In einer „Zeit“-Serie widmet sich die Zeitung ab dieser Ausgabe dem „Fluch und Segen der Weltreligionen“. In der ersten Folge geht es um das Christentum und die Frage, „warum es auch nach 2.000 Jahren noch für Überraschungen gut ist“.
Eine der Antworten darauf gibt Assheuer in seinem Leitartikel. „Die totgesagte Religion ist ins Bewusstsein zurückgekehrt, auch wenn in Europa die Kirchenbänke nicht voller und die Ungläubigen nicht fromm werden“, schreibt der Autor. Jedoch: „Eigentlich hätte es die Religion unter den lebenden Gestalten des Geistes gar nicht mehr geben dürfen. Eigentlich hätte sie unter der Sonne der Aufklärung still verbleichen oder vor der Alltagsvernunft Reißaus nehmen sollen.“
Kritiker wollen Glauben „in den Hobbykeller verbannen“
Mit der Rückkehr der Religion seien auch die Kritiker laut geworden. Philosophen möchten „den Glauben in den Hobbykeller verbannen“, schreibt Assheuer, der Evolutionsbiologe Richard Dawkins „organisiert gar einen regelrechten Kreuzzug gegen die Kirche“ (siehe Christliches Medienmagazin pro, 5/2006). Viele Kritiker würfen der Religion vor, bis heute ihre Geschichte der Gewalt nicht überwunden zu haben oder an Wahrheitsansprüchen festzuhalten.
Religion kann nicht unverbindlich sein
„In dem Wunsch, der Religion den Stachel zu ziehen, steckt die verständliche Furcht vor dem Terror der Wahrheit. Dennoch ist das Verlangen nach religiöser Unverbindlichkeit selbst ein Dogma“, so der „Zeit“-Autor. Dieses sei „der Aberglaube, eine liberale Gesellschaft sei nur liberal, wenn alle darin vertretenen Positionen liberal sind. Doch Offenbarungsreligionen können ihre Wahrheiten nicht ‚liberalisieren‘, sonst müssten sie sich selbst aufgeben.“
Religionen seien daher nicht bloß „Bewährungshelfer der Weltgesellschaft. Sie sprechen auch über einen ‚Skandal‘, der alle Menschen bewegt, obwohl keine Macht der Welt Schuld daran trägt: über Zeit und Vergänglichkeit, über ein Leiden, das aus der menschlichen Existenz selbst entsteht, aus Endlichkeit und Tod.“ Dafür hätten die Weltreligionen eine Sprache gefunden, die durch keine andere ersetzt werden könne. „Dieses anzuerkennen kann auch für Kritiker der Religion eigentlich nur – vernünftig sein“, schließt „Zeit“-Autor Thomas Assheuer.
„Glaube schien in Europa erledigt. Jetzt ist er wieder da.“
Im „Zeit“-Dossier widmen sich die Autoren der Frage: „Glaube schien in Europa erledigt. Jetzt ist er wieder da. Warum nur?“ In einem Streitgespräch diskutieren Kardinal Walter Kasper und der Philosoph Peter Sloterdijk über das „Ende der europäischen Säkularisierung“, die Bedeutung von Kirche und christlichem Glauben in unserer Gesellschaft oder die Frage, warum das Christentum trotz einer „unglaublichen Widerstandsgeschichte“ noch immer existiert.