Lernen, den Glauben zu reflektieren

Mouhanad Khorchide bildet an der Universität Münster Lehrer für den islamischen Religionsunterricht aus. Im Gespräch mit der Wochenzeitung Die Zeit spricht er darüber, warum der islamische Gott nicht auf einen Richtergott reduziert werden sollte. Zudem führt der Wissenschaftler aus, warum und wie er den Islam gerne weiterentwickeln möchte.
Von PRO

Der 42-Jährige bemängelt, dass viele Muslime schlecht über ihre eigene Lehre informiert seien. Zudem würden sie Aussagen von islamischen Rechtsgelehrten als göttliche Wahrheit hinnehmen und nur selten kritisch hinterfragen. Seit den Anfängen hätten die Gelehrten ein Gottesbild konstruiert, „um einen Geist der Unterwerfung zu etablieren“.

Nicht auf einen Richtergott reduzieren

Khorchide möchte den Islam von dem herkömmlichen Scharia-Verständnis befreien. Die Scharia bedeutet für ihn, der Weg zu Gott – und der führe über das Herz des Menschen. Es gehe bei ihr um Werte wie Gerechtigkeit und nicht um kleinliche Vorschriften und Gesetze. Verstehe man die Scharia so, sei sie kompatibel mit den Menschenrechten. „Gott darf nicht auf einen Richtergott reduziert werden“, auch weil nur ein Bruchteil der Koranverse juristische Belange anspreche: „Was wir heute als islamisches Recht bezeichnen, ist nicht göttlich“, meint Khorchide. Viele juristische Aussagen müssten auch in ihrem historischen Kontext gelesen werden.

Kritik äußert er an Orthodoxen und Salafisten, die einen kleinlichen Islam mit vielen Vorschriften predigten. Khordiche gehe es jedoch nicht um die Fassade der Religion, sondern „um das Innere des Menschen“. Als Wissenschaftler möchte er dazu beitragen, dass Muslime lernen, ihren Glauben zu reflektieren. Dies bereite vor allem denjenigen Probleme, die „eine Deutungshoheit über den Islam für sich beanspruchen“. Namen nennt er nicht.

Selbstverpflichtung statt Lehrerlaubnis

Statt einer Lehrerlaubnis für Pädagogen sieht er eine Selbstverpflichtung als sinnvoller an, in der steht, „dass man ein Leben nach islamischen Maßstäben führt“. Einen weiteren Aufschwung für seinen Studiengang erhofft er sich durch die Aufhebung des Kopftuchverbots: „Für mich gehört es zur Religionsfreiheit, dass man das Kopftuch in Schulen tragen darf. Auch außerhalb des Religionsunterrichts.“ Im Gespräch mit allen Beteiligten seien Kompromisse denkbar.

Der Sohn palästinensischer Flüchtlinge wuchs in Saudi-Arabien auf. Nach seinem Theologie-Studium in Beirut promovierte er sich in Wien. Seit 2010 ist er Professor für islamische Religionspädagogik an der Universität Münster. (pro)

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