Leere Kirchengebäude, Finanznot, Mitgliederschwund und zunehmende Irrelevanz: So lauten die Symptome, mit denen die Kirchen in Deutschland zu kämpfen haben – aber wie lautet die Diagnose? Sind die Kirchen denn im Zeitalter des Pluralismus und der absoluten Toleranz überhaupt noch relevant? Sollten sie es wieder sein?
Unter dem Thema „Das Kreuz mit dem Glauben. Gott ja, Kirche nein?“ stritten sich, passend zur vorweihnachtlichen Jahreszeit, die Teilnehmer in der Sendung „Menschen bei Maischberger“. Die Besetzung umfasste dabei natürlich alle vorherrschenden Meinungen: Die nichtläubigen Zyniker, vertreten durch Spiegel-Autor Hendryk M. Broder, die ein-wenig-gläubigen-und-gelegentlich-sogar-den-Gottesdienst-Besucher (Johannes B. Kerner), die gläubigen Kirchgänger (Gloria von Thurn und Taxis) und die Geistlichen Vertreter, natürlich politisch-theologisch korrekt in evangelischer (Pfarrerin Ellen Ueberschär) und katholischer (Prälat Willhelm Imkamp) Ausführung.
„Bitte Gott, der Versuchung zu widerstehen“
Dass eine Fernsehsendung auch heute mit diesem Thema noch Aufmerksamkeit gewinnen kann, hat Sandra Maischberger kürzlich erst bewiesen, als sie Gloria von Thurn und Taxis in ihre Sendung eingeladen hatte und die Aussagen der gläubigen Katholikin prompt für landesweiten Aufruhr gesorgt hatten. Den erhoffte man sich wohl auch diesmal, denn gleich zu Beginn wurden sie noch einmal eingespielt: Gloria von Thurn und Taxis hatte Abtreibung als „Massenmord“ bezeichnet und: „Wenn mein bester Freund mir erzählt, ich habe mich wieder (in einen Mann) verliebt, würde ich ihm raten: Viel beten. Bitte Gott, der Versuchung zu widerstehen.“
Diesmal verhielt sich die Fürstin allerdings sehr zurückhaltend und beschränkte sich darauf, den katholischen Prälaten zu unterstützen, der die Sichtweisen der katholischen Kirche erneut darlegte. Durch den Widerspruch, den diese Haltung in der Öffentlichkeit provoziere, dürfe man sich nicht beirren lassen: Schließlich sei Jesus auch gekreuzigt worden, weil er seine Mitmenschen scharf kritisiert hatte. Auch ließ er sich nicht dazu hinreißen, sich, um der Zustimmung willen, von den Aussagen der Fürstin zu distanzieren – anders als seine evangelische Kollegin.
Abtreibung mit dem Evangelium vereinbar?
Ellen Ueberschär, Pfarrerin und Generalsekretärin des ev. Kirchentages, warf Gloria von Thurn und Taxis eine verkürzte Sichtweise vor und verteidigte das Recht auf Abtreibung: In bestimmten Ausnahmefällen sei eine solche Möglichkeit unumgänglich. „Für mich sind Abtreibungen eher die Niederlage einer Gesellschaft „, so die Kirchentagspräsidentin. Ein gesetzliches Verbot hielt sie daher für undenkbar und ließ sich sogar dazu hinreißen, ein Gesetz gegen Abtreibung mit der Einführung „einer christlichen Scharia“ zu vergleichen. „Wo bitte steht im Evangelium, dass Abtreibung verboten ist?“, meinte Ueberschär.
Den Rest des Abends stritt man vor allem über innerkirchliche Debatten wie die Ökumene und die Frauenfrage, wofür die Nichttheologen der Runde aber nur verhaltene Begeisterung entwickeln konnten. Interessant wurde es nur nochmal, als Broder erklärte, dass auch er an einen Gott glaube. Der habe bei Auschwitz „die Augen zugehabt“ und habe sich während der Menschenrechtsverletzungen in Ruanda oder anderen „kleinen Unglücken der Menschheit“ auf Bildungsreise“ befunden. Imkamp erwiderte, Broder habe sich vom Atheisten zum Agnostiker und schließlich zum zornigen Theisten gewandelt. „Wenn er so weiter macht, wird er auch nochmal ein zorniger Katholik – und auf den Moment freue ich mich.“
Angesichts leerer Kirchengebäude, Finanznot und Mitgliederschwund hatte die Runde bei „Menschen mit Maischberger“ freilich keine Lösungen parat, sondern nur Geplänkel, das bei den Zuschauern für weitere Verwirrung gesorgt haben dürfte.
Die ganze Sendung sehen Sie auch im Internet: http://mediathek.daserste.de/daserste/servlet/content/487872?broadcastId=311210