Düsterer Film, biblische Anklänge: „Krabat“ im Kino

Mit "Krabat" läuft heute eine ebenso aufwändige wie düstere deutsche Produktion in den Kinos an. Ottfried Preußlers Romanvorlage erzählt die Geschichte eines Bauernjungen, der in die Fänge eines bösen Zaubermeisters gerät. Die Geschichte fällt nicht nur durch gruselige und dunkle Szenen, sondern auch durch ihre zahlreichen biblischen Anleihen auf.
Von PRO

Zwölf wissenshungrige Schüler hat der Zaubermeister um sich geschart. Sie alle unterrichtet er in der Macht der schwarzen Magie, liest ihnen aus seinem Glaubensbuch, dem „Koraktor“, vor und trägt ihnen gelegentlich sogar auf, neue Mitstreiter zu suchen. „Es gibt nur einen wahren Glauben“, teilt er seiner Folgschaft mit und meint damit die magischen Mächte, die er lehrt.

Ottfried Preußlers Roman „Krabat“ erzählt nicht nur die Geschichte des gleichnamigen armen Bauernjungen, der in den Wirren des 30-jährigen Krieges Vater und Mutter verloren hat und nun um jedes Stück Brot betteln muss, sondern auch die einer geheimnisvollen Mühle und seiner Einwohner, den Zauberlehrlingen und ihrem Meister, zu denen sich Krabat in der Not flüchtet. „Willst du nur das Müllern lernen, oder auch das Andere“, fragt ihn der düstere Meister gleich zu Beginn. Krabat will alles, und so tritt er seine kraftzehrende wie angsteinflößende Lehrzeit an, in der er nicht nur im Herstellen von Mehl unterrichtet wird, sondern vor allem den Umgang mit dunklen Mächten lernt.

Was dem Lehrling zunächst Spaß bereitet, wird nach und nach zum Alptraum. So erlebt er mit, wie ein düsterer Gevatter die Mühle in regelmäßigen Abständen heimsucht, um dort menschliche Knochen mahlen zu lassen, und einmal im Jahr wiederkehrt, um ein Menschenopfer vom Müller zu fordern. Um nicht zu altern, liefert Letzterer jährlich einen seiner Jünger aus, der dann an seiner Statt sterben muss. Früher oder später, so findet Krabat heraus, sind alle Lehrlinge unausweichlich dem Tode geweiht. Stirbt einer, sucht der Meister einen Nachfolger, der die Gruppe der zwölf Gesellen vollständig macht. Nur dann kann die Mühle wieder mahlen.

Krabats einziger Ausweg ist die Liebe

Als Krabat die Situation begreift, scheint es für ihn bereits zu spät zu sein. Ein Fluchtversuch aus seinem dunklen Gefängnis misslingt. Das einzige, so erfährt Krabat von einem Mitgesellen, was ihn und die anderen Schüler retten kann, ist die Liebe. Bittet ein Mädchen den jungen Mann beim Meister frei und beweist ihre Liebe zu ihm, so bleibt dem Müller nichts übrig, als ihn und die anderen gehen zu lassen.

Der Film „Krabat“ zählt mit 10,5 Millionen Euro Produktionskosten zu den aufwendigeren deutschen Filmprojekten, und das sieht man dem Werk von Regisseur Marco Kreuzpaintner an, etwa wenn die zwölf Zauberlehrlinge sich für ihre nächtlichen Ausflüge in Raben verwandeln, oder ihre Körper verlassen, um unsichtbar durch das Nachbardorf Schwarzkollm zu wandern. Was den Film hochwertig wirken lässt, sorgt aber auch dafür, dass er umso beängstigender wird, etwa wenn dem jungen Zauberlehrling in einer Szene Maden unter die Haut kriechen. „Kinder sind das beste und klügste Publikum, das man sich als Geschichtenerzähler wünschen kann“, sagte Preußler einst. Wie bei den Harry-Potter-Verfilmungen müssen sich die Zuschauer aber auch bei „Krabat“ fragen, ob der Film tatsächlich für Kinder ab 12 Jahren geeignet ist, oder sich der Nachwuchs nicht mit nächtlichen Alpträumen plagen könnte.

