„Ich erlebe Gott im Schauen auf Jesus und in der Größe und Schönheit des Weltalls“

Am 10. April 2019 blickte die Menschheit erstmals auf eine tatsächliche Abbildung eines Schwarzen Lochs. Maßgeblich daran beteiligt war Heino Falcke, Radioastronom, Kölner und überzeugter Christ. In einem Buch hat Falcke nun aufgeschrieben, wie und warum er Astronom wurde, wie es zu dem Bild kam und warum jedes Forschen auch irgendwie eine Suche ist: nach Gott und einem Sinn im Ganzen.
Von Jörn Schumacher
Das Buch „Licht im Dunkeln“ des gläubigen Astronomen Heino Falcke handelt von der Entstehung des ersten Bildes von einem Schwarzen Loch – und vom Glauben an einen Gott, der offenbar Ordnung mitten im Chaos schuf

An fünf Orte auf der Welt wurde diese bedeutende Pressekonferenz übertragen: nach Washington, Tokio, Santiago de Chile, Shanghai und Taipeh sowie übers Internet auf Monitore in vielen Haushalten und Redaktionsstuben. Das passiert so nicht bei jeder gewöhnlichen Entdeckung in der Wissenschaft. Bis zuletzt hatten alle Mitarbeiter im Team um Heino Falcke von der LIGO/Virgo-Kollaboration dicht gehalten. Und so konnte der Rheinländer vor einem Weltpublikum jenen Satz aussprechen, auf den er 20 Jahre hin gearbeitet hatte: „Dies ist das erste Bild eines Schwarzen Lochs.“ Es ist 55 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt und befindet sich im Zentrum der Galaxie M87. Falcke berichtet in seinem Buch: „Im Saal brandet spontaner Applaus auf. Von mir fällt die ganze Anstrengung der letzten Jahre ab. Ich fühle mich frei – endlich ist das Geheimnis gelüftet!“

Der Professor an der Radboud Universität in Nimwegen erinnert sich: „Weltweit berichten alle führenden Tageszeitungen und Wochenmagazine von diesem einmaligen Ereignis der Wissenschafts- und Menschheitsgeschichte. Hauptnachrichten im Fernsehen zeigen es, die sozialen Medien glühen.“ Das Bild wird zum Internet-Meme, in Katzenbilder montiert, und die Suchmaschine Google setzt es als „Google Doodle“ des Tages auf seine Startseite.

Am Folgetag machten die meisten Tageszeitungen mit eben jenem historischen Foto auf. Ab jetzt kann niemand mehr ernsthaft daran zweifeln, dass es diese in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlichen Himmelskörper wirklich gibt. Falckes Buch „Licht im Dunkeln“ ist nicht nur für jene interessant, die angesichts dieses beeindruckenden radioastronomischen Bildes viele Fragen zum technischen Know-how haben. Falcke beantwortet sie alle, er nimmt den Leser mit auf die Reisen zu den entlegenen Radioantennen, und auch zu den Aufs und Abs seiner Gefühlswelt während dieser anstrengenden Jahre. Man kann sich danach ungefähr vorstellen, wie sich ein Astronom am Ende dieser Reise fühlt: „Das Bild ist wie eine ferne Geliebte, auf die ich jahrzehntelang gewartet habe und die mir bisher nur durch unsere regen Briefwechsel nahe ist.“

Der Leser ist dabei, wie Falcke nach einem Flug nervös in einem Zugabteil seinen Laptop aufschlägt und mit schwitzigen Händen die Bild-Datei das erste Mal öffnet. Das Buch ist trotz der manchmal komplexen Materie gut verständlich zu lesen, ein Interesse an Astronomie sollte der Leser allerdings mitbringen. Wer sich auf diese Reise Falckes einlässt, für den entpuppt sich das Buch als physikalisch-philosophische Offenbarung mit einem Tiefgang und einer Ehrlichkeit, wie man sie bei ähnlicher Literatur im christlichen Bereich schon etwas länger suchen muss.

Für Astro-Nerds und solche, die es werden wollen

Schon die Entstehung des Bildes selbst sprengt so manche Rekorde: aufgenommen von einem weltumspannenden Netz aus mehreren Radioteleskopen, die zusammenarbeiten. Ein Buch auch für Nerds und solche, die es werden wollen. In tagebuchartigen Kapiteln bekommt man Einblick in das Leben eines Radioastronomen, von Chipstüten, die sich in der hohen Bergluft aufblähen, bis hin zu Filmmusik, die während der langsamen Drehung eines Teleskops automatisch abgespielt wird. „Das Leben auf einer Sternwarte bekommt tatsächlich etwas Klösterliches und Meditatives“, schreibt Falcke. „Diese Zeit auf dem Berg, in der das Leben einfach und man dem Himmel näher ist, genieße ich.“

Der Astronom streut wie selbstverständlich Verse aus der Bibel ein, in denen ebenfalls die Faszination für die unermessliche Natur und für deren Schöpfer zum Ausdruck kommen. „Die Genesis beschreibt eine höchst rationale, entzauberte Welt“, stellt Falcke fest, der als Prädikant der Rheinischen Landeskirche taufen, trauen, predigen und beerdigen darf. „Die Natur hat in der jüdisch-christlichen Wertvorstellung nichts Übersinnliches. Sie geht zurück auf einen einzigen Gott, der Schöpfer und Urgrund aller Dinge ist, der immer war, immer ist und immer sein wird. In dieser Vorstellung entdecken wir schon eine wichtige Grundlage moderner Naturwissenschaft, nämlich die Verlässlichkeit der Prinzipien, die der Natur zugrunde liegen. Erst mit dieser Annahme macht Naturwissenschaft überhaupt Sinn.“ Immer wieder ertappt man sich beim Lesen bei der ketzerischen Frage: Wie kann man eigentlich Astronomie betreiben, ohne religiös zu sein?

