Bibel lesen und Bahnen schwimmen

Der Fernsehmoderator und Pastor Fred Rogers machte über 30 Jahre eine Kindersendung und erreichte damit Millionen Amerikaner, er war sozusagen der Peter Lustig der USA. Der gläubige „Mr. Rogers“ war bekannt für seine einfühlsame Art und für seine schlichte Botschaft der Liebe. Eigentlich sollte der Film mit Oscar-Preisträger Tom Hanks in der Hauptrolle am 16. April 2020 in die deutschen Kinos kommen, aber wegen Corona wurde der Start auf unbestimmte Zeit verschoben. Nun ist er auf DVD erschienen. Urteil: Unbedingt sehenswert! Eine Filmkritik von Jörn Schumacher
Von Jörn Schumacher
Oscar-Preisträger Tom Hanks in der Rolle als gläubiger amerikanischer Fernsehstar. Der Film „Der wunderbare Mr. Rogers“ sollte eigentlich am 16. April 2020 in die deutschen starten, aber wegen Corona wurde der Start auf unbestimmte Zeit verschoben. Nun ist er auf DVD erschienen.

Fred Rogers ist eine Ikone des amerikanischen Kinderfernsehens. Seine Sendung „Mr. Rogers’ Neighborhood“ lief drei Jahrzehnte lang im amerikanischen Fernsehen. Nun ist sein Leben verfilmt worden, Oscar-Preisträger Tom Hanks verkörpert dabei den gläubigen Christen. Und man kann sagen: Dieser Film ist einer der wertvollsten des Jahres.

Fred Rogers hatte Theologie studiert und wurde 1963 Pastor der Presbyterianischen Kirche. In seiner Fernsehsendung „Mr. Rogers’ Neighborhood“ verkörperte er zwischen 1968 und 2001 einen einfühlsamen Nachbarn, der auf einfache Art Kindern Dinge erklärt: etwa, wie eine Taschenlampe oder bestimmte Instrumente funktionieren oder wie Malkreide oder Kaugummi hergestellt wird. Rogers starb 2003 im Alter von 74 Jahren. Die letzte der 895 Episoden wurde am 31. August 2001 ausgestrahlt. Nicht nur in den Herzen der Amerikaner lebt Mr. Rogers weiter, in Pittsburgh wurde 2009 eine Statue für ihn errichtet, Rogers erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter einen Emmy und die Freiheitsmedaille des Präsidenten.

Rogers, von dem es heißt, dass er jeden Tag betete, war ein begnadeter Klavierspieler. Viele Lieder, die er in seiner Show sang, hatte er selbst geschrieben. In einem Interview sagte er einmal: „Ich kam zum Fernsehen, weil ich es so hasste, und ich dachte mir, es müsse doch einen Weg geben, dieses wunderbare Instrument zu gebrauchen, um den Menschen etwas beizubringen.“

Eine Minute Stille zwischen Tom Hanks und dem Kinozuschauer

Der Film „Der wunderbare Mr. Rogers“, der eigentlich am 16. April 2020 in den deutschen Kinos starten sollte, basiert auf einer wahren Begebenheit: Der ausgezeichnete Journalist Tom Junod sollte für das angesehene Esquire-Magazin ein Porträt über den beliebten Mr. Rogers schreiben. Eigentlich zuständig für knallharten investigativen Journalismus, machte Junod das, was er immer machte: Äußerst skeptisch an die Sache herangehen und die dunklen Stellen in der Biografie suchen. Das Thema der geplanten Titelgeschichte des Magazins lautete „Helden“. Junod wollte ungeschönt die Frage beantworten: Ist dieser Mann wirklich ein Held? Oder spielt er nur einen? Aus der Begegnung wurde eine Freundschaft, und der Journalist wurde vom „wunderbaren Mr. Rogers“ geradezu gesund geliebt. Junod berichtete, dass Rogers ihm das Beten beigebracht und sein Leben komplett verändert habe. Im Film heißt der Journalist Lloyd Vogel und wird exzellent gespielt vom walisischen Schauspieler Matthew Rhys.

Zunächst ist der Journalist Lloyd Vogel (li.) skeptisch, ob der liebe Mr. Rogers (Tom Hanks, re.), wirklich keine Ecken und Kanten hat. Aus der Begegnung wird eine enge Freundschaft. Foto: 2019 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH/Lacey Terrell
Zunächst ist der Journalist Lloyd Vogel (li.) skeptisch, ob der liebe Mr. Rogers (Tom Hanks, re.), wirklich keine Ecken und Kanten hat. Aus der Begegnung wird eine enge Freundschaft.

