„Lindenstraße“-Schöpfer wurde „mit Frömmigkeit überschüttet“

Der Erfinder der ARD-Serie „Lindenstraße“, Hans W. Geißendörfer, wurde christlich erzogen. Zusammen mit seiner Tochter produzierte er eine Folge anlässlich der ARD-Themenwoche zum christlichen Glauben. In der Zeit-Beilage Christ & Welt sagt der Regisseur, was ihm der Glaube heute noch bedeutet.
Von Jörn Schumacher
Hans W. Geißendörfer wurde christlich erzogen, nahm aber später Abstand von der Kirche

Die Serie „Lindenstraße“ läuft seit 1985 jeden Sonntag in der ARD. Seit Anfang 2015 produziert ihr Erfinder Hans W. Geißendörfer sie gemeinsam mit seiner Tochter Hana. Am 11. Juni zeigt die ARD die Folge „Nachspiel“, die eigens für die ARD-Themenwoche „Woran glaubst du?“ (11.–17. Juni) produziert wurde.

In der Serie will sich die 13-Jährige Antonia, Tochter von Iffi (Rebecca Siemoneit-Barum) und Momo Zenker (Moritz Zielke), konfirmieren lassen. Die Zuschauer konnten bis Mitte Mai online darüber abstimmen. Die Antwort A lautete, die Eltern sollten ihre Tochter unterstützen mit der Begründung: „Christliche Werte sind wichtig. Auf dem Christentum beruht unsere Kultur.“ Antwort B dagegen mahnte einen kritischen Umgang mit Religion an, da diese „in aller Welt zu Konflikten führt“. Antwort C besagte, dass die Eltern Antonia nicht so ernst nehmen sollen: „Schließlich steckt sie mitten in der Pubertät.“ Geißendörfer sagte im Interview mit Christ & Welt, der Beilage der Wochenzeitung Die Zeit: „Wir waren neugierig. Wir wollten wissen, wie unser Publikum zur Religion steht, welche Werte es vertritt.“

Das Ergebnis: 63 Prozent der Zuschauer entschieden sich für Antwort A, 31 Prozent für Antwort B und 6 Prozent für die Antwort C. Geißendörfer ist vom Ergebnis überrascht, freut sich aber: „Offenbar finden noch immer viele Menschen, dass die Religion ein wichtiger Bestandteil unserer Kultur ist.“

Der 76-Jährige findet die Themenwoche der ARD „prima“. „Es ist ein Anstoß, über das christliche Leben in unserem Land nachzudenken.“ Die meisten Menschen sprächen fast nie über ihren Glauben. „Das heißt aber nicht, dass sie keine religiöse Bindung haben. Diese ist nur nach außen unsichtbar.“

Auf die Frage, ob seine Serie eine Botschaft vermitteln wolle, antwortet Geißendörfer: „Wenn Sie so wollen, treibt mich der Glaube an das Gute an. Ich bin ein alter 68er.“ Im Jahr 1986 war in der Lindenstraße erstmals ein homosexueller Kuss zu sehen. Dass die katholische Kirche damals protestierte, habe ihn gefreut. „Es ist schön, wenn mal einer schimpft. Denn nur so kann man sich verändern. Wenn Sie keinen Dialog, keine Kritik haben, dümpeln Sie herum.“ In den vergangenen 31 Jahren habe die Serie „sehr widersprüchliche Geschichten“ zum Thema Gott und Religion erzählt. So habe es einen Priester gegeben, „eine junge, interessante Figur“.

Kirche bedeutete Geborgenheit

Religion sei „eine der Säulen, auf denen unsere Politik, unsere Beurteilung anderer Menschen fußen“, ist der Regisseur überzeugt. „Auch wenn es immer mehr Atheisten gibt. Übrigens finde ich: Auch ein Atheist ist ein religiös orientierter Mensch.“

Geißendörfers Vater war Wehrmachtspfarrer. Über seine Erziehung sagt er: „Ich wurde mit Frömmigkeit überschüttet. Ich durfte erst essen, wenn ich das Gebet gesprochen hatte. Sonntags ging es in die Kirche. Es war eine sehr frühzeitige, oberflächliche Erfahrung von Geborgenheit.“ Später habe er sich davon gelöst, heute glaube er eher „an die geistigen Leistungen des Menschen“. Der Regisseur fügt hinzu: „Mir persönlich sind die Philosophen wichtiger als die Bibel.“ Die Zeit, in der er auf ein christliches Internat ging, habe ihn „sehr geprägt“. Insgesamt urteilt er darüber: „Es war eine wunderbare Zeit. Eine tolle kirchliche Einrichtung.“

Geißendörfer ist überzeugt, dass sich jeder Mensch im Alter auf das Religiöse der Kindheit zurückbesinne. „Ein 14-Jähriger, der heute zur Konfirmation geht, wird in 40, 50 Jahren noch Details aus dieser Zeit herumschleppen.“ (pro)

von: js

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