Lockdown: Für Kirchen steigt die Eigenverantwortung

Landes- und Freikirchen dürfen trotz des „Lockdowns light“ weiter Gottesdienste feiern. Das ist ein Privileg. Doch damit sollten sie verantwortungsbewusst umgehen. Ein Kommentar von Nicolai Franz
Von Nicolai Franz
Gottesdienste sind von den neuen Corona-Regeln nicht betroffen

„Freiheit ist nicht, jeder tut, was er will, sondern Freiheit ist gerade jetzt Verantwortung“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag über die neuen Coronaregeln bei ihrer Regierungserklärung im Bundestag. Sie schien zu ahnen, dass der sogenannte „Lockdown light“ alleine nicht ausreichen würde, um die Pandemie einzudämmen. Und das zu Recht: Der Rückhalt und das Verständnis für die Maßnahmen in der Bevölkerung schwinden. Dass die neuen Regeln auf den ersten Blick diffus wirken, trägt dazu bei: Gerade die Orte, wo sinnvolle Hygieneregeln erarbeitet und peinlichst genau umgesetzt wurden, müssen nun wieder dichtmachen: Restaurants, Kinos, Konzerthäuser.

Die Logik der Kanzlerin war: Die Infektionszahlen sind zu hoch, die Belegung der Krankenhausbetten steigt rasant. Wenn der Trend sich nicht abflacht, sind die Intensivstationen nach drei bis vier Wochen voll – und es sterben Menschen, weil sie nicht behandelt werden können. Daraus folge, dass Kontakte reduziert werden müssten. Nur wie? Die Bund-Länder-Runde priorisierte: Wirtschaft und Bildung dürfen nicht erneut zum Erliegen kommen. Auch Gottesdienste und Demonstrationen bleiben aufgrund des Schutzes der Grundrechte möglich. Also blieb nur noch der Freizeitbereich. Eine Logik, die Härten mit sich bringt, und die in ihrer Wirksamkeit nicht eindeutig belegt ist. Besonders die Kulturschaffenden werden erneut heftig unter den Maßnahmen leiden.

Zur Wahrheit gehört, dass sehr viele Infektionen aus dem Bereich kommen, aus dem der Staat sich herauszuhalten hat: Dem Privaten. Doch wer die Maßnahmen rundherum ablehnt, muss sich fragen, wie es denn anders gehen soll, angesichts dramatisch steigender Zahlen schwerer Verläufe. Zwar stellte die Kassenärztliche Bundesvereinigung mit den Virologen Hendrik Streeck und Jonas Schmidt-Chanasit am Mittwoch Vorschläge zum Schutz von Risikogruppen vor, die einen Lockdown verhindern könnten. Doch sie kamen zu spät – und sind zudem unausgegoren. Streeck selbst erwähnte beiläufig, die Vorschläge seien erst in den vergangenen Tagen entwickelt worden.

Die Politik musste also handeln – und müsste eigentlich eingestehen, dass sie es mit Verboten alleine nicht hinbekommen wird. Sie ist auf jeden Bürger angewiesen. In diesem Zuge ist Merkels Appell an die Eigenverantwortung viel wichtiger als die Schließung der Unterhaltungsbranche. Nur wenn Menschen auch im Privaten ihre Kontakte erheblich reduzieren, werden die Zahlen wieder sinken.

Auch die Kirchen sollten genau hinhören. Sie haben weiterhin die Freiheit, Gottesdienste zu feiern, womöglich auch ihre Gruppenstunden weiterhin anzubieten, während in vielen anderen Bereichen die Räume leer bleiben. Das ist ein großes Privileg, das aber Verantwortung mit sich bringt. Anders als noch vor Wochen müssen sich Gemeinden nun die Frage stellen, ob sie alle Veranstaltungen, die sich mit der Religionsfreiheit begründen lassen und daher erlaubt sind, weiter anbieten sollen. Oder ob es verantwortlicher wäre, an die Mitglieder zu appellieren, lieber zuhause zu bleiben, wenn sie es schaffen. Keine leichte Aufgabe.

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