Der Film enthält viele eindrucksvolle, intensive Szenen, bei denen mit Sicherheit nicht jedes Auge im Kinosaal trocken bleibt. Ein Beispiel: Irgendwann trifft sich Mr. Rogers mit dem kritischen Spürhund vom Esquire in einem Café. Rogers lädt Vogel ein, mit ihm eine „Übung“ zu machen. Sie besteht darin, sich eine Minute Stille zu gönnen und an all jene Menschen zu denken, die einen „in die Existenz geliebt“ haben. Der Journalist stutzt, schwankt zwischen seiner inneren Verbitterung, dem Ringen um Professionalität und dem unwiderstehlichen Gefühl, dass dieser Mr. Rogers mit seiner Liebe etwas anzubieten hat, was sein eigenes zerbrochenes Leben heilen könnte. In dieser Minute, die der Film tatsächlich durchhält, stimmen eindrucksvollerweise nach und nach alle Café-Gäste mit ein, und schließlich schaut Tom Hanks als Fred Rogers auch den Kinozuschauer direkt an. Mit einem liebevollen Lächeln, das für den echten Mr. Rogers charakteristisch war, bittet er auch den Zuschauer, an die Menschen zu denken, die ihn lieben, und an jene, die er selbst liebt. Dem Journalisten Vogel jedenfalls kommen erstmals, endlich, die Tränen.

Diese „Übung“ hat der echte Mr. Rogers einmal so ähnlich an prominenter Stelle mit Tausenden, ja, Millionen Menschen gemacht: bei der Verleihung des Emmy Award 1997 für sein Lebenswerk. Ein Video dieser Szene hat bis heute bei YouTube über drei Millionen Klicks. Im Jahr 1969 lud Rogers den schwarzen Sänger François Clemmons in seine Sendung ein und nahm mit ihm gemeinsam ein Fußbad – in einer Zeit der Rassentrennung ein unglaubliches Signal. Inspiriert war die Geste nach Aussage Rogers’ von der Fußwaschung Jesu an seinen Jüngern. Legendär in der amerikanischen Medienlandschaft ist auch die Sendung, in der Rogers mit einem Jungen, der im Rollstuhl sitzt, liebevoll sein Duett singt: „Du bist es, den ich mag. Es ist nicht das, was du anhast, oder welche Frisur du hast. Es bist einfach du, den ich mag.“

Vergebung besiegt das Böse

Das ist die Kernbotschaft des Pastors, der zum Fernsehen ging, um es zu verändern. Für Vogel, den investigativen Journalisten, durch den furchtbaren Tod seiner Mutter und das empörende Versagen seines Vaters zu jener Zeit längst zum Zyniker geworden, ist Mr. Rogers eine Tür in eine neue Welt, in der er lernen kann, zu seinem eigenen, kindlichen Ich Kontakt aufzunehmen, und damit gleichzeitig seine Rolle als frisch gebackener Vater neu einzuordnen. Mr. Rogers ist ein erwachsener Mann, der per Handpuppen spricht – also entweder jemand, der komplett gaga ist, oder der eine Sprache spricht, die die Herzen berührt. In seiner Sendung erreichte er mit dieser Sprache drei Jahrzehnte lang die Herzen von Kindern, im Film „Der wunderbare Mr. Rogers“ erreicht die Botschaft nun Millionen von Kinozuschauern. Die Botschaft, die auch der nach eigener Aussage „zerbrochene“ Journalist Vogel irgendwann nicht mehr ignorieren kann: Es gibt jemanden, der dich liebt, so wie du bist.

Lange nicht mehr war die Botschaft der biblischen Wahrheit von göttlicher Liebe und Vergebung, und welche Macht sie hat, so beeindruckend auf der Leinwand zu sehen. Als der Journalist Vogel der Ehefrau von Mr. Rogers die Frage stellt, was ihr Mann am liebsten tue, antwortet sie: „In der Bibel lesen und schwimmen.“ Und auch diese „Übung“, körperlicher und seelischer Art, ist eine jener intensiven Szenen, die den Film so bemerkenswert machen: Im Schwimmbad zieht Mr. Rogers seine Bahnen und denkt an, ja, betet für die Menschen in seiner unmittelbaren Umgebung. Auch für Vogel, dessen Frau, deren Neugeborenes und Vogels kranken Vater. Und das Gebet scheint Wirkung zu zeigen, davon wird der Zuschauer Zeuge. In einem Interview zitierte der echte Mr. Rogers einmal einen seiner Professoren, der sagte: „Es gibt etwas, was vom Bösen nicht besiegt werden kann, und das ist Vergebung.“

Vielleicht fiel es dem zweifach Oscar-prämierten Schauspieler gar nicht so schwer, den tiefgläubigen Fernsehstar zu spielen. In einem Interview sagte Hanks, er sei als Teenager ein mit der Bibel bewaffneter Evangelikaler gewesen. Als er seine Frau Rita Wilson heiratete, konvertierte der Schauspieler zur Griechisch-Orthodoxen Kirche. Beide sagen von sich, sehr gläubig zu sein und regelmäßig in die Kirche zu gehen. Von der Universal Life Church hat er sogar die Berechtigung, Ehen zu schließen.

„Der wunderbare Mr. Rogers“ ist ein grandioser Film, nicht nur wegen der fantastischen schauspielerischen Leistung der drei männlichen Hauptfiguren (Hanks als Rogers, Rhys als Vogel und der einmalige Chris Cooper als Vogels Vater). Er ist mit Sicherheit einer der besten Filme des Jahres, Prädikat: Unbedingt ansehen, am besten mit der ganzen Familie.

Von: Jörn Schumacher

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