„Unplanned“: Von der Leiterin einer Abtreibungsklinik zur Pro-Life-Aktivistin

„Unplanned“ erzählt die Geschichte von Abby Johnson, die eine Klinik von Planned Parenthood leitete – und zur Abtreibungsgegnerin wurde, nachdem sie eine Abtreibung per Ultraschall miterlebte. Heute wirbt Johnson im US-Wahlkampf für Donald Trump. Eine Rezension von Nicolai Franz
Von Nicolai Franz
Abby Johnson ist schockiert von dem, was sie auf dem Ultraschallbild während der Abtreibung sieht

Abby Johnsons (Ashley Bratcher) Aufstieg zur Leiterin einer Abtreibungsklinik beginnt an einem Infostand der Organisation Planned Parenthood. Eigentlich sei sie ja nicht für Abtreibung, sagt sie am Anfang des Films „Unplanned“, doch dass Planned Parenthood Frauen in Notlagen helfen wolle, überzeugte sie dann doch. Zunächst arbeitet sie ehrenamtlich mit, holt verunsicherte Frauen am Parkplatz ab, damit die christlichen Aktivisten, die vor dem Zaun stehen und beten, sie nicht im letzten Moment noch von ihrer Entscheidung abbringen können.

Mit der Zeit identifiziert sich die Psychologin voll mit den Zielen von Planned Parenthood: Hilfe durch Aufklärung, gynäkologische Dienstleistungen – und wenn es sein muss, auch durch eine Abtreibung. Dabei deutet sich schon am Anfang an, dass sie innere und äußere Konflikte in sich trägt. Zweimal lässt sie an sich selbst eine Abtreibung vornehmen. Beim ersten Mal ist es eine Schwangerschaft im Studium im Zuge einer losen Freundschaft. An den Eingriff hat sie kaum noch eine Erinnerung, dafür umso mehr an ihre zweite Abtreibung, diesmal nach der medikamentösen Methode. Noch acht Wochen nach der Einnahme berichtet sie von Ausscheidungen von Blutklumpen. Zudem sind ihre Eltern und sogar ihr späterer Mann gegen ihren Job bei Planned Parenthood. Sie sind wie Abby Johnson gläubige Christen, besuchen sonntags den Gottesdienst, tauschen sich über den Glauben aus. Für Johnson sind Abtreibungen als Not-Maßnahme trotzdem in Ordnung.

Pro-Life-Aktivisten beten vor der Klinik von Planned Parenthood in Bryan, Texas Foto: Michael Kubeisy
Pro-Life-Aktivisten beten vor der Klinik von Planned Parenthood in Bryan, Texas

Der Film zeigt all das hautnah. Zerstückelte Embryonen, die in Petrischalen wieder zusammengesetzt werden, um zu prüfen, ob alle Gliedmaßen entfernt wurden; Frauen, denen im Wartezimmer das Blut am Bein herunterläuft, weil es eine Komplikation gegeben hat. In den Vorgesprächen mit den verunsicherten Frauen beraten die Mitarbeiterinnen immer in dieselbe Richtung: zur Abtreibung. Selbst bei der jungen blondgelockten Frau, die von ihrem Vater in die Klinik gefahren wird. „Meine Eltern zwingen mich dazu, das zu tun. Aber was, wenn es ein Fehler ist?“, sagt sie. „Ist es nicht“, entgegnet Abby Johnson. „Die Schulzeit ist kein guter Zeitpunkt, um ein Baby aufzuziehen.“

Als Klinikleiterin wird sie erstmals Zeugin einer Abtreibung

Zwar wird sie noch zur „Mitarbeiterin des Jahres“ von Planned Parenthood ausgezeichnet, doch als ihre Vorgesetzte die Order ausgibt, die Zahl der Abtreibungen zu verdoppeln, wird Johnson das zu viel. Abtreibungen, um Profit zu machen? Das ist auch für sie undenkbar. Öffentlich widerspricht sie ihrer Chefin – und handelt sich eine Abmahnung ein. Zuvor hatte sie die Illusion, Abtreibungen seien ein nötiges Übel. Im Personalgespräch macht ihre eiskalte Chefin ihr jedoch klar: Abtreibungen finanzieren die Organisation. Je mehr Abbrüche es gibt, desto besser.

