Vom Millionär zum freiwilligen Tellerwäscher

Von Kindesbeinen an ist die Bühne für Michael Patrick Kelly ein zweites Zuhause. In den Neunzigerjahren feiert der junge Mann mit der „Kelly Family“ so große Erfolge, dass er ohne Bodyguards nicht mehr auf die Straße gehen kann. Trotz des materiellen Reichtums fühlt er sich innerlich leer. Darum begibt er sich auf eine außergewöhnliche Suche nach Gott.
Von PRO
Hat nach einer Auszeit im Kloster und seinem Weg zu Gott wieder eine CD vorgelegt: Michael Patric Kelly

Ein reicher Jüngling kam einmal zu Jesus und fragte: „Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu bekommen?“ Der entgegnete ihm: „Geh, verkaufe alles, was du hast, und gib den Erlös den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben. Und dann komm und folge mir nach!“ Da gab der reiche Jüngling all seinen Besitz weg, ging ins Kloster und fand den Sinn des Lebens.
So steht es nicht in der Bibel. Aber so könnte man die Geschichte von Michael Patrick Kelly beginnen – einem der berühmtesten Jünglinge Europas der Neunzigerjahre. Als Frontmann und Songschreiber füllt er mit der „Kelly Family“ Stadien weltweit, lässt weibliche Fans scharenweise in Ohnmacht fallen, verkauft über 20 Millionen Platten und wohnt in einem Schloss. „Paddy“ hat alles – und doch sehnt er sich irgendwann nach mehr – nach etwas, das seine innere Leere füllt. Die macht ihm zeitweise so zu schaffen, dass er sogar an Selbstmord denkt.

Lebensantworten in Lourdes gefunden

Wer bin ich? Wo komme ich her? Was mache ich hier? Wo gehe ich hin? Gibt es einen Gott? All diese Fragen treiben den Mitt-Zwanziger um und so beginnt er, nach Antworten zu suchen. Er findet sie weder im Koran, noch im Buddhismus, noch in asiatischen Lehren. Es ist vielmehr ein Trip mit zweien seiner elf Geschwister zum Wallfahrtsort Lourdes in Frankreich im Jahr 1999, bei dem Kelly zu den katholischen Wurzeln der Familie zurückkehrt und auf etwas stößt, das ihm ein Gefühl von Zuhausesein gibt: den Gott der Bibel. In den folgenden Jahren reift in ihm immer mehr der Wunsch, aus dem Hamsterrad des Erfolgs auszusteigen, bis alle seine Fragen beantwortet sind.
Seine Erfahrungen verarbeitet Kelly musikalisch und veröffentlicht 2003 das Soloalbum „In Exile“. Als die noch immer erfolgreiche, aber inzwischen auf sechs Bandmitglieder geschrumpfte Kelly Family 2004 Verträge für die USA und Japan auf den Tisch bekommt, zieht Paddy die Reißleine und entschließt sich, stattdessen auf unbestimmte Zeit ins Kloster zu gehen – was nicht bei allen seinen Geschwistern auf Verständnis stößt. Er tauscht Karriere gegen Kutte, Konzerte gegen Kartoffelschälen, Hotelsuite gegen Zehn-Quadratmeter-Zelle.

Die Mönche lauschen an der Tür

Nicht nur jeglichen Besitz muss der Star abgeben, um bei dem katholischen Bettelorden der „Gemeinschaft vom Heiligen Johannes“ im französischen Burgund aufgenommen zu werden. Unter den Mönchen ist der Star nun einer von vielen – ein Gefühl, das Paddy Kelly schon lange nicht mehr kennt. Sein Alltag ist fortan bestimmt von Stille, Gebet und erdenden Tätigkeiten. Er arbeitet in der Wäscherei, fertigt Sandalen, führt sogar die Mülltrennung ein. Nebenbei studiert er intensiv Theologie und Philosophie. Schwer fällt ihm vor allem, in die Ruhe zu finden. Doch je mehr er sie entdeckt, umso tiefer findet er zu sich selbst und zur Begegnung mit Gott.
Doch von der Musik kann er nicht lassen. Nachdem er im Keller des Ordenshauses ein Musikzimmer entdeckt, in dem normalerweise die Mönche proben, zieht er sich in der nachmittäglichen Freizeit dorthin zurück, nimmt die Gitarre zur Hand und fasst seine Gedanken über Bibeltexte, die ihn besonders berühren, in Musik. Nicht selten lauschen dann andere Ordensbrüder an der Tür. Nach vier Jahren im Burgund und zwei weiteren in einem Ordenshaus in Belgien stehen die ewigen Gelübde an. Doch für immer im Kloster zu bleiben, ist Kelly nicht bereit. Er spürt, dass es seine Berufung ist, sich der Musik zu widmen und wieder auf der Bühne zu stehen.
Nach sechs Jahren Kloster beginnt für ihn damit sein „drittes Lebenskapitel“, wie er es selbst bezeichnet. Er ist längst nicht mehr der „Paddy“, der er einmal war. In kleinen Schritten kehrt er mit 32 Jahren wieder ins Musikbusiness zurück und tritt fortan unter seinem bürgerlichen Namen Michael Patrick Kelly auf. Abgesehen von dem Programm „Stille Nacht – eine musikalische Weihnachtsgeschichte“, das er 2011 und 2012 mit dreien seiner Geschwister auf die Bühne bringt, spielt er erst einmal lediglich ein, zwei Dutzend Solokonzerte pro Jahr. 2013 heiratet er seine Jugendliebe, die belgische Journalistin und Religionsphilosophin Joelle Verreet.

