Libyen: Wegen Evangelisation festgenommen

Weil sie für den christlichen Glauben geworben haben sollen, sind in der libyschen Hafenstadt Bengasi vier Männer festgenommen worden. Der Geschäftsführer des christlichen Hilfswerks Open Doors Deutschland, Markus Rode, erklärte gegenüber pro, ob solch eine Verhaftung ein Einzelfall ist und wie es den Christen in dem muslimisch geprägten Land geht.
Von PRO

Die Festgenommenen hätten 70.000 Broschüren gedruckt, in denen dazu aufgerufen wird, „zum Christentum zu konvertieren“, berichtete die in Bengasi erscheinende Zeitung „Quryna“ am Mittwoch unter Berufung auf den Koordinator der Sicherheitsbehörden der Stadt, Hussein Ben Hmeid. Die Druckerei sei inzwischen geschlossen worden.

pro: Wie oft werden Christen in Libyen wegen Evangelisation festgenommen?


Rode: Solche Meldungen erreichen uns zwar nicht allzu oft, jedoch liegt das daran, dass Evangelisation und Mission in Libyen streng verboten sind. Nach dem Tod des früheren Herrschers Gaddafi hat sich die Situation für die kleine christliche Minderheit nicht etwa gebessert, sondern verschlechtert: zum einen sind Tausende von ausländischen Christen, die in Libyens Industrie gearbeitet haben, geflüchtet. Die meisten sind bis heute nicht zurückgekehrt. Die wenigen Hundert einheimischen Christen, die weitgehend Konvertiten vom Islam sind, müssen ohnehin mit allergrößter Vorsicht vorgehen. Sie können sich nur unter größten Schwierigkeiten versammeln. Sollten sie christliche Schriften verteilen, ist dies lebensgefährlich.

pro: Welche Strafe könnte den Männern drohen?


Rode: Das Ziel der Übergangsregierung wie auch der nunmehr gewählten Regierung ist es nach eigener Aussage, eine „Demokratie gemäß der Scharia“ einzurichten. Laut Scharia droht aber jedem, der zum Abfall vom wahren Glauben, also dem Islam, aufruft, die Todesstrafe. Ob diese vollstreckt wird, ist noch eine zweite Frage. Man sollte aber daran denken, dass in diesem Land islamistische Milizen das Recht immer noch rasch in die eigenen Hände nehmen. Nach dem Gesagten gilt allerdings, dass es sich bei den Festgenommenen sehr wahrscheinlich um Ausländer gehandelt hat. Je nach deren Nationalität kann es durchaus sein, dass die „Mittäter“ nach einigen Tagen freigelassen werden. Dass aber unmittelbar die Schließung der Druckerei erfolgte, zeigt, dass es den Behörden ernst ist.

pro: Können Christen in Libyen – Libyer und Ausländer – ihren christlichen Glauben frei ausleben? Wie wird das in Zukunft aussehen?


Rode: Darauf kann ich nur mit einem klaren „Nein“ antworten. Es ist in Libyen unmöglich, seinen christlichen Glauben offen zu leben. Selbst die wenigen Ausländer, die geblieben oder wieder zurückgekommen sind, verhalten sich sehr vorsichtig. Da der islamische Extremismus immer stärker wird und sich zunehmend Gehör verschafft, wird die Lage für Christen voraussichtlich immer schwieriger. Dies gilt natürlich erst recht für Konvertiten, denn sie haben nach der Scharia ein todeswürdiges Verbrechen begangen.

pro: Von wem geht die Verfolgung der Christen aus?


Rode: Einerseits geht die Verfolgung vom Staat aus, wobei uns nicht viele Gewalttaten berichtet werden, da der überwiegende Teil der Christen das Land verlassen hat. Eine Ausnahme stellt der fehlgeschlagene Anschlag auf den Archimandriten Loakim dar, auf den im April 2012 in Tripolis geschossen wurde. Auch durch Polizei und Geheimdienste erlebt die kleine christliche Gemeinschaft viel Druck, weil sie unter ständiger Beobachtung steht. Zum anderen ist aber auch der Druck durch islamische Extremisten sehr hoch, welche die Gesellschaft islamischer machen. Und für Konvertiten stellt immer auch die Familie eine Quelle der Verfolgung dar.

pro: Was sind die größten Veränderungen für Christen im Land seit dem Tod Gaddafis?


Rode: Von der Verfolgung durch einen Diktator erleben die Christen nunmehr intensiven Druck durch islamischen Extremismus und die offizielle Einführung der Scharia. Für die wenigen verbliebenen Christen, ist es natürlich zusätzlich schwierig, dass Tausende Christen das Land verlassen haben. Und am Schwierigsten ist vielleicht die Perspektivlosigkeit: unter Gaddafi wusste man zumindest, worauf man achten musste und was die Grenzen waren. Bei den nun herrschenden islamischen Extremisten wird alles nur noch schwieriger und unsicherer. Umso wichtiger ist es, den wenigen Christen muslimischen Hintergrunds beizustehen und für sie zu beten. (pro/dpa)

http://www.opendoors.de/verfolgung/laenderprofile/libyen/
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