Mangelhafte journalistische Sorgfalt stiftet Verwirrung

Die widersprüchlichen Meldungen über das Ende des Gaddafi-Regimes haben in den vergangenen Tagen für Verwirrung gesorgt. Thomas Bauer vom Publizistik-Institut der Universität Wien führt dies darauf zurück, dass die Medien mit der Thematik überfordert sind, weil die Auslandsberichterstattung zunehmend vernachlässigt werde.
Von PRO

Was denn nun?, werden sich viele Mediennutzer gefragt haben, die morgens in der Zeitung vom Ende des Gaddafi-Regimes und der Gefangennahme von Saif-Al-Islam lasen, um dann im Radio zu erfahren, dass der prominente Sohn des Machthabers Muammar al-Gaddafi in der Öffentlichkeit aufgetreten ist und deutlich gemacht hat, dass das Regime nach wie vor an der Macht ist. "Da war wohl der Wunsch der Vater der Gedanken", begründet Bauer die voreiligen Berichte über "das Ende des Grauens" im Gespräch mit dem Informationsdienst "Pressetext". "Bei den Jubelmeldungen aus Libyen hat man deutlich die Erwartung einer Erfolgsgeschichte gespürt." Der Professor für Kommunikation geht davon aus, dass die Medien sich zu sehr an den Meldungen der Rebellen orientiert haben. Kriegsparteien hätten immer Propagandamaschinerien. Hier müsse man besonders vorsichtig sein. "Die Medien haben aber scheinbar ungeprüft Meldungen übernommen", so Bauer. Wenn Medien jedoch die journalistische Sorgfaltspflicht für eine Erfolgsmeldung vernachlässigten, stellten sie ihre eigene Legitimation in Frage.

Ein Grund für die unzulängliche journalistische Arbeit sieht Bauer in der zunehmenden Vernachlässigung der Auslandsberichterstattung. Aus Kostengründen gebe es immer weniger Korrespondenten. Die Medien vertrauten zunehmend darauf, dass in einer vernetzten Welt schon irgendjemand vor Ort sein wird, um zu berichten. "Für das Übernehmen von Meldungen ohne Quellen gibt es aber keine Entschuldigung."

Ähnlich sieht dies der deutsche Journalist und Hochschullehrer Wolfgang Stock, der in einem Beitrag für das Christliche Medienmagazin pro über die Macht der Medienmacher die Auslandsberichterstattung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens kritisiert hat. Er rief dazu auf, als Mediennutzer kritischer zu werden, gerade dann, wenn Medien erkennbar auf Quoten oder Auflage statt auf Qualität setzen. Sinnvoll sei es, Zeitungen zu abonnieren, die eigene Korrespondenten einsetzen, und nicht, wie alle anderen, lediglich die Agenturen nachdrucken. Wer auf das Internet schwöre, sollte parallel renommierte ausländische Medien wie "BBC", "The New York Times" und "Le Monde" lesen und vergleichen. (pro)

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