Singen vom Geist Gottes

Ins große Rampenlicht tritt Michael Patrick Kelly wieder 2015 mit seinem zweiten Soloalbum „Human“. Die Pop-Platte schafft es bis auf Platz drei der deutschen Charts. Sie dreht sich um Aufbruch in die Freiheit, um kleine Helden, um den Tod und um das Glück – eben um Aspekte der Menschlichkeit. Die Texte gehen in die Tiefe, greifen den Glauben aber nicht explizit auf. Doch in den Medien, wo Kelly mit seiner außergewöhnlichen Geschichte vom Millionär zum freiwilligen Tellerwäscher nun wieder begehrter Interviewpartner ist, spricht er offen und mit einfachen Worten von dem, was ihm zum Lebensfundament geworden ist. Im Alltag nimmt er sich täglich bewusst Momente der Ruhe, um in die Stille zu gehen und den Draht nach oben zu pflegen. Auch das Landhaus in Niederbayern, in dem er nun mit seiner Frau zurückgezogen lebt, hilft ihm dabei. Sonntags besuchen die beiden den Gottesdienst. Und wenn ihm mal wieder alles zu viel wird, nimmt sich Kelly eine Auszeit im Kloster.An diesen Ort kehrt Michael Patrick Kelly nun auch mit seinem dritten Soloalbum „Ruah“ zurück. Auf dem Longplayer hat der Multiinstrumentalist genau die Songs versammelt, die in seiner Zeit als Mönch im stillen Kämmerlein entstanden sind, und einige, die alten Schätze, die er in den Jahren für sich entdeckt hat. Mehrere Anläufe hat er in den vergangenen Jahren dafür gebraucht, bis er mit den Aufnahmen zufrieden war. Immer wieder tüftelte er an den Liedern herum. Er konnte sich einfach nicht damit abfinden, diese Musik in der Schublade liegenzulassen. Dazu ist sie ihm ein zu großes Herzensanliegen.

Zeitlos, moderne Lieder der Ruhe

Das daraus entstandene Album „Ruah“ atmet schon vom Titel an Glaubensluft: Das hebräische Wort steht außer für „Wind“ auch für „Geist“ oder den „Atem Gottes“. Das Wort „Gott“ selbst taucht selten auf. „Ähnlich wie ‚Liebe’ ist es leider oft verbraucht, sodass es abtörnend wirken kann für jemanden, der nicht weiß, wer oder was damit genau gemeint ist“, erklärt Kelly. „In meiner Klosterzeit habe ich durch meine Studien Begriffe wie ‚Ruah’ oder ‚Agape’ entdeckt. Da gibt es so viel Interessanteres als platte Namen und Wörter.“
Musikalisch schlägt „Ruah“ ebenfalls in eine andere Kerbe als das Vorgänger-Album. Weniger poppig, weniger radiotauglich. Es strahlt Ruhe aus, Hingabe, Gebetshaltung, aber auch das Fragen und das laute Rufen zu Gott finden darin ihren Platz. Sakral oder angestaubt wirken die Lieder dennoch nicht, sondern vielmehr zeitlos modern. Jedoch ganz anders als Lobpreismusik à la Hillsong. Nicht dass Kelly solche Musik nicht mögen würde. Hierzulande vermisst er dabei aber oft die musikalische Qualität. „Es gibt in christlichen Kreisen oft gut gemeinte Lobpreismusik, die sicher von Herzen kommt, aber aus der Kunstperspektive grottenschlecht ist. Daran müssen wir arbeiten, dass wir nicht denken: Es ist ja sowieso für Gott, darum darf es ruhig ein bisschen amateurhaft klingen.“
Live spielen wird der 38-Jährige die Lieder des neuen Albums in Kirchen. Anschließend lädt er jeweils zu einer Friedensandacht ein, für die er extra einen Straßenprediger aus den USA einfliegen lässt. Ein Teil der Erlöse der Tournee kommt zwei Hilfsprojekten des Bonifatiuswerks und von Caritas International zugute. Letztere Organisation unterstützt Michael Patrick Kelly bereits seit Jahren. Abseits der medialen Aufmerksamkeit spielt er zudem hin und wieder kostenlose Konzerte in Gefängnissen – eine Tradition, die schon sein Vater pflegte, lange bevor die Kelly Family zu großem Ruhm und Reichtum kam.
In der Bibel hat die Begebenheit um den reichen Jüngling kein Happy End: Der junge Mann geht traurig von Jesus weg, weil er zu sehr an seinem Besitz hängt, um diesen wegzugeben. Michael Patrick Kelly dagegen wagte genau das. Er ließ Geld, Ruhm und Familie zurück. Was er dafür bekam, war nicht weniger als echtes Leben. Heute hat er seinen inneren Frieden gefunden. Das spürt man jeder Note und jeder Textzeile seiner Musik ab. (pro)

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe 5/2016 des Christlichen Medienmagazins pro. Bestellen Sie pro kostenlos unter der Telefonnummer 06441/915151, via E-Mail an info@pro-medienmagazin.de oder online.

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