„Manchmal tun Vergleiche weh“

Andrea Adams-Frey und Albert Frey sind das wohl bekannteste Musikerduo der christlichen Szene - und ein ungleiches Liebespaar. Er wuchs in einem gutbürgerlichen katholischen Elternhaus auf, sie machte schon früh Erfahrungen mit Drogen und Alkohol. Mit pro sprachen die beiden Musiker über die Brüche in ihrem Leben, die Erkenntnis, dass selbst der Ehepartner zum Konkurrenten werden kann und die schwierige Gratwanderung zwischen Lobpreis und Kommerz.
Von PRO

pro: Andrea, kann der eigene Ehemann zum Konkurrenten werden, wenn er zufällig auch Musiker ist?

Andrea Adams-Frey: Ich glaube, dass Gott ganz anders denkt. Aber es kommt doch auch vor, dass man ins Vergleichen gerät. Für uns ist es ein Lernprozess, sich immer wieder von diesem Vergleichen zu distanzieren. Und das ist natürlich nicht immer einfach. Manchmal bekommt der Eine mehr Anerkennung, manchmal der Andere, und damit müssen wir dann klar kommen. Ich kann dabei ganz wunderbar lernen, meinen ganz eigenen Platz, den Gott nur mir gegeben hat, einzunehmen und nicht zu verlassen.

Albert Frey: Es ist schon eine Herausforderung. Manchmal tun Vergleiche weh. Es zeigt uns aber vor allem, dass wir unsere Identität nicht zu stark in der Kunst suchen dürfen. Es kann immer sein, dass der eine mehr ankommt als der andere – oder dass beide nicht mehr gut ankommen. Was ist dann? Wir müssen unsere Identität bei Gott suchen und nicht bei dem, was wir für ihn tun. Außerdem fordert uns die gegenseitige Konkurrenz als Ehepaar heraus. Wir sind eben nicht nur ein Künstlerpaar, sondern auch ein Liebespaar.

pro: Tragt ihr eure künstlerischen Auseinandersetzungen ins Privatleben weiter?

Albert Frey: Ab und zu müssen wir uns zwingen, Privatleute zu sein. Aber so ein ganz getrenntes Leben zwischen Beruf und Privatleben fände ich auch fast unnatürlich. Ich bin dankbar, dass wir mit etwas Geld verdienen können, das uns so wichtig ist und das wir dann auch noch miteinander teilen können. Die Verbindung von Privatem und Beruf ist eine Gefahr, aber auch ein Geschenk.

pro: Ihr scheint ein Team in allen Lebensbereichen zu sein: Ihr seid verheiratet, tretet zusammen auf und veröffentlicht gemeinsam Musik-Alben. Euer neuestes Werk ist aber nicht direkt eine gemeinsame Produktion, sondern eine Doppel-CD mit jeweils einem Album von euch als Solokünstler – "Urklang" und "Lebendig". Hattet ihr nach Jahren der gemeinsamen Arbeit genug voneinander?

Albert Frey: Nein! Doch diesmal wollten wir den Schwerpunkt anders setzen. Wir haben schon früher Soloalben aufgenommen. Als wir uns kennen und lieben gelernt haben, haben wir gemerkt, dass Gott unsere Berufungen zusammenführt und ein geistliches Team aus uns macht. Nach drei gemeinsamen CDs hatten wir beide unabhängig voneinander das Bedürfnis, wieder stärker die künstlerische Identität des Einzelnen zu verwirklichen. Gleichzeitig wollten wir nicht völlig getrennt voneinander arbeiten und Soloalben zu unterschiedlichen Zeitpunkten herausbringen, auch weil unsere Live Arbeit zu 90 Prozent zusammen stattfindet. Dann kam die Idee mit diesem Doppelpack. Wir sehen das Album nicht als Doppel-CD, sondern als zwei einzelne Alben, die verbunden sind. Das drückt unser Empfinden aus: Unsere Musik gehört zusammen, aber sie ist auch unterschiedlich.

pro: Ihr betont, dass ihr euch als Team mit Stärken und Schwächen seht. Wo liegen die denn bei euch persönlich?

