer durch das Dorf getrieben wird". Kirche müsse beherzt das kommunizieren, was sie kann, macht und tut. Hier gebe es so viele Menschen, die sich ehrenamtlich und hauptamtlich einbrächten. "Die sind ja auch Kirche." Kerner legt Wert darauf, dass Kirche nicht alles tut, was im Trend liegt: "Aber sie soll offenherzig wichtige gesellschaftliche Themen ansprechen und jeden Einzelnen erobern." Gerade bei der Schwangeren-Konfliktberatung habe Kirche mit ihrer sehr kritischen Haltung viele Menschen dort abgeholt, wo sie waren und eine offen Diskussion nicht gescheut.

Kopf nicht in den Sand stecken

Am Ende äußerten alle drei Diskussionspartner ihren Wunsch für die Zukunft der Kirche. Kerner betonte, dass nicht nur Würdenträger für das Leben in der Kirche verantwortlich seien, sondern auch die Laien: "Jeder Einzelne hat aus dem Glauben heraus die Verpflichtung, das Evangelium weiterzusagen." Kopp stellte klar, dass sich Kirche den Medien stellen und nicht den Kopf in den Sand stecken solle: "Sie muss ihren Fels schützen und zugleich Aufbruch wagen." Domke wies auf das breite Netzwerk der Kirche hin: "Als alte Marke muss sie ihren Schatz, den sie hat, bewahren. Dies ist nur durch Wandlung möglich, aber ohne dass sie dabei ihre Prinzipien verrät."

Die Sendung wurde im Rahmen des Projekts "Wir sind Papst" im Dom-Forum in Kooperation mit dem Katholischen Bildungswerk Köln aufgezeichnet. Die vollständige Sendung ist unter  www.domradio.de abrufbar. (pro)

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