Der WDR hat am Freitag entschieden, eine Talkshow zum Thema Gender aus der Mediathek zu löschen, obwohl nach Ansicht des Rundfunkrates keine Programmgrundsätze verletzt worden sind. Das ist verstörend, nicht nachvollziehbar – und fördert nicht das Vertrauen in die Medien. Ein Kommentar von Nicolai Franz
Von Nicolai Franz
22. August 2015
Foto: WDR
Der WDR-Rundfunkrat ist ein Selbstkontrollgremium
Die Programmbeschwerde ist eigentlich ein gutes, demokratieförderndes Instrument – zumindest in der Theorie. Jeder Bürger kann eine solche Beschwerde gegen einen Beitrag eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks beim Intendanten einreichen, wenn er oder sie die Programmgrundsätze verletzt sieht. Die wichtigsten Regeln des WDR lauten: Journalistische Berichterstattung muss fair und möglichst umfassend sein, Religionen, Weltanschauungen und gesellschaftliche Gruppen dürfen nicht diskriminiert werden, Meinung und Nachricht müssen klar voneinander getrennt sein. Außerdem soll das Programm „tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern fördern“.
Wenn eine Beschwerde beim Intendanten eingeht, muss er diese beantworten. Gibt sich der Beschwerdeführer damit nicht zufrieden, kann er die Antwort ablehnen und an den Rundfunkrat der jeweiligen Anstalt weiterleiten. Dann muss sich der Programmausschuss damit beschäftigen und eine Empfehlung für die nächste Sitzung des Rundfunkrates abgeben. Dort entscheiden Vertreter aus Politik, Kirchen und Interessenverbänden, wie sie mit der Beschwerde umgehen. Geben sie ihr statt, wird die Sendung gelöscht und nicht mehr wiederholt.
Frauenrat erwirkte Löschung
In der Realität haben Programmbeschwerden aber in den seltensten Fällen Aussicht auf Erfolg, da die Rundfunkräte ihre eigenen Grundsätze offenbar sehr großzügig auslegen. So großzügig, dass man sich als Beobachter mit Berechtigung fragen kann, ob das Instrument der Programmbeschwerde überhaupt sinnvoll ist, wenn der Rundfunkrat trotz offensichtlicher journalistischer Mängel nicht dazu bereit ist, eigene Fehler offen zuzugeben.
Jüngst hat der WDR-Rundfunkrat mal wieder einige Programmbeschwerden abgelehnt. Darunter war eine Eingabe gegen eine Ausgabe der Talkshow „Hart aber fair“, in der Moderator Frank Plasberg mit seinen Gästen über Gender Mainstreaming diskutierte. Der Deutsche Frauenrat empfand die Sendung mit dem Titel „Nieder mit den Ampelmännchen – Deutschland im Gleichheitswahn“ als einseitig, Plasberg habe berechtigte Anliegen von Frauenrechtlern lächerlich machen wollen. Die Beschwerde des Frauenrats wurde auf Empfehlung des Programmausschusses abgelehnt. So weit, so gewöhnlich.
Dann jedoch teilte der WDR mit, die Sendung dennoch aus der Mediathek löschen zu wollen. Dafür nannte er zwei Gründe: Die „massive Kritik“ dagegen; und die Einschätzung des Rundfunkrates, die Sendung sei „unseriös“ gewesen.
Damit führt der Sender sowohl den eigenen journalistischen Anspruch als auch das Instrument der Programmbeschwerde ad absurdum. Denn: Warum sollte „massive Kritik“ als Begründung ausreichen, um einen journalistischen Beitrag zu löschen? Sollten die Verantwortlichen eine Redaktion nicht gerade vor solcher Kritik schützen? Und: Wie kann es sein, dass ein Rundfunkrat eine Programmbeschwerde erst ablehnt, um dann im selben Atemzug zu verkünden, die Sendung sei „unseriös“ gewesen? Wenn sie tatsächlich unseriös gewesen ist – um diese Frage geht es hier nicht –, hätte sie den hohen journalistischen Ansprüchen der Programmgrundsätze nicht genügt.
Konsequent wären nur zwei Wege gewesen: Entweder der Rundfunkrat hätte der Programmbeschwerde stattgegeben und die Sendung gelöscht. Oder er hätte sie abgelehnt – und verteidigt.
Doch mit ihrer widersprüchlichen Entscheidung haben die Verantwortlichen das Instrument der Programmbeschwerde beliebig gemacht. Mehr denn je bekommt der gebührenzahlende Zuschauer dadurch den Eindruck, es gälten nicht in erster Linie journalistische, sondern politische Spielregeln. Das ist in Zeiten, in denen viele Menschen die gesamte Medienlandschaft als „Lügenpresse“ verunglimpfen, nicht gerade vertrauensfördernd. (pro)
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