Albert Frey: Als Erstes ist Andreas Stärke ja offensichtlich ihre Stimme. Ich bin eigentlich kein Sänger, sondern Lobpreisleiter. Dann ist Andreas emotionale Seite ist viel stärker ausgeprägt als meine. In der Musik ist das eine Stärke. Mit Emotionen erreicht man Menschen. Ich bin nicht so spontan wie Andrea. Ich denke, das liegt an unserer unterschiedlichen Geschichte. Bei mir schwingt viel Religiöses mit – das hat Vor und Nachteile. Ich hänge manchmal in Konventionen fest. Andrea ist später zum Glauben gekommen, für sie ist manches direkter und spontaner. Sie ist unkonventioneller – das ist auch eine ihrer Stärken.

Andrea Adams-Frey: Wobei das auch eine Schwäche sein kann. Albert hat die Gabe, Dinge auf eine ganz tolle Weise auszudrücken. Er hat eine große Weite und Barmherzigkeit. Er ist sehr diplomatisch, wodurch er vieles verbinden kann, was verbunden gehört. Für mich ist das manchmal allerdings auch eine Herausforderung, weil ich sehr viel Wert auf Klarheit lege und dabei auch schon mal radikal sein kann.

pro: Im Grunde ist es erstaunlich, dass ihr heute eine solch feste gemeinsame Basis habt. Eure Lebenswege verliefen lange fast gegensätzlich…

Andrea Adams-Frey: Ich hatte mit Kirche früher nie etwas am Hut und fand sie ziemlich ätzend. Aber ich hatte immer einen wahnsinnigen Lebenshunger. Dadurch bin schon als junges Mädchen mit Alkohol und Drogen in Berührung gekommen. Ich kann froh sein, dass ich überhaupt noch lebe. 1993 habe ich zum Glauben gefunden. Das hat mein Leben ganz radikal verändert. Ich habe einen völligen Neuanfang erlebt. Das prägt meinen Glauben und mein Leben mit Jesus. Ich kenne dieses ganz existenzielle Abhängigsein von Gott. Albert hat das ganz anders erlebt.

Albert Frey: Ich bin katholisch erzogen. Meine Eltern waren beide Lehrer und kirchlich engagiert. Trotzdem habe ich mit 18 nochmal zu einem lebendigen Glauben an Jesus gefunden. Ich ging damals in Ravensburg in einen katholisch-charismatischen Gebetskreis, eine Jugendbewegung. Die christliche Musik hat für mich immer eine große Rolle gespielt. Insofern bin ich einen recht kontinuierlichen Weg gegangen – ohne große Brüche. Dann ist meine erste Ehe kaputt gegangen. Das war eine heftige Zeit. Ich hatte plötzlich viele Fragen und habe mich zum ersten Mal nicht als einen der Starken gesehen, der alles hinbekommt, sondern gemerkt: Ich habe das jetzt nicht in der Hand. In diesem Zustand habe ich Andrea auf einem christlichen Musikertreffen kennengelernt. Ich war damals also nicht derjenige, bei dem alles glatt lief und sie diejenige, die eine drastische Bekehrung erlebt hatte, sondern wir haben uns getroffen, nachdem wir beide Brüche hinter uns hatten.

pro: Du hast über diese Zeit einmal gesagt: "Die christliche Öffentlichkeit war nicht immer gut für meine Seele"…

Albert Frey: Ich war, als meine erste Ehe scheiterte, schon eine öffentliche Person. Ich wußte damals nicht, wie die Leute darauf reagieren würden. Ich war schließlich nicht in der Lage, die Ideale der Bibel zu erfüllen. Ich habe mich damals gefragt: Kann ich noch christliche Musik machen? Bin ich noch glaubwürdig? Stattdessen hätte ich mich früher fragen sollen: Was hat die Trennung mit meiner Seele gemacht? Wo bin ich verletzt worden? Ich konnte das alles nicht so schnell aufarbeiten, weil ich in der Öffentlichkeit stand. Ich wollte Gott nicht aufgeben und ich wollte auch die Musik für ihn nicht aufgeben. Erst Jahre später habe ich Therapien und Seelsorge in Anspruch genommen. Gott sei Dank haben mich viele Freunde und geistliche Leiter darin unterstützt und begleitet. Aber eine tiefere therapeutische Aufarbeitung kam erst nach und nach.

pro: Andrea, kennst du solche Kämpfe auch?

