Es predigt: Bob Dylan

Bob Dylan, die vielzitierte „Stimme einer Nation“, ist bekannt dafür, keine Interviews zu geben und auf seinen Konzerten kein Sterbenswörtchen zu sagen. Das war einmal anders. Nachdem sich der jüdischstämmige Sänger 1979 zu Jesus bekehrt hatte, sprudelten die Predigten über Weltuntergang und Erlösung nur so aus ihm heraus. Ein neues Buch beleuchtet diese bewegten Jahre des Künstlers. Eine Rezension von Jörn Schumacher
Von Jörn Schumacher
Bob Dylan bei einem Auftritt im Weißen Haus zur Zeit von Präsident Barack Obama im Jahr 2010

Wer zu einem Bob-Dylan-Konzert geht, darf sich nicht wundern, wenn er einen eigenwilligen Künstler sieht, der zu seinem Publikum keinerlei Kontakt aufnimmt und zwischen seinen Liedern kein gesprochenes Wort über die Lippen bringt. Hartgesottene Fans, oft Dylanologen genannt, haben es zu einem Brauch gemacht, die Konzerte mitzuschneiden und intensiv zu analysieren. Jede Regung wird interpretiert, jede Variation eines Songs wie das Zeichen eines Orakels gedeutet. Und sollte es tatsächlich einmal vorkommen, dass Dylan auf der Bühne irgendwie ein Wort ins Mikrofon nuschelt, dann steht die Fangemeinde kopf.

Nur so ist zu erklären, dass der britische Autor Clinton Heylin in seinem Buch „Dylan. Gospel.“ so ausführlich fast jede Predigt des Singer/Songwriters wortwörtlich wiedergibt. In seinem Buch beleuchtet Heylin jene Phase Dylans, die für viele noch immer unverständlich ist. Was genau passierte mit dem Sänger, der Hits wie „Blowin’ in the wind“ und „Mr. Tambourine Man“ geschrieben hat, in jenen Jahren zwischen 1979 und 1981, als es für ihn nur noch das Thema Jesus gab?

Die große Stärke des Buches liegt in den zahlreichen Berichten von Menschen, die unmittelbar dabei waren, als Dylan sich zum Christentum bekehrte. Bandkollegen, Produzenten, Freunde, Pastoren und Journalisten. Außerdem dürften die vielen Interviews, die der redselige Dylan damals gab, für Fans rare Leckerbissen darstellen. Denn Interviews des Sängers, dem 2016 als erstem Musiker der Nobelpreis für Literatur zuerkannt wurde, sind selten.

Feindseligkeiten und Buh-Rufe nach der Bekehrung

So verhasst unter vielen Dylan-Fans, so interessant sollten besonders für Christen die drei Alben der „Gospel-Phase“ Dylans sein: „Slow Train Coming“ (1979), „Saved“ (1980) und „Shot of Love“ (1981). Vor allem das erste Album sei seit jeher sein Favorit, schreibt der gläubige Fernseh-Journalist Markus Spieker im Vorwort des Buches. Für die damaligen Fans indes war diese Phase eine bittere Zumutung. Als Dylan plötzlich nicht mehr „Knockin’ on heavens door“ und „Lay Lady Lay“ sang, sondern auf der Bühne stundenlang vom Kreuzestod Jesus redete, buhten die Zuschauer ihn aus. Die Verkaufszahlen des Musikers brachen ein.

Heylin, der bereits Bücher über Van Morrison und Bruce Springsteen schrieb, ist selbst gläubig und wollte mit seinem Buch nach eigener Aussage „Zeugnis geben von der Inspiration, die der Glaube bringen kann, wenn er sich mit Genialität verbindet“. Außerdem möchte Heylin ein Plädoyer liefern für eine „gründliche Neubewertung der Musik, die Dylan während seiner sogenannten religiösen Phase machte“. Und damit hat er Recht: Musikalisch war die Gospel-Phase Dylans sicher nicht die schlechteste.

