Malessa: Medienkonsum endet am eigenen Daumen

"Fernsehen soll die Nutzer ausgewogen, ehrlich und auf der Höhe der Zeit informieren und unterhalten. Die meisten Medienkonsumenten wollen jedoch nicht 'angepredigt' werden", sagte der Journalist und Theologe Andreas Malessa im Rahmen seines Vortrages "Wer im Fernsehen missioniert, mag bedenken, was passiert..." beim 7. Netzwerktreffen des "Forums Christen in Film und Fernsehen" am Freitag in Stuttgart-Stammheim.

Von PRO

Je eindeutiger sich christliche Medienschaffende positionieren, desto
weniger überzeugend sei das Ganze, so Malessa. "Meine journalistische
Erfahrung hat gezeigt: Je absichtsvoller das Programm gestaltet wird,
umso schneller ist die Ermüdung in Auge und Ohr", erklärte der Referent.
Fernsehen funktioniere nie als "Trompete oder Flüstertüte seiner
Macher". Auch wenn viele naive Christen dächten, dass das Geschäft so
funktioniere, werde ein solches Programm weggeschaltet.

Hinzu komme bei einigen Christen auch der Irrglaube, dass in den Medienhäusern lediglich "gottlose Gesellen" säßen, die ihre vorhandene Macht ausnutzen wollen. "Die Macht der Programmchefs endet aber am Daumen der Konsumenten, die die Aus-Taste drücken können. Deswegen bekehrt Fernsehen niemanden – weder zum Guten noch zum Schlechten."





Abstrakte Begriffe handgreiflich machen





Die kommunikative Falle der christlichen Medien sei, dass die journalistischen Inhalte vor allem den Spendern und erst in zweiter Linie allen übrigen Nutzern gefallen müssten: "Dies führt zu einer großen Spannung. Deswegen werden die Menschen in das Programm aufgenommen, welche die Spender für dogmatisch unbedenklich halten."



Christliches Fernsehen zu gestalten sei deswegen so schwierig, weil wichtige christliche Begriffe wie Gnade und Gerechtigkeit abstrakt seien. Der unbedarfte Zuschauer könnte eine betende Nonne nicht unbedingt von einem Tai-Chi-Künstler unterscheiden: "Hier muss der Text aus dem Off verdeutlichen, dass etwas zwischen Gott und der Nonne passiert", sagte Malessa. Ansonsten entstehe der Eindruck, dass es sich beim Christentum lediglich um ein Gutmenschentum mit theologischem Überbau handele. "Nach der 15. Reportage ist es dem Zuschauer egal, ob die Hauptprotagonisten Atheisten, Christen oder Zeugen Jehovas sind", verdeutlichte Malessa.





Je höher der Sensations- desto niedriger der Identifikationsfaktor

In der christlichen Medienlandschaft existiere die Meinung, dass Vorher-Nachher-Geschichten einen guten Effekt beim Konsumenten erzielen: "Die schrillsten Bekehrungserlebnisse sorgen aber immer für den größtmöglichen Abstand zum Zuschauer. Je höher der Sensationsfaktor, desto geringer ist der Identifikationsfaktor und das schmälert den Nutzwert", so Malessa.





Die Frage, ob Mission und Verkündigung im Fernsehen möglich sei, beantwortete Malessa vierfach. Ein "Ja" gebe es von unbekümmerten US-TV-Predigern, ein "Ja, aber" von christlichen Formaten wie ERF und BibelTV, die dies auch in die entsprechende journalistische Form eingebettet sehen wollen. Ein "Nein, aber" zum direkten appellativen Missionieren, komme meistens von den Senderbeauftragen der Landeskirchen und ein deutliches "Nein" von den Religions-Redaktionen der öffentlich-rechtlichen Sender.

In der anschließenden kontroversen Diskussion wurde Malessas Thesen zum Teil heftig widersprochen. Der Journalist räumte ein, dass er nicht die Kraft Gottes außer Acht lassen wollte. Er schränkte aber in Bezug auf die Programmgestaltung ein: "Auch wenn Gott auf krummen Linien gerade schreibt, bedeutet dies nicht, dass wir nur krumme Linien zeichnen dürfen."

Dan Peter, Kirchenrat im Referat für Publizistik und Gemeinde der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und einer der Organisatoren des Netzwerktreffens, machte im Gespräch mit pro deutlich, dass es tatsächlich schwierig sei, im Fernsehen das zu bebildern, was bei einer Predigt oder einem Gottesdienst in den einzelnen Zuschauern abläuft. "Bei Malessa hat das dazu geführt, dass ihm direkte Verkündigungsformate nicht fernsehgerecht erscheinen. Und das hat er zum Ausdruck gebracht. An einzelnen Punkten sieht er dies aber sehr verengt aus seiner öffentlich-rechtlichen Perspektive."

Immer breiteres Zielpublikum findet zielgruppengerechte Ansprache

Denn mittlerweile versammelten sich bei Fernsehgottesdiensten nicht mehr nur bettlägrige oder gehbehinderte Senioren vor dem Bildschirm, sondern auch mobile, berufstätige Menschen, die dort eine zielgruppengerechte Ansprache fänden und vielfältige Fernsehgemeinden bildeten. Auch, wenn es noch keine befriedigende Lösung dafür gebe, wie man Predigten und Ansprachen sinnvoll bebildert.

In seinem Redebeitrag betonte der Kirchenrat die große Spannweite der journalistischen Arbeit. Zum einen sei der Blick bei christlichen Journalisten auf den Himmel gerichtet, zum anderen auf das Land in dem wir leben. "Beim Blick in die Medien ist es noch nie so offensichtlich gewesen, dass es Themen gibt, die sich in den öffentlichen Medien völlig anders darstellen als in den Gesprächen auf der Straße." Aufgabe der Medienschaffenden sei es deswegen, Glaubenswissen zu vermitteln und dieses mit Lebens- und Glaubenserfahrungen zu verbinden: "Wir müssen anderen Menschen helfen, dass sie Gott in ihrem Alltag erkennen."

Andreas Malessa ist seit 1982 beim Deutschlandfunk fester freier Mitarbeiter und sendet dort wöchentliche Beiträge. Darüber hinaus arbeitet er als Redakteur beim Südwestrundfunk und als Referent und Theologe in Gemeinden. Im "Forum für Christen in Film und Fernsehen" treffen sich regelmäßig Christen, die im Bereich Film, Fernsehen, Video und Multimedia arbeiten, um sich gegenseitig auf Entwicklungen in den Medien aufmerksam zu machen, Film- oder TV-Projekte vorzustellen, Ideen auszutauschen und gemeinsame Projekte zu planen. 

Für den musikalischen Rahmen sorgte der Musiker Manuel Winter. (pro)

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