Andrea Adams-Frey: Für mich ist es ein großes Wunder, überhaupt verheiratet sein zu können – mich an einen Menschen binden zu können, ihm zu vertrauen, mich festzulegen. Mein Naturell ist, glaube ich, ganz anders. Da ist bei mir wirklich Heilung passiert. Früher war ich ständig unterwegs und auf der Flucht. Ich empfinde mich als eine zerbrochene Person. Deshalb auch unser Trauspruch: "Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig." Darauf bauen wir, egal ob in unserer Beziehung oder in unserer Musik.

pro: Andrea, du hast schon dein ganzes Leben lang Musik gemacht. Wie hat sich deine Musik verändert, seit du Christ bist?

Andrea Adams-Frey: Musik war für mich früher Mittel zum Zweck. Ich wollte dadurch Anerkennung haben, etwas Besonderes sein und Geld verdienen. Um zu machen, was den Leuten gefällt, bin ich in alle möglichen Rollen geschlüpft. Als ich Christ wurde, habe ich erst einmal mehrere Jahre lang ganz mit der Musik aufgehört. Ich habe Gott gefragt, ob ich das wirklich noch einmal machen kann, weil es mir erst einmal wichtig war, meine wahre Identität in ihm zu finden. Doch er hat mir die Musik zurückgeschenkt. Da war mir total klar, dass ich dieses Show-machen nicht mehr will. Ich bin froh und dankbar, wenn ich ein Stück weit Gottes Liebe weitergeben kann. Ich möchte eine Botschafterin der Liebe Gottes sein. Das macht es mir relativ einfach, auch auf Dinge zu verzichten und bestimmte Angebote einfach abzulehnen. Ich will nicht mehr auf allen Hochzeiten tanzen.

pro: Als Lobpreismusiker seid ihr auf den kommerziellen Erfolg eurer Produkte angewiesen. Gleichzeitig wollt ihr Gott loben, unabhängig davon, ob sich damit Platten verkaufen. Wie lebt ihr mit diesem Widerspruch?

Albert Frey: Für mich liegt der Zwiespalt nicht so sehr zwischen kommerziellem Erfolg und Gottes Ehre, sondern eher zwischen dem, was viele Menschen sich vor allem zum gemeinsamen Singen wünschen – eingängige und einfache Musik – und dem, was ich als Künstler noch ausdrücken will. Die simplen Lieder verkaufen sich am besten, keine Frage.

Andrea Adams-Frey: Ehrlich ist Musik aber nur, wenn ich genau das mache, was mir auf dem Herzen liegt. Vielleicht gefällt das den Leuten nicht, aber es ist eben das, was ich gerade hatte. Wenn die Leute das, was Gott mir gibt, nicht mehr kaufen, dann ist das so und er wird anders für uns sorgen. An dieser Stelle möchte ich keine Kompromisse machen. Da bin ich radikal.

Albert Frey: Hinter unseren CDs steht kein Kalkül. Wir haben uns nicht überlegt, was wir jetzt veröffentlichen müssen, damit es sich verkauft. Wir machen, was unserer Berufung entspricht. Natürlich in der Hoffnung, dass es Gott und den Menschen dient.

Andrea Adams-Frey: Das muss nicht immer Lobpreis sein. Fragen, Zweifel und Sorgen finden auch in meiner Musik Ausdruck. Auch wir Christen müssen solche Dinge beim Namen nennen. Hinter diesen verkürzten Glauben, dass alles Friede, Freude, Eierkuchen ist, wenn ich Gott habe, will ich mich nicht stellen.

Die Fragen stellten Lydia Schröder und Anna Wirth

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