Kitschige Botschaft statt christlicher Botschaft: „I still believe“ im Kino

Bevor ein Liedermacher Lieder machen kann, muss er erstmal was erleben. Diese Lektion ist die erste, die der aufstrebende Musiker Jeremy im amerikanischen Film „I still believe“ von seinem Vorbild, einem bärtigen Hipster-Sänger einer christlichen Band, lernen muss. Dann erlebt Jeremy wirklich etwas, und zwar den tragischen Tod seiner Frau. Im Film wird die Geschichte leider im Kitsch ertränkt. Eine Filmkritik von Jörn Schumacher
Von Jörn Schumacher
Ein christlicher Musiker, aber wenig christliche Botschaft: Das amerikanische Drama „I still believe“ läuft am 13. August 2020 in deutschen Kinos an.

Das Musik-Liebesdrama „I still believe“ (Ich glaube noch immer) reiht sich in eine Reihe von Filmen der letzten Zeit, die sich inhaltlich sehr ähneln: 2018 kam „A Star Is Born“ (von und mit Bradley Cooper und Lady Gaga) in die Kinos, der von einem vom Leid gepeinigten Musiker und seiner große Liebe handelt. Leider wartet am Ende der Tod, wo ein Happy End hätte sein können. Nominiert war der Streifen in acht Kategorien, gewonnen hat er schließlich den Oscar für den besten Song. Der deutsche Film „Dem Horizont so nah“ erzählte letztes Jahr die Geschichte der 18-jährigen Jessica, die sich in den gutaussehenden Danny verliebt, dann aber mit einer HIV-Infektion zu kämpfen hat. Auch hier erschwert eine tödliche Krankheit die (sehr) junge Liebe.

Das amerikanische Brüderpaar Andrew und Jon Erwin drehte 2018 den Film „I Can Only Imagine: Der Song meines Lebens“ über einen Musiker, der nur über sich hinauswachsen kann, wenn er die Schatten seiner Vergangenheit hinter sich lässt. Die beiden Brüder schufen nun ein weiteres Werk für die Leinwand, in dem es wieder um einen Musiker geht, dessen Freundin, Verlobte und schließlich Ehefrau durch eine Krankheit mit dem Tode ringt. Irgendwie findet dieses Sujet derzeit Anerkennung beim Publikum.

Ursprünglich sollte der Film bereits im Mai in den deutschen Kinos starten. Wegen der Coronakrise halten die Filmstudios ihre wichtigsten Zugpferde derzeit noch im Stall, derzeit beginnen sie zaghaft, etwas kleinere Produktionen als Testballons loszulassen. Mit „I still believe“ startet nun am 13. August 2020 so ein Testballon, der in Deutschland vielleicht allenfalls Teenager hinter dem Ofen hervorlocken dürfte. Oder strenggläubige Christen, die keine Filme außer wirklich durch und durch als „christlich“ zertifizierte akzeptieren.

Wie Werbeclip mit Strandszenen

„I still believe“ ist harter Tobak für jeden, der allergisch auf eine amerikanische heile Welt in Hochglanz-Politur und auf Kitsch der pursten Sorte reagiert. Das Regie-Duo Andrew und Jon Erwin erzählt die Geschichte des jungen Musikers Jeremy, der sich in Melissa verliebt. Nachdem sie einander versprochen haben, erkrankt Melissa an Krebs. Schließlich scheint der Krebs besiegt, die beiden verbringen wunderbare Flitterwochen – wenn es damals schon Instagram gegeben haben sollte, dürfte ihr Account vor lauter Strand- und Sonnenuntergangsszenen zum Glühen gebracht worden sein.

Tragischerweise kommt der Krebs überraschend zurück, Melissa stirbt. Jeremy wird wütend, er zerschmettert seine Gitarre, und darin findet er eine Notiz, die Melissa zuvor in dem Instrument versteckt hatte. Darauf macht Melissa dem aufstrebenden Musiker Mut, er sollte nicht aufgeben, weiter Songs schreiben, und sie hätten eine schöne Zeit gehabt. Zwei Jahre später trifft Jeremy, mittlerweile bekannter Star, nach einem großen Auftritt auf einem Festival eine junge Frau; sie sagt Jeremy, seine Lieder hätten ihr in einer schweren Krise geholfen. Jeremy nimmt sich fest vor, die Geschichte von Melissa bekannt zu machen. Zwischen dem Musiker und der jungen Frau könnte sich etwas Neues anbahnen, aber das lässt der Film offen. (Der Film basiert auf einer wahren Geschichte, und Wikipedia weiß, dass die beiden tatsächlich später heirateten und drei Kinder bekamen.)

Wen diese Inhaltsangabe noch nicht abschreckt, der sollte sich gefasst machen auf ein Menschen-, Familien- und Weltbild, das so in Kitsch ertrinkt, dass der christliche Glaube darin nur noch eine weitere Nuance ist, etwa wie ein schönes Bild, das in eine schöne Wohnung passt. Wer das hundertfach glorifizierte einfache amerikanische Landleben liebt, wo die Welt noch in Ordnung ist, wo die Familie ein Hort des Glücks ist, in dem ein Familienmitglied heldenhafter ist als das andere, wo die Rollen klar verteilt sind, wo Schmuse-Country-Musik nahtlos mit getragener Lobpreismusik verwoben ist, wo die jungen Männer noch Kurzhaarschnitt und karierte Flanellhemden und die Frauen gewellte blonde lange Haare tragen, der kommt in diesem Film voll auf seine Kosten. Selbst das Leid, das Melissa später ereilt, ist mit einer Kitsch-Soße übergossen, an der nichts, aber auch wirklich nichts Authentisches hängen bleiben könnte, das den Zuschauer noch irgendwie überraschen könnte.

Wer keine Angst hat vor einer kitschigen Liebesgeschichte an einem typischen amerikanischen College, wo der erfahrene Musiker dem jungen Anwärter Tipps gibt wie „Es geht um die Songs“ und Ecken und Kanten in Kinofilmen eher lästig findet, der kann in „I still believe“ nach einer christlichen Botschaft suchen. Denn als „christlich“ wird dieser Film geführt.

Zwischen den Strand-Szenen mit Lagerfeuer oder Sonnenaufgang, die einen immer wieder kurzzeitig glauben lassen, man sei in einem Werbeclip für Zahnpasta oder einer Modemarke gelandet, zwischen den Songs, die nur schwer auseinander zu halten sind, sind der christliche Glaube, Jesus oder Gott nur schwer auszumachen. Wahrscheinlich lautet die Botschaft des Films: Es wird alles gut, und wenn auch noch Gott dabei von oben zusieht – awesome!

„I still believe“, Regie: Andrew Erwin, Jon Erwin, 116 Minuten, FSK ab 6 Jahre, ab 13. August im Kino

Von: Jörn Schumacher

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