Malatya-Prozess: Mehr Ermittlungen gegen Opfer als gegen Täter

Im Prozess um den Mord an dem deutschen Missionar Tilmann Geske in der Türkei hat der Rechtsanwalt der Nebenkläger, Erdal Dogan, der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, mehr Material gegen die Opfer als gegen die Täter zu sammeln. Wie die Evangelische Nachrichtenagentur epd berichtet, sagte Doban am Dienstag vor Journalisten in Bremen: "Das Recht hat sich umgekehrt."
Von PRO

Von 31 Prozessakten beschäftigten sich 16 mit dem deutschen Missionar, so Doban. Geske und zwei türkische Christen waren im April 2007 in den Räumen des „Zirve“-Bibelverlages in der osttürkischen Stadt Malatya gefoltert und anschließend getötet worden. Auf der Anklagebank in Malatya, einer Hochburg türkischer Nationalisten, sitzen fünf tatverdächtige junge Männer. Die Finanzquellen der Opfer seien zum zweiten Verhandlungstag am Montag minutiös in den Akten dokumentiert, sagte Dogan laut epd. Bei den Angeklagten sei dies jedoch nicht der Fall.

„Drahtzieher in ultranationalistischen Kreisen“

Ähnlich sei dies mit geheimdienstlichen Erkenntnissen, die zwar in die Akten des Ermordeten eingeflossen seien, aber nicht in die der Täter, zitiert die epd Dogan. Der Rechtsanwalt sieht die Drahtzieher der Bluttat in ultranationalistischen Kreisen, die bis in Politik, Verwaltung und Sicherheit hineinreichen. Es gäbe zwar keine offenen Drohungen, sagte Dogan. „Aber wir werden als Armenier- und Missionsanwälte bezeichnet, und mein Telefonverkehr wird behindert.“ Dogan vertritt zusammen mit einer Gruppe von 20 Juristen die Familien der Getöteten.

Laut epd sind missionarische Aktivitäten, wie sie vom Zirve-Verlag in Malatya ausgingen, in der Türkei zwar nicht verboten, werden aber von islamisch-religiösen und ultranationalistischen Kreisen vehement kritisiert. Die Zahl der Christen unter den rund 70 Millionen Einwohnern wird auf etwa 100.000 geschätzt. Kirchen haben keinen gesicherten Rechtsstatus, sie können keinen Grundbesitz erwerben und keinen theologischen Nachwuchs ausbilden. Noch im vergangenen November hat die Erweiterungskommission der Europäischen Union die mangelnde Religionsfreiheit für Christen in der Türkei angeprangert. (PRO)

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