Neben dem kargen und gerade deshalb wirkungsvollen Hauptdrehort Rumänien sorgt vor allem die junge Schauspielriege um Daniel Brühl (Tonda), Robert Stadlober (Lyschko) und David Kross (Krabat) für die Glaubwürdigkeit des an eine Sage aus dem 17. Jahrhundert angelehnten Filmstoffs. Immer wieder gerne hört man die sonore Erzählstimme Otto Sanders, der als gealterter Krabat aus dem Off durch die Geschichte führt. Christian Redl, unter der Maske des alternden Müllers kaum zu erkennen, mimt den Bösewicht der Geschichte selbst dann glaubhaft, wenn er die Morde an seinen Lehrlingen hinterfragt und seiner Folgschaft entgegenschleudert: „Glaubt ihr, mir macht das Spaß?“, nur um einem seiner Schüler, den er gerade am Selbstmord gehindert hat, daraufhin ins Ohr zu flüstern: „Du stirbst dann, wenn ich es will.“

Am Ende der Preußler’schen Erzählung ist es einzig die Liebe, die Krabat rettet. So weigert er sich aus Mitgefühl seiner Nächsten einen anderen Schüler zu verraten und geht dabei in den vermeintlich sicheren Tod. Nur so wird es möglich, dass er sich nicht selbst aufgibt und seine Geliebte ihn letztlich vom Müller freibitten kann. Der Sieg der Liebe über die dunklen Mächte ist nicht die einzige biblische Anleihe, die Preußler macht. Der böse Müller tritt als eine Art negative Jesus-Figur auf, schart 12 Jünger um sich, liest aus dem Bibelgegenstück „Koraktor“. Er verbietet Krabat sogar das Tragen seines Kreuzes, weil es ihn schwach mache, und zwingt ihn dazu, es zu vergraben. In der Osternacht trägt er den Lehrlingen auf, an einem Ort zu übernachten, „an dem ein Mensch gewaltsam zu Tode gekommen ist“, und Regisseur Kreuzpaintner versteht es gekonnt, die von Krabat beobachtete Ostermette im Gegensatz zu seinem kalten Nachtlager warm und friedlich wirken zu lassen.

So treten christliche Bräuche im Film immer wieder in Gegensatz zu den üblen Machenschaften des Zaubermeisters. Seine Liebe trifft Krabat in der Osternacht, beobachtet sie beim Kreuzgang und identifiziert sie als „Kantorka“, die Vorsängerin des Kirchenchores. Als Lichtfigur steht sie den okkulten Praktiken des Zaubermeisters gegenüber, wischt ihrem Geliebten etwa das Pentagramm von der Stirn, das ihn als Zugehörigen der „Mühl-Bruderschaft“ ausweisen soll. Während die Gesellen in der kalten schwarzen Mühle im Kreis sitzen und in der dunklen Magie unterwiesen werden, lebt Kantorka im ärmlichen und zerfallenen, jedoch hell und warm wirkenden Schwarzkollm.

Klar hervorheben wollten weder Preußler noch die Filmemacher eine christliche Botschaft. So hilft hier gelegentlich auch schwarze Magie gegen den Zauber des Meisters. Und das vergrabene Kreuz, das Krabat sich für den Kampf gegen den Müller wiederholt, steht eher als Symbol für seine verlorene Kindheit, als für den christlichen Glauben. Dass es nicht Christus ist, der Krabat letztlich rettet, betont Preußler selbst, wenn er sagt: „Da gibt es nur einen Ausweg, den einzigen, den ich kenne: den festen Willen, sich davon frei zu machen, die Hilfe von treuen Freunden und jene Hilfe, die einem aus der Kraft der Liebe zuwächst, der Liebe, die stärker ist, als die Macht des Bösen und die Verlockungen dieser Welt.“

Erzählt wird hier nicht wie bei „Narnia“ eine Geschichte über die Kraft des Glaubens, sondern eine über die Verführung eines Jugendlichen und die Liebe, oder wie Preußler erklärt: „Es ist die Geschichte eines jungen Menschen, der sich mit finsteren Mächten einlässt, von denen er fasziniert ist, bis er erkennt, worauf er sich eingelassen hat. Es ist zugleich meine Geschichte, die Geschichte meiner Generation, und es ist die Geschichte aller jungen Leute, die mit der Macht und deren Verlockungen in Berührung kommen und sich darin verstricken.“ Film und Buch werden derzeit etwa von der „Stiftung lesen“ beworben. Unter anderem können sich Schüler ab der Klassenstufe 5 bei einem Kreativwettbewerb mit dem Stoff beschäftigen. Gerade bei dem Filmmaterial ist hier aber Vorsicht geboten. Zwar ist der Film von der FSK ab 12 Jahren freigegeben, dürfte aber für die meisten jungen Teenager schwer verdaulich sein. (PRO)

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