In seinem Buch lernen wir viel über das Zustandekommen der Bekehrung Dylans. Ausgebrannt und rastlos suchte der Sänger offenbar nach etwas Haltbarem, das über die schnellen Freuden im Leben eines erfolgreichen Stars hinaus einen Wert hat. Bei einem Konzert warf ein Zuschauer dann ein Kreuz auf die Bühne, und Dylan steckte es ein. Später im Hotelzimmer verspürte er die Gegenwart Gottes, berichtete er später, und von da an war er nicht mehr derselbe Mensch. Der Musiker holte sich Rat bei Christen der Vineyard-Gemeinde in Kalifornien. Auch diese ehemaligen Wegbegleiter Dylans hat Heylin erfreulicherweise für sein Buch ausfindig gemacht und interviewt.

Sein „Wiedergeborenwerden“ sei schwer und schmerzhaft gewesen, sagte Dylan, etwa so wie die Geburt eines Kindes. „Eine Bekehrung braucht Zeit, weil du erst einmal krabbeln lernen muss, bevor du laufen kannst.“ Angesichts der Feindseligkeiten, die ihm wegen seiner Bekehrung entgegengebracht werden, erkennt er schnell: „Es wäre einfacher gewesen, wenn ich Buddhist oder Scientologe geworden wäre, oder wenn ich nach Sing Sing gekommen wäre.“ Eines wird aber klar. Wenn Dylan etwas anfängt, dann macht er es richtig. Und so war es auch mit seiner Bekehrung.

Als bei einem Konzert Zuhörer wieder einmal nach dem guten alten Rock-Dylan riefen, antwortete ihnen Dylan von der Bühne: „Ihr wollt immer noch Rock an‘ Roll? Ich sage euch: Es gibt nur zwei Arten von Menschen: gerettete Menschen und verlorene Menschen. Vergesst nicht, dass ich euch das gesagt habe. Vielleicht komme ich nie wieder hierher, aber irgendwann in der Zukunft werdet ihr daran denken, dass ihr es hier gehört habt, dass Jesus der Herr ist.“ Der gläubige Sänger Pat Boone sagte damals angesichts der Buh-Rufe: „Eine Generation lang hat er die Fragen gestellt, und jetzt gibt er euch die Antworten. Warum hört ihr nicht zu?“ Wir erfahren im Buch unter anderem, wie sich ehemalige Freunde wie George Harrison und John Lennon von dem Neubekehrten abwendeten.

Wie gläubig ist Bob Dylan heute noch?

Heylins Buch verliert sich zum Ende hin zwar immer mehr in der Analyse einzelner Songs, und in seiner Ausführlichkeit ist es wohl eher etwas für hartgesottene Fans. Die christlichen Botschaften aber, die Dylan in seinen Texten und auf den Konzerten hinterlassen hat, sind auch heute noch, fast 40 Jahre Jahre später, aktuell. Und für Christen, die sich dem Phänomen Bob Dylan nähern möchten, ist das Buch perfekt.

Nach und nach nahm der Missionsdrang bei Dylan wieder ab. Die Platten wurden säkularer, auf den Konzerten sang Dylan wieder mehr, als dass er redete. Am Ende steht die Frage, über die sich viele Dylanologen streiten: War die „Gospel-Phase“ nur eine von vielen, die der Sänger irgendwann hinter sich ließ? Ist er immer noch so gläubig? Leider kann auch Heylin zu dieser Frage nicht viel beisteuern, da Dylan zu jener verschwiegenen Musikergestalt geworden ist, der wir zwar gefühlt die Hälfte aller Rocklieder des 20. Jahrhunderts verdanken, die aber abseits der Musik keinen Mucks mehr von sich gibt. Sogar bei der Verleihung des Literatur-Nobelpreises in Stockholm ließ er sich entschuldigen, er habe leider andere Dinge zu tun.

Feststeht: Dylan selbst hat sich nie von seiner Bekehrung, seinen drei christlichen Alben und von seinen Predigten distanziert.

Clinton Heylin: „Dylan. Gospel. Die rauen Töne der wahren Geschichte“, fontis/Brunnen, 416 Seiten, 23 Euro, ISBN 9783038481478

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