90 Abgeordnete des baden-württembergischen Landtags und Regierungsmitglieder haben sich Bibeltexte ausgewählt und aus persönlicher Sicht kommentiert. Im Jahr des Reformationsjubiläums hatten die Politiker auch die Möglichkeit, anstelle eines Bibelwortes ein Zitat Martin Luthers zu interpretieren. Entstanden ist die rund 200 Seiten starke „Abgeordnetenbibel Baden-Württemberg“.
Der katholische Ministerpräsident des Landes, Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), hat für das Buch das Lutherwort „Nur, wer sich entscheidet, existiert“, reflektiert. Aus der Knappheit an Gütern, Mitteln, Möglichkeiten und auch an Lebenszeit erwachse Freiheit, aus der wiederum Kreativität entstehe. „Und diese beiden – die Freiheit und die Kreativität – geben unserem Leben Sinn“, erklärte Kretschmann. Deshalb habe der Reformator dies sagen können.
In einem Video, die Clips wurden begleitend zum Buch auf der Homepage des Projektes und auf YouTube veröffentlicht, legt der Landesvater den biblischen Bericht über den Oberzöllner Zachäus aus dem Evangelium nach Lukas aus. Kretschmann hat nach eigenen Worten die Stelle gewählt, weil in dem Text ein Mensch nach Orientierung suche. „Ersteinmal muss man suchen, wenn einem die Orientierung abhanden gekommen ist“, erklärt Kretschmann. Durch die Begegnung mit Jesus habe der Zöllner Sinn und Orientierung in seinem Leben gefunden. Es gelte, sich im Leben auf die Suche nach Sinn und Orientierung zu begeben. Die Videos mit den Politikern wurden im baden-württembergischen Landtag aufgezeichnet. Die mündlichen Ausführungen der Videos weichen teilsweise vom geschriebenen Text ab und ergänzen auf persönliche Weise die im Buch kommentierten Texte.
Insgesamt 17 Politiker bevorzugten es, eine Zitat von Martin Luther anstelle eines Bibelwortes zu kommentieren. Idee und Konzept stammen von Hanno Gerwin. Der evangelischer Pfarrer, Journalist und Medienschaffende ist auch Herausgeber des Buches und wurde unterstützt von den Beauftragten der evangelischen und katholischen Kirchen bei Landtag und Landesregierung, Volker Steinbrecher und Gerhard Neudecker.
Die „Abgeordnetenbibel“ gibt Aufschluss über die Bezugnahme zum christlichen Glauben in der Politik des Landes. „Die Bibel beeinflusst politische Entscheidungen in der Vergangenheit und bis heute“, sagt Gerwin. Das Buch offenbare deutlich, wie sehr die politische Lage Einfluss nehme auf die Auswahl der Bibelstellen und deren Auslegung. „So spielt zum Beispiel die Tatsache, dass die Bibel zahlreiche Flucht- und Flüchtlingsgeschichten enthält, für viele Abgeordnete eine große Rolle.“ Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg nimmt im ersten Artikel direkt Bezug zum christlichen Glauben. Dort heißt es: „Der Mensch ist berufen, in der ihn umgebenden Gemeinschaft seine Gaben in Freiheit und in der Erfüllung des christlichen Sittengesetzes zu seinem und der anderen Wohl zu entfalten.“
Das Buchprojekt, eine Neuauflage eines ähnlichen Projektes von vor fünf Jahren, hat zahlreiche Unterstützer, darunter unter anderem die Evangelische Landeskirchen in Baden und Württemberg, die Erzdiözese Freiburg und die Diözese Rottenburg-Stuttgart sowie die Evangelischen Stadtmissionen in Heidelberg, Karlsruhe und Freiburg sowie die Deutsche Bibelgesellschaft. (pro)
Von: nob