„Die Prinzen“-Sänger: „Es wird alles so sein, wie Gott es will“

„Die Prinzen“ gehen ab Samstag mit ihrer neuen CD „Familienalbum“ auf Kirchentour. pro hat mit Jens Sembder, Gründungsmitglied der Leipziger Popgruppe, darüber gesprochen, warum er auch negative Erfahrungen als Bereicherung ansieht und privat keine Musik hört.
Von PRO
Gehen im September auf Kirchentour: „Die Prinzen“ mit Henri Schmidt, Sebastian Krumbiegel, Jens Sembdner, Tobias Künzel und Wolfgang Lenk (v.l.n.r.)

pro: Als ich Sie anrief, waren Sie gerade mit dem Fahrrad unterwegs. In einem Lied der „Prinzen“ heißt es: „Nur Genießer fahren Fahrrad.“ Womit genießen Sie noch das Leben?

Jens Sembdner: Ich versuche, es jeden Tag zu genießen, und zwar jede Sekunde. Ich treibe viel Sport, ich lese sehr viel, ich gehe viel in mich, ich bete viel. Das sind Sachen, die mich im Gleichgewicht halten. Ich habe in meinem Leben die Erfahrung gemacht, dass alles, was passiert, oder alles, was da ist, eine Bereicherung sein kann. Auch, wenn wir das einmal als negativ empfinden. Aber wenn ich später zurückschaue, stelle ich fest, dass auch das eine Bereicherung war.

Wie sind Sie zu dieser Einstellung gekommen?

Ich habe einen sehr großen Verlust gehabt vor vierzehn Jahren, als meine Frau starb. Dann wollte ich ein Buch schreiben und fing damit an, indem ich nur gegen Gott gewettert habe: Warum, wieso, weshalb? Ich habe alles nicht verstanden. Im Laufe der Zeit habe ich erkannt, dass ich alles, was passiert, als gegeben hinnehmen muss. Wenn ich das gelernt habe, sehe ich auch, dass neue Dinge, neue Orientierungen daraus entstehen. Ich war vorher nicht sonderlich mit Gott vertraut. Über diesen Weg des Beschimpfens bin ich zu ihm gekommen. Das ist kurios. Manchmal musst du nur abwarten. Es hat alles seinen Sinn, glaube ich. Es wird alles so sein, wie es sein soll oder wie Gott es will.

Wie haben Sie nach dem schweren Schicksalsschlag, dem Tod Ihrer Frau, wieder zurück ins Leben gefunden? Welche Rolle hat der Glaube da gespielt?

Auf alle Fälle spielt der Glaube da eine Rolle. Ich habe mich mit Dingen beschäftigt, mit denen ich mich vorher nicht beschäftigt habe. Plötzlich wird das Leben völlig zerrissen. Ich wollte es nicht wahrhaben, ich wollte es nicht glauben. Ich fing dann an, zu suchen, dass es etwas geben muss, dass der Mensch noch da ist. Ich habe meine Frau und nach Auswegen gesucht, habe mir alle möglichen Religionen angeschaut, Berichte über Nahtoderfahrungen gelesen. Ich habe mich sehr intensiv damit beschäftigt. Dabei habe ich mich ertappt, dass ich im Bett liege und zu Gott bete. Dann habe ich mir gedacht: Wo suchst du eigentlich? Tagsüber suchst du immer rechts und links und nachts betest du zu Gott. Ich habe gemerkt, dass mir das Ruhe gegeben hat. Ich konnte mit jemandem reden, und ich habe Ruhe empfunden, obwohl es eine sehr hektische Zeit für die Seele war, eine unruhige Zeit, in der ich am liebsten nicht mehr da sein wollte, weil es so bedrückend war. In dieser Phase habe ich Ruhe gefunden. Das fand ich sehr bedeutend und sensationell. Das schafft kein Medikament dieser Welt, aber ein Gebet schafft das nachts. Deswegen habe ich mir gedacht, warum nicht immer so. Es tut gut.