Bei den Abtreibungen, 30 bis 40 am Tag sind es, ist Johnson nie dabei, weil sie als Psychologin keinen Zugang zum Operationssaal hat. Das ändert sich, als die Ärzte spontan ihre Hilfe brauchen. Zu diesem Zeitpunkt ist sie bereits zur Klinikleiterin aufgestiegen. Während einer ambulanten Abtreibung soll sie das Ultraschallgerät halten. Auf dem Bildschirm sieht der Zuschauer ein kleines, menschliches Wesen mit erkennbaren Gliedmaßen. Die filmische Darstellung des Embryos ist deutlich schärfer und besser sichtbar als bei einem echten Ultraschallbild. Als der Arzt das Absauggerät ansetzt, sagt er in lockerem Ton: „Beam’ mich hoch, Scotty.“ Der Fötus wird Stück für Stück abgesaugt. Er scheint sich zu winden, es wirkt wie ein Todeskampf. Als alles vorbei ist, flüchtet Johnson ins Nebenzimmer und weint bitterlich. Diese Erfahrung leitet bei ihr eine Kehrtwende ein.

Johnsons Vorgesetzte Cheryl (Robia Scott, rechts) setzt sie unter Druck Foto: Michael Kubeisy
Johnsons Vorgesetzte Cheryl (Robia Scott, rechts) setzt sie unter Druck

Sie kündigt – und steht fortan auf der Seite der Aktivisten hinter dem Zaun, um Frauen von einer Abtreibung abzuhalten und ihnen Mut zuzusprechen. Der Film endet mit der Schließung der Klinik von Planned Parenthood in Bryan, Texas, die Johnson zuvor geleitet hatte. Heute gehört das Gebäude der Pro-Life-Organisation, die die Proteste davor organisiert hatte.

„Unplanned“ basiert auf einer wahren Begebenheit – und hat auch inhaltlich ein deutliches Ziel: Vor Abtreibungen und Planned Parenthood zu warnen. Das führt bisweilen zu dem Eindruck, dass der Film die Rollen bewusst überzeichnet: Die profitgierige Chefin von Abby Johnson kommt dermaßen diabolisch rüber, dass der Film zum Teil an Glaubwürdigkeit verliert. Falls „Unplanned“ neben den ohnehin überzeugten Lebensschützern ein liberales Publikum erreichen sollte, wird er von diesen möglicherweise als Aktivistenstreifen unbelehrbarer Fundamentalisten wahrgenommen werden. Medien wie der Guardian attestierten dem Film „Propaganda“.

Kein Kino will „Unplanned“ zeigen

Doch das heißt nicht, dass Abby Johnson die geschilderten Begebenheiten im Film nicht so oder so ähnlich erlebt hat. Wer sich darauf einlässt, kann eigentlich nur zusammenzucken: Zum Beispiel wenn man sieht, mit welcher Nonchalance kleine menschliche Wesen vom Arzt zusammengesetzt werden, als handle sich bloß um Gewebematerial.

Es ist kaum verwunderlich, dass der Film in Nordamerika zu seinem Erscheinen im vergangenen Jahr zu heftigen Protesten geführt hat. Denn „Unplanned“ macht sichtbar, was viele Menschen nicht sehen wollen, wenn es um Schwangerschaftsabbrüche geht. Die Bilder tun weh, verstören, irritieren. Doch ist es richtig, diese Bilder bewusst auszublenden, zumal wenn es um eine schwere Entscheidung geht? Hier liegt auch eine Schwäche des Films, wenn er die auf dem Ultraschallbild gezeigte Abtreibung eines Fötus allem Anschein nach deutlich überzeichnet. Die bloße Darstellung, dass es sich bei einem Embryo um einen kleinen, wenn auch noch nicht völlig ausgebildeten Menschen handelt, hätte vielleicht genügt.

Bei Abby Johnson lösten die Ultraschall-Bilder extreme Schuldgefühle aufgrund ihrer beiden Abtreibungen aus. Seither kämpft sie gegen Planned Parenthood und versucht, Mitarbeiter von Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, aus der Branche herauszuholen. Bei 500 ist es nach ihren eigenen Angaben gelungen. Und sie ist glühende Unterstützerin des US-Präsidenten Donald Trump, der ihrer Meinung nach so viel gegen Abtreibungen getan habe „wie kein anderer Präsident zuvor“, wie sie Ende August auf dem Parteitag der Republikaner sagte.

Der Film aus der Lebensrechtsszene wird in Deutschland von der „Stiftung Ja zum Leben“ verantwortet. Auch hierzulande war ein Kinostart ab dem 3. September geplant – doch anders als in den USA scheint sich kein Kino gefunden zu haben, das den umstrittenen Film zeigen will. Die Stiftung hofft daher auf Privatvorführungen der DVD oder Bluray, die ab Mitte Oktober bei Gerth Medien erhältlich sind. Dazu bietet sie Begleitmaterial an.

„ Unplanned: Was sie sah, änderte alles“, Gerth Medien, 15 Euro, ISBN 4051238076967, ab 16. Oktober 2020 erhältlich

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Eine Antwort

  1. Übrigens, aktuell ist der Film „Unplanned“ auf Platz 4 der Spiegel-Bestsellerliste (DVD-Charts für Spielfilme)
    (Stand Ende Mai 2021)

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Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

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