Bibelübersetzungen gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Doch kaum eine
hat Sprache und Theologie so geprägt wie die Übersetzung von Martin
Luther. Ein eigens von der EKD eingesetzter Lenkungsausschuss arbeitet
nun an einer leicht überarbeiteten Version der Lutherbibel. Die
"Durchsicht" sei notwendig geworden, denn "gegenüber der Revision von
1984 gibt es einige neue textkritische Erkenntnisse", so Jens Schröter,
Professor für Neues Testament an der Humboldt-Universität Berlin,
gegenüber pro. Schröter koordiniert im Projekt der EKD den Bereich Neues
Testament. Das könne sich zum Beispiel auf die Johannesoffenbarung
auswirken, zu der es wesentliche neue Ergebnisse der Textkritik gebe.
Mit "Textkritik" meinen Theologen die Suche nach dem ursprünglichen Text der Bibel. Da die originalen biblischen Briefe und Bücher nicht mehr vorliegen, müssen Bibelübersetzer die vorhandenen Handschriften überprüfen und gewichten – peinlich genaue Detailarbeit ist gefragt. Erstaunlich: Trotz der teils großen Altersdifferenzen unterscheiden sich die untersuchten Texte nur in Nuancen.
Spagat zwischen Luthersprache und philologischer Korrektheit
Bei der Durchsicht der Lutherbibel handelt es sich jedoch nicht um eine neue Revision: "Die Sprache Luthers und seine Theologie sollen jedenfalls gewahrt bleiben – es handelt sich schließlich um eine Bearbeitung der Lutherbibel, nicht um eine neue Übersetzung", betont Schröter. Damit versuchen die Wissenschaftler den schwierigen Spagat zwischen linguistischer Genauigkeit und der vertrauten Sprache Luthers: "Luther war es wichtig, den biblischen Text nicht nur philologisch korrekt zu übersetzen, sondern auch so, dass er in eine eingängige Sprache gebracht wird. Das wollen wir auf jeden Fall erhalten."
Doch weil Sprache sich verändert, könne man "die Lutherbibel nicht über Jahrzehnte ohne Durchsicht lassen", so der Koordinator für Altes Testament, Christoph Levin, der Professor für Altes Testament an der Ludwig-Maximilians-Universität München ist, im Gespräch mit "evangelisch.de". Luther habe einen "vorzüglichen Sinn für Satzstellung und Rhythmus" gehabt: "Sollen wir übersetzen: ‚Die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung‘, oder ‚Die Liebe ist die Erfüllung des Gesetzes‘? Die zweite Möglichkeit folgt eher unserem heutigen Sprachgebrauch. Dennoch ist die erste schöner – und zugleich evangelischer, denn sie betont die Erfüllung, nicht das Gesetz. Die Kraft dieser Sprache wollen wir erhalten. Sie ist die religiöse Heimat der evangelischen Christen."
"Verkündigen" anstatt "predigen"?
Ob es schon konkrete Ergebnisse gibt? Einige Forscher seien zum Beispiel der Meinung, dass "verkündigen" heutzutage eine treffendere Übersetzung als das vom Reformator oft benutzte "predigen" sei: "Luther wollte damit das öffentliche Ansagen des Evangeliums zum Ausdruck bringen. So wurde es sehr wahrscheinlich auch von seinen Zeitgenossen verstanden. Heute ist der Begriff ‚predigen‘ dagegen ein binnenkirchliches Wort geworden, der außerhalb des Bereichs der Kirche praktisch nicht mehr verwendet wird", erklärt Schröter. Möglicherweise sei es sinnvoll, an dieser Stelle eine Änderung vorzunehmen – "um Luthers Anliegen gerade auf diese Weise zu bewahren".
Die Durchsicht soll schon vor dem Reformationsjubiläum 2017 fertig sein. Schröter: "Unser ehrgeiziges Ziel ist die Fertigstellung im Jahr 2015. Wir liegen gut im Zeitplan und ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen werden." (pro)