Inwieweit intensivierte sich Ihr Glaube?

Ich wohnte damals noch auf dem Dorf und habe mich Sonntagmorgen auf mein Fahrrad geschwungen und mich dann das erste Mal seit Jahren wieder in die Kirche gesetzt. Das war eine Dorfkirche. Dort saß bloß noch eine Oma drin und der Pfarrer, der für uns beide predigte. Was er gesagt hat, empfand ich als sehr toll. Ich habe ihn gefragt: Was ist denn, wenn die Oma stirbt und ich wegziehe? Er antwortete: Dann habe ich nichts mehr zu tun. Ich sagte, das muss man doch ändern. Das ist eine so tolle Botschaft und es ist etwas, was viele Menschen hören müssen. Später fragte ich mich: Was könnte ich tun? Ich habe mich hingesetzt und die Psalmen und Choräle, die wir im Kreuzchor gesungen haben – mit Orchester und im klassischen Gewand –, vertont und einen Beat drunter gelegt und versucht, sie in die heutige Zeit rüberzuziehen. Daraus ist das Album „Da wo du bist“ entstanden. Junge Gemeinden haben das auch nachgespielt. Damit ist schon etwas erreicht, wenn es auch nur kleine Dinge sind.

Sie sagen, damit die Kirche mehr Leute anlockt, muss sie sich öffnen, aber nicht um jeden Preis. Einige Werte müssen bewahrt werden. Welche?

Die Gebote, die Gott uns gegeben hat – es sind nicht viele, aber es sind wichtige –, sollten wir einhalten. Wenn wir uns nur an die zehn Punkte halten würden, dann hätten wir gar kein Problem auf dieser Welt. Wir brauchen aus meiner Sicht keine großen Pilgerstätten. Diese Pilgerstätten sollten die Zehn Gebote sein, die wir uns immer vor Augen halten sollten. Ich glaube, das hilft.

Welche Musik hören Sie privat?

Ich höre gar nichts. Dadurch, dass ich selbst viel Musik mache, bin ich gerade auf Entzug – seit einem Jahr. Am Anfang habe ich mich gezwungen, mittlerweile finde ich es ganz toll, Radio und Fernsehen von mir fern zu halten. 90 Prozent aller Nachrichten, die ich darin höre, sind negativ. Deshalb schalte ich das Radio aus und habe festgestellt, dass Stille eine immense Kraft gibt. Ab und zu unterstütze ich die Stille mit klassischer Musik, ich gebe es ehrlich zu. Auf der anderen Seite: Wir sind mit Cro und mit Xavier Naidoo unterwegs, wir haben ständig die aktuelle Musik um uns herum. In der kurzen Zeit, in der ich zu Hause bin, genieße ich Stille.

Was ist der Zweck, dass Sie die Nachrichten aussperren?

Es sind für mich zu viele Informationen, die ich negieren kann, die ich für mich nicht brauche. Wichtige Informationen, dass es eine Hungersnot gibt, dass Völker unterdrückt werden, kommen durch, das weiß ich auch. Dass ich spenden und Hilfsprojekte unterstützen sollte, das steht auch in den Zehn Geboten. Ich brauche dazu nicht noch etwas, was mich niederreißt. Das trifft auch auf die Kirche zu. Aus meiner Sicht sollten mehr positive Nachrichten verbreitet werden, damit die Menschen auch positiver und lächelnder durch das Leben gehen.

Nutzen Sie für die Nachrichten das Internet?

Seltenst. Ich habe eine App auf dem Handy, die die neusten Nachrichten in Kurzform bringt. Dann sehe ich die Informationen schon, und drücke sie weg oder nicht – je nachdem, ob es wichtig ist und mich interessiert oder nicht.

