Lauterbach: Ärzte „mehr alleingelassen als je zuvor“

Vor einem Jahr hat der Deutsche Bundestag die Regelungen zur Sterbehilfe verschärft. In seiner aktuellen Ausgabe macht das Wochenmagazin Der Spiegel eine Bestandsaufnahme, wie sich die Änderung für Ärzte und Patienten ausgewirkt haben.
Von Johannes Blöcher-Weil
Sieht das neue Gesetz zur Sterbehilfe skeptisch: SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach

Mit dem Gesetz des Bundestags zur Sterbehilfe wird seit November 2015 auch die Beihilfe zum Suizid in bestimmten Fällen bestraft. Selbst wer dem Patienten ein Medikament überlässt, durch das er sterben kann, macht sich strafbar. Was vom Wortlaut her eigentlich gegen Vereine gerichtet sein sollte, die Sterbehilfe betreiben, bereitet auch den Ärzten Kopfzerbrechen.

Aus Sicht des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach ziehen sich die Ärzte durch das neue Gesetz zurück, „und schwerstkranke Patienten sind mehr alleingelassen als jemals zuvor“. Unter den Medizinern seien große Verunsicherung und Angst zu spüren. 13 Verfassungsbeschwerden sind seit vergangenem Jahr in Karlsruhe eingegangen, vier davon von Palliativ-Medizinern. Das Gericht muss nun prüfen, ob das Gesetz auch in Zukunft gelten wird.

Hölle oder Gefängnis

Für Mediziner wäre eine Strafe auf Bewährung gleichbedeutend mit dem Verlust ihrer Approbation – und damit der beruflichen Existenz. Der Palliativmediziner Matthias Thöns sagt dem Spiegel: „Entweder ich überlasse Schwerstkranken weiter Medikamente für den Hausgebrauch, so wie ich es als Mediziner für richtig halte. Dann komme ich möglicherweise ins Gefängnis. Oder ich verwehre mich allen Wünschen. Dann komme ich in die Hölle.“

Unsicherheit herrscht aber auch in den Hospizen, etwa wenn sich Menschen für das Sterbefasten entschieden haben. Für die Mediziner ist der Wortlaut des Gesetzes zu zu schwammig formuliert. „Das Parlament hat mit der Neuregelung das Gegenteil dessen erreicht, was es ursprünglich beabsichtigt hatte“, schreibt der Spiegel.

Hoffnung auf Rechtssicherheit aus Karlsruhe

Der Schmerztherapeut Benedikt Matenaer will seine Patienten auch in der Frage der Sterbehilfe nicht allein lassen. Er gehört zu denjenigen, die eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht haben. Für ihn sei es die Möglichkeit, das Thema noch einmal ergebnisoffen zu beraten. Die ärztliche Aufgabe, einen Menschen beim Suizid zu unterstützen, könne auch „barmherzige Medizin“ sein.

Die Meinungen innerhalb der Ärzteschaft sind gespalten. Für den Spiegel hat sich der Konflikt um die ärztliche Rolle am Ende des Lebens lediglich von Berlin nach Karlsruhe verlagert. Aus de Gesundheitsministerium heißt es, dass die Ärzte mit dieser Regelung „nach bestem Wissen und Gewissen sterbenskranken Menschen beistehen“ können. Für SPD-Politiker Lauterbach geht ein Arzt bei Fragen nach einer Suizidassistenz „ein hohes Risiko ein“. Er hofft auf ein Richterspruch aus Karlsruhe der für „Rechtssicherheit sorgt“. Anderenfalls müsse der Bundestag in der nächsten Legislaturperiode das Gesetz überprüfen – und gegebenenfalls „über eine Reform der Reform nachdenken“. (pro)

Von: jw

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