"Sie müssen kein besonders hingegebener Film- oder Fernsehkonsument sein (…), um einen überall anzutreffenden Linksliberalismus festzustellen", resümiert Chait in seinem Essay. Er hat die Auswirkungen rechter und linker Einflüsse auf die Medien, insbesondere die Unterhaltungsindustrie, genauer beobachtet und dabei festgestellt, dass zumindest in den USA linkes Gedankengut dominiert. Dabei versuche das Fernsehen nicht bewusst, die politische Einstellung des Zuschauers zu verändern. Doch allein die Tatsache, dass in fiktionalen Formaten Gier als Quelle allen Übels dargestellt werde und sexuelle Freizügigkeit wie soziale Gleichheit als erstrebenswerte Ziele dargestellt würden, verändere langfristig das Denken der Menschen.
Ein Beispiel für diese Annahme sei die Äußerung des US-Vizepräsidenten Joe Biden, schreibt Chait. Als dieser sich für die gleichgeschlechtliche Ehe aussprach, zog er die Fernsehsendung "Will und Grace" zur Erklärung heran. Die auch in Deutschland erfolgreiche Comedyserie dreht sich um das Zusammenleben hetero- und homosexueller Einzelpersonen und Paare. Die Sendung sei eine der wichtigsten Antriebskräfte gewesen, um die öffentliche Meinung zu diesem Thema zu ändern, sagte Biden. Drei Kommunikationsforscher, die eine Studie über die Sendung durchgeführt haben, geben ihm recht.
In diesem Zusammenhang wundert es Chait nicht, dass sich Konservative über derartige Entwicklungen ärgern. Der Journalist richtet sich in seinem Artikel an ihm gleichgesinnte Linksliberale mit den Worten: "Stellen Sie sich vor, weite Teile der Entertainmentbranche würde Ihre Werte verspotten und ehemals unumstrittene Meinungen zu Bigotterie umdeuten. Da wären Sie auch wütend."
Chait zählt Fernsehserien auf, die jenseits ihrer eigentlichen Handlung Sticheleien gegen Konservative enthalten und stellt fest, dass sich die Deutungshoheit der Unterhaltungsindustrie auch auf das Image der Kandidaten im US-Präsidentschaftswahlkampf auswirkt. So gelte Barack Obama als fortschrittlich und aufgeklärt, wohingegen seinem Herausforderer Mitt Romney der Stempel "veraltet und rückständig" aufgedrückt werde. Als einzige "rechte Ausnahme" an aktuellen Filmen benennt der Journalist "Batman – The Dark Knight Rises": Der Film veranschauliche, dass es nicht gerechtfertigt sei, reichen Bürgern ihren Besitz wegzunehmen und sie zu ermorden.
Brasilien: Daily-Soaps senken Geburtenrate
Den Einfluss der fiktionalen Unterhaltung auf die Gesellschaft macht der Autor auch an den Beispielen anderer Länder fest. In Brasilien beispielsweise habe eine Frau 1960 durchschnittlich 6,3 Kinder zur Welt gebracht, im Jahr 2000 waren es nur noch 2,3 Kinder. Amerikanische Forscher hätten den Geburtenrückgang eindeutig auf das Fernsehen zurückgeführt, das sich in den 60er Jahren stark verbreitet habe: "Es war kein Nachrichten- oder Bildungsprogramm, das den Geburtenrückgang auslöste, sondern der große Erfolg von Soaps und Telenovelas, die viele Brasilianer jeden Abend anschauen." Die Serien zeigten in der Regel erfolgreiche Frauen mit wenigen oder gar keinen Kindern. Die Untersuchung fand auch heraus, dass in den Regionen, in denen besonders viel ferngesehen wird, auffällig viele Kinder nach Charakteren von TV-Sendungen benannt werden.
Ein ähnliches Phänomen hätten Forscher 2009 in Indien festgestellt: Durch die Verbreitung eines "modernen" Frauenbildes in fiktionalen Fernsehprogrammen würden weniger Kinder geboren und patriarchalische Strukturen aufgebrochen.
Das Fazit von Chait, dessen umfangreicher Artikel im selbst als linksliberal geltenden "New York Magazine" veröffentlich wurde, bestätigt eine alte konservative These: "Wir Linken verdanken einen nicht gerade kleinen Teil unseres Erfolges der Propagandakampagne einer kleinen, überproportional einflussreichen kulturellen Elite." Die Werte der konservativen Hälfte Amerikas existierten im moralischen Universum der Kultur fast nicht – und so würden Konservative zu Außenseitern. (pro)