Am Wochenende starten Sie mit den „Prinzen“ Ihre Kirchentour zur neuen CD „Familienalbum“. Bereits 2010 und 2012 waren Sie als Band in christlichen Gotteshäusern unterwegs. Warum zieht es die „Prinzen“ wiederholt in die Kirche?

Im Jahr 2008 haben wir mit Margot Käßmann einen live ausgestrahlten Fernsehgottesdienst gemacht – unter der Bedingung, dass wir unsere eigene Musik spielen durften. Danach gab es ein, zwei Konzertanfragen von verschiedenen Gemeinden. Als es dann noch mehr Interessenten gab, ist daraus eine Tour geworden. Mittlerweile ist das eine gute Tradition. Wir fahren im September los, im Oktober kommen wir wieder. Wir treten in den Kirchen nur mit akustischen Instrumenten auf und fangen das Konzert mit einem Choral an. Dann kommen die Lieder, die man kennt: „Mann im Mond“, „Deutschland“, „Alles nur geklaut“, „Millionär“. Am Ende steht die Gemeinde, inklusive der Pfarrer, sie tanzen, klatschen und schreien. Bei manchen Gemeinden muss das erst der Gemeinderat entscheiden und es gibt Skeptiker. Um so schöner ist, wenn dann die ganze Gemeinde tanzt und klatscht, inklusive Pfarrer und Skeptiker. Das ist immer toll.

Inwieweit finden Sie sich mit Ihrem Glauben in den „Prinzen“-Texten wieder?

Prinzipiell kann ich mich in fast in allen Texten wiederfinden, weil wir Dinge ansprechen, die passieren, selbst wenn es manchmal hart klingt. „Die Prinzen“ sind dafür bekannt, dass sie kein Blatt vor den Mund nehmen und dass sie alles aussprechen, so wie es ist. Nicht auf eine plumpe Art, sondern auf eine intelligente Art. Der Mensch versteht ein Thema meist nur, wenn du es direkt ansprichst. Wenn wir unsere Lieder sogar in Kirchen spielen dürfen, kann es so schlimm nicht sein, auch wenn das Wort F*cken einmal vorkommt. Es ist ja trotzdem eine Botschaft dahinter. Die ist – so kennt das Publikum die „Prinzen“ – meist positiv.

Haben Sie sich schon mal wegen Ihres Glaubens gegen einen „Prinzen“-Text gestellt?

Ich persönlich nicht, aber es gibt manchmal schon heftige Diskussionen. Mein Bandkollege Wolfgang Lenk ist auch in der Gemeinde und wir diskutieren manchmal darüber, ob wir gewisse Punkte so oder so sagen. Das betrifft eher die Phase des Liederschreibens. Aber meistens einigen wir uns darauf, dass im Prinzip alles machbar ist, solange wir das intelligent verpacken.

Wie viel von Ihrem Glauben steckt in dem Lied „Backstagepass ins Himmelreich“?

Das hat mein Bandkollege Wolfgang Lenk mit reingebracht. Er geht regelmäßig in die Gemeinde. Bei den „Prinzen“ singen meistens nur Tobias und Sebastian solo. Aber wir wollten, dass jeder mal die Leadstimme übernimmt, und da haben wir für Wolfgang ein Lied geschrieben, was er wirklich ist. So entstand „Backstagepass ins Himmelreich“. Wenn wir Kirchen-Konzerte geben, ist dieses Lied immer dabei, und Wolfgang singt es. Das ist wirklich er. Das Lied passt wunderbar zu den Prinzen, es passt sich ein. Es ist alles intelligent verpackt, sodass es auch ernst genommen und respektiert wird.

Herzlichen Dank für das Gespräch. (pro)

Die Fragen stellte Martina Schubert
https://www.pro-medienmagazin.de/kultur/musik/detailansicht/aktuell/thomaner-chor-fuer-gott-gegen-egoismus-81489/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/jeder-mensch-ist-ein-wunder-92355/
https://www.pro-medienmagazin.de/kultur/musik/detailansicht/aktuell/interview-hueneke-90132/
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