Die beiden Attentate in Nizza und Würzburg haben Fragen aufgeworfen. In den deutschen Leitmedien wird gerade diskutiert, welche Rolle die Religion bei den Anschlägen spielt und wie schnell sich Islamisten radikalisieren können.
Von PRO
Foto: European Foundation for Democracy
Der arabisch-israelische Psychologe Ahmed Mansour berät Aussteiger aus der Islamistenszene
Die Tageszeitung Die Welt stellt auf ihrer Titelseite die Frage: „Was hat das mit dem Islam zu tun?“ Gemeint sind die Attentate in Nizza und Würzburg. In einem Interview gehen Eva Marie Kogel und Henryk Broder dieser Frage nach. Während Publizist Broder das gemeinsame Muster der Anschläge betont, ist es für die Islamwissenschaftlerin Kogel eben nicht „der Islam“, der eine totalitäre Ideologie hat: „Totalitär ist nur die extremste Lesart durch eine Minderheit.“
Die gemeinsame Religion und Gesinnung der Täter reiche aus Broders Sicht für einen anfänglichen Verdacht. Die Gesellschaft wolle nicht wahrhaben, dass der Islam ein Gewaltproblem habe. Dies habe die Geschichte gezeigt. Kogel hebt dagegen den Unterschied zwischen der friedlichen Religion Islam und einem zur Gewalt neigenden politischen Gesinnung Islamismus hervor. Es sei schwierig, „den Islam“ zu definieren. Mit dem Irak und dem Iran bekriegten sich zwei Staaten: „Natürlich ist Konfession ein prima Mittel, um Menschen gegeneinander aufzuhetzen.“Broder sieht gewaltige Defizite im Islam in allen seinen Ausprägungen. Autoren wie Hamed Abdel-Samad müssten um ihr Leben fürchten, weil sie den Islam kritisierten. Damit „aus ganz normalen Losern und Kleinkriminellen Terroristen werden“, müsse etwas dazukommen, was derzeit „nur der Islam im Angebot hat – die Rechtfertigung von Gewalt im höheren Auftrag“. Bereits 2006 habe er in seinem Buch „Hurra, wir kapitulieren!“ gegen die Islamisierung „unseres Alltags, dem Appeasement unserer Politiker und der Naivität von Gutmenschen“, geschrieben.
Zweifel an Radikalisierung innerhalb von zwei Tagen
Der seit zwölf Jahren in Berlin lebende arabisch-israelische Psychologe und Autor Ahmad Mansour bezweifelt, dass sich der Täter in Würzburg wirklich so schnell radikalisiert hat. Im Interview des betonte er, dass eine Ideologie nicht innerhalb von zwei Tagen entstehe: „Wir müssen in der Lage sein, nicht nur nach jedem Anschlag mit der Antwort zu kommen, das hat mit dem Islam nichts zu tun“, wird er deutlich.
Das Internet und die sozialen Medien helfen dabei, sich die Rhetorik und die Argumentationen anzueignen. Fast immer sei es eine Bezugsperson, die diesen Zugang in die Ideologie ermögliche. Salafisten dockten vor allem bei der instabilen Gruppe der unbegleiteten Minderjährigen an. Diese meist einsamen Menschen suchten nach Vaterfiguren, Orientierung und Halt. Diese Gruppe müsse besonders betreut werden.
Der Attentäter in Würzburg habe keine Zugänge zur Mehrheitsgesellschaft gehabt. Oft seien die Menschen physisch in Deutschland angekommen, aber mental und emotional noch in ihrer Heimat: „Da müssen wir alles versuchen, um diese Menschen zu gewinnen.“ Dies sei eine Mammutaufgabe. Von der Radikalisierung seien auch Menschen betroffen, die hier seit Generationen leben. Dies habe damit zu tun, dass nicht nur beim IS, sondern auch in Moscheevereinen ein Islamverständnis herrsche, das Feindbilder schaffe und Leben verachte.
Politik steht vor enormer Integrationsaufgabe
Auch Sandra Maischberger diskutierte am Mittwochabend mit den Gästen ihrer Sendung über den „neuen Terror“: Mit Mansour und ihren übrigen Gästen behandelte sie das Thema Selbstradikalisierung. Der Terrorismus-Experte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik sprach sich gegen eine „Turboradikalisierung“ aus: „Man wird nicht über Nacht Terrorist.“
Mansour berät Aussteiger aus der Islamistenszene und warb in der Sendung darum, genau zu schauen. Für ihn ist das Internet „die moderne Moschee“. Der Autor machte deutlich, dass die Politik hier vor einer enormen Integrationsaufgabe stehe. Es gehe dabei auch darum, klar zu benennen, wo der Islam patriarchalische und lebensfeindliche Strukturen aufweise. (pro)
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