Neuer Film: Filmemacher Michael Moore wird demontiert

W a s h i n g to n (PRO) - Er hat das Genre des Dokumentarfilms für's Popcorn-Kino tauglich gemacht; er hat Präsident George W. Bush verhöhnt und gewann 2003 mit dem Amerika-kritischen "Bowling for Colombine" einen Oscar. Seine Methoden waren schon immer umstritten, nun wird die Kritik lauter: Zwei Filmemacher torpedieren Moore mit seinen eigenen Mitteln, sie demontieren ihn und seine Methode mit einem Film.
Von PRO

Die kanadische Filmemacherin Debbie Melnyk und ihr Ehemann Rick Caine waren politisch stets auf derselben Wellenlänge wie Michael Moore. „Wir sind gute Linke“, sagt Caine laut einem Bericht der „Frankfurt Allgemeinen Zeitung“ (F.A.Z.) vom Mittwoch. „Bisher sind wir mit einer Tüte Popcorn in den aktuellen Moore-Film gegangen, haben an den richtigen Stellen gelacht und sind an den richtigen Stellen sauer geworden. Denn wir wollten glauben, was Moore uns zeigt.“

Als sie jedoch den Moore-Film „Bowling for Columbine“ (2002) sahen, fielen ihnen mehrere Unsauberkeiten auf. Der Film stellt Amerikas Waffen-Kultur dar, während die Kanadier hingegen offenbar allesamt friedliebende Menschen sind, die keine Waffen brauchen. An einer Stelle heißt es in dem Film, dass kein Mensch in Toronto seine Haustür verriegele. Filmemacher Caine: „Ich dachte mir: So ein Quatsch!“

Peinliche Aufdeckungen für Filmemacher Moore

Michael Moore gab dem Antiamerikanismus vor allem in Deutschland neuen Zündstoff, von wo auch ein großer Teil der Produktionskosten von „Bowling for Columbine“ stammt. Besonders während des Irak-Kriegs galt hierzulande: Politisch kritisch ist, wer gegen Bush ist. Ansonsten ist die Grundaussage Moores meistens: Ich bin gut, die Macht ist böse. Dabei verdreht er durch geschicktes Schneiden die Fakten, lässt unpassende Details einfach weg, finden die kanadischen Filmautoren. In seinem Erstlingswerk „Roger & Me“ lauerte Moore mit seiner Kamera dem Chef von General Motors, Roger Smith, auf, um von ihm zu erfahren, warum er Werke schließe und Mitarbeiter entlassen müsse. Angeblich verweigerte er Moore jedes Interview. Was nicht stimmt: Smith stellte sich nicht nur bei einer Aktionärsversammlung Moores Fragen, er gewährte ihm auch im New Yorker Waldorf Astoria Hotel ein fünfzehnminütiges Einzelgespräch, wie Melnyk und Caine herausfanden. Doch Moore sagte davon in seinem Film nichts. Stattdessen steht auf dem Filmplakat ein Mikrofon vor einem leeren Chef-Sessel.

Zweieinhalb Jahre reisten Melnyk und Caine für ihre Recherche durch die USA. Entstanden ist eine Demontage Moores. Debbie Melnyk: „Uns schockierte, wie viel wir entdeckten, wovon wir ebenso wenig wussten wie Moores Publikum.“ Der Titel ihres Film lautet „Manufacturing Dissent“ („Die Herstellung von Unstimmigkeit“), eine Anspielung auf das Buch von Noam Chomsky und Edward Herman, „Manufacturing Consent“. Am 5. Mai läuft er auf dem Internationalen Dokumentarfilmfestival in München.

Der Streifen ist auch deshalb peinlich für Moore, weil sich hier das Idol auf einmal genauso verhält wie einst die von ihm gequälten Interview-Partner. Melnyk und Caine bedienten sich der gleichen Methoden wie Michael Moore, so die F.A.Z.: „Sie fälschten Visitenkarten. Sie ließen die Kamera weiterlaufen, während der aggressive Security Guard glaubte, sie sei ausgeschaltet. Sie gaben sich als Fans aus, als politisch interessierte Bürger, um auf Veranstaltungen zu gelangen. Und sie konfrontierten Michael Moore immer wieder mit dem Wunsch nach einem Interview, den er ihnen regelmäßig, vor laufender Kamera, abschlägt. Keine Zeit, zu viel zu tun, vielleicht später.“ Melnyk und Caine wurden gehindert, eine Diskussion mitzuschneiden, sie wurden bei einer Veranstaltung an der Kent State University des Saals verwiesen, und als sie Moore doch ins Auge blicken und um ein Interview bitten, flüchtet er, als Melnyk zur Kamera greift. Längst läuft der 53-jährige Moore nicht mehr wie ein ahnungsloser Trucker mit Baseball-Kappe und kariertem Hemd herum, sondern trägt feine Anzüge, lebt nicht mehr in Flint, Michigan, sondern im teuren New York.

„Borat“ für Linke

Der britische „Guardian“ bezeichnete Moore einmal als einen „Komiker und Doku-Filmer“; die „Times“ nannte seine Methode „Politainment“; er selbst bezeichnete sich einmal als „Clown“. Ein Clown, der sich in der großen Politik betätigt. „Borat“ war dann nur die konsequente Weiterführung: Auch Sascha Baron Cohen verulkt seine Interview-Partner, ohne dass sie es merken. Nur geht es bei „Borat“ nicht um Entlassungen, um den Irak-Krieg oder um Waffengesetze.

Der Film von Melnyk und Caine deckt auf, wie Moore in seinen Filmen bewusst und um des Effektes willen Fakten verdreht oder weggelassen hat. „Ich biete jedem, der einen Fehler in meinem Film findet, eine Summe von 10.000 Dollar“, kündigte Moore vor dem Start seines Films „Fahrenheit 9/11“ an. Dass Melnyk und Caine mit Moore über dieses Versprechen werden reden können, ist fraglich. Schon einmal listete ein amerikanischer Autor namens David Kopel 59 Lügen und Ungereimtheiten in Moores Film auf. Er bekam keinen Cent.

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