„Linker Diskurs ist undifferenziert“

Die Chefredakteurin des Philosophie-Magazins und feministische Autorin Svenja Flaßpöhler hat den linken Diskurs als undifferenziert kritisiert. In einem Interview der taz-Ausgabe Futurzwei sagte sie: „Es gibt eine Angst davor, als reaktionär dazustehen.“
Von Anna Lutz
Svenja Flasspöhler hat Bücher wie „Mein Wille geschehe. Sterben in Zeiten der Freitodhilfe“ und „Die potente Frau“ geschrieben. Als Feministin beklagt sie mangelnde Denkfreiheit im linken Milieu.

Die Berliner Philosophin und Autorin Svenja Flaßpöhler ist linksliberale Feministin, kritisiert die linke Szene aber als kritikunfähig. Im Interview des Magazin Futurzwei, einer Ausgabe der Zeitung taz, beklagt sie die Unfähigkeit vieler Linker, „Ambivalenz auszuhalten“. Flaßpöhler fragt: „Warum schaffen wir es nicht mehr, Thesen in den Raum zu stellen und dann von allen Seiten zu betrachten?“

Als Beispiel nennt sie die Debatte um ein Adoptionsrecht für homosexuelle Paare: „Ich finde, dass man differenziert über Dinge reden können muss (…) Es macht einen Unterschied, ob ein Kind zwei Väter, zwei Mütter oder einen Vater und eine Mutter hat. Ich rede jetzt nicht davon, dass etwas besser oder schlechter ist, aber es ist ein Unterschied. Warum kann man das nicht sagen? Warum kann man das nicht analysieren? Es gibt eine Angst davor, als reaktionär dazustehen, wenn man in die Differenzierung geht.“ Dabei betont Flaßpöhler, Befürworterin der sogenannten Ehe für Alle und des Adoptionsrechts für Homosexuelle zu sein.

MeToo-Bewegung ist „Quasireligion“

In ihrem Buch „Die potente Frau“ setzt sich die Autorin kritisch mit der feministischen MeToo-Bewegung auseinander. Nach eigenen Angaben gilt sie seitdem in linken Kreisen als rechtsreaktionär. Im Interview erklärt sie ihre Kritik an der Bewegung, die auf Twitter begann: „Mich hat jedenfalls von Anfang an skeptisch gemacht, dass alle, wirklich alle #MeToo super fanden, von Alice Schwarzer und Angela Merkel über Giovanni di Lorenzo bis hin zur linken Feministin in Neukölln. Da wird eine Quasireligion aufgebaut und wer es wagt, die zu kritisieren, ist rechtsreaktionär. Das hat nichts mit einem offenen, liberalen, demokratischen Diskurs zu tun.“

Weiter stellt sie fest: „In der heißen Phase der #MeToo-Debatte hat sich gezeigt, wie weit die institutionelle Unterwerfungsbereitschaft geht.“ Ein Beispiel sei der ehemalige Fernsehchef des WDR, Gebhard Henke, dem anonyme Stimmen sexuelle Belästigung vorwarfen. „Aus der Angst heraus, dass die Institution Schaden nimmt aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Wucht von #MeToo, wurde dieser Mann vorzeitig und ohne jeden Beweis seiner Schuld entlassen“, erklärt Flaßpöhler.

Die Auswüchse von #MeToo hätten mit „Rechtsstaatlichkeit nichts mehr zu tun“. Der Feminismus habe sich zudem in eine Opferrolle „hineingetwittert“, die nicht der Realität entspreche: „Wir leben nicht mehr im Patriarchat, sondern in einer extrem vielschichtigen Übergangsphase. Es gibt noch real existierende Unwuchten, sicher. Aber wir Frauen sind doch konstitutiver Teil dieser Unwuchten.“

Von: Anna Lutz

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