Zwar lese man immer wieder, Glaube und Wissenschaft befänden sich in einem ewigen Konflikt, so Falcke, „aber dies ist ein Mythos, den das Zeitalter der Säkularisierung seit dem 19. Jahrhundert nur allzu gern propagiert. Historiker sehen dies heute sehr viel differenzierter.“ Wissen sei im Mittelalter vor allem in den Klöstern betrieben worden, „viele bedeutende Wissenschaftler waren theologisch geschult und tiefgläubig und standen oft im Dienst der Kirche“, schreibt Falcke, der mit dem „Spinozapreis“ die höchste wissenschaftliche Auszeichnung der Niederlande erhielt, und er nennt als Beispiele Isaac Newton, Nikolaus Kopernikus, Johannes Kepler und Max Planck.

Eigentlich ist es ja eine Ironie: In der Astronomie geht es doch um Licht, das man mit Teleskopen auffängt. Schwarze Löcher hingegen sind da eine besondere Herausforderung, denn sie geben eben nicht sonderlich viel von sich preis. Das Erste, was in der biblischen Schöpfungsgeschichte entstand, war das Licht, und auch in der naturwissenschaftlichen Erklärung stehe am Anfang der Zeit Licht, schreibt der Physiker. Der Buchtitel „Licht ins Dunkel“ spiegelt wider, dass das Thema bei Falcke sowohl naturwissenschaftlich als auch theologisch eine größere Rolle spielt. Falcke, der Mitglied der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften ist, stellt fest: „Ein Universum ohne Licht würde insofern gar nicht existieren. Raum und Zeit, Materie und Sinne – sie alle sind im Grunde nichts ohne das Licht.“

Und auf der anderen Seite stellen Schwarze Löcher geradezu den Gegenentwurf zum Licht dar. Falcke bringt sie gar in Zusammenhang mit dem Tod und der Hölle. „Der biologische Tod bedeutet für uns das Überschreiten einer Grenze: Vom Hier und Jetzt treten wir über in ein Jenseits, von dem wir nichts wissen können – nicht einmal, ob es überhaupt existiert.“ Und bei der Präsentation des Bildes im April 2019 schloss Falcke seinen Vortrag mit der Bemerkung: „Es fühlt sich an, als ob wir auf das Tor zur Hölle schauen.“ Und tatsächlich: Wer in ein Schwarzes Loch hineingeraten würde, käme nie wieder heraus. Quantenphysikalisch gesehen gingen in diesem Moment zudem alle Informationen eines Dings verloren. Und die Lebensdauer eines Schwarzen Lochs, rechnet der Astronom vor, kommt dem Begriff „Ewigkeit“ tatsächlich sehr nahe.

„Atheismus ist eine legitime Überzeugung, wissenschaftlich begründen lässt sie sich nicht“

Falcke schlägt den Bogen noch weiter und geht ein Problem der Philosophie an. Im Universum nimmt die Entropie, also die Unordnung, immer weiter zu. Wo aber Materie ist, wo Struktur und Ordnung herrscht, da ist auch Information. „Die Konzepte von Licht und Zeit, Wissen und Unwissen, Zufall und Vorherbestimmtheit hängen eng miteinander zusammen“, schreibt der Physiker. Es scheint fast so, als seien die Schwarzen Löcher die Müllschlucker im Universum, die alles Sein vernichten.

Im vierten und letzten Teil von Falckes Buch („Jenseits der Grenzen“), der philosophisch der interessanteste, aber auch anspruchsvollste ist, wird deutlich: Schwarze Löcher saugen die Information im Universum sozusagen auf. Das „Interessante“ am Universum sind aber gerade die Dinge darin, und die gibt es nur, weil sie sich vom Chaos unterscheiden – sie enthalten Information, sie sind Information. Und so könnte man weiterspinnen: Information ist immer eine Botschaft. Und wenn es eine Botschaft gibt, sollte es doch auch einen Sender geben, oder?

Zum Glück kann man der Entropie mit Energie entgegenwirken. Falcke: „Mit etwas Energie kann ich das Kinderzimmer aufräumen, mit etwas Energie kann ich ein Buch schreiben – zulasten der Gesamtenergie des Universums.“ Die große Frage ist nur: Woher kommt all diese Ursprungsenergie? „Dies bleibt eines der großen Geheimnisse unseres Universums.“ Vielleicht wurden wir ja erschaffen als Menschen mit eigenem Willen, um aus Chaos der Entropie entgegenwirkend etwas (nämlich Ordnung) zu schaffen? Eine Grundvoraussetzung für dieses – von Gott gewollte – kreative Verhalten wäre aber ein Mensch, der einen freien Willen besitzt. Ein Konstrukt, dem viele Wissenschaftler und Philosophen immer noch skeptisch gegenüberstehen. Aber das Gegenkonstrukt, der Determinismus eines riesigen Uhrwerkes, das ohne Wenn und Aber vom Anbeginn der Zeit bis zum Stillstand abläuft, erscheint mindestens ebenso absurd. Die Quantenphysik scheint diesem Gedanken ohnehin Grenzen zu setzen. Falcke stellt klar: „Der Determinismus ist das rosa Einhorn der Physiker: Es ist in ihren Träumen faszinierend, aber in der Wirklichkeit nicht existent.“

Für Falcke ist klar, dass Forscher immer mehr religiöse, philosophische und theologische Fragen aus den Naturwissenschaften ausgeschlossen hätten. Dies ging mit einem Emanzipationsprozess der Wissenschaft vom Diktat der Kirchen und Philosophen einher, schreibt Falcke. „Das heißt aber nicht, dass man diese Frage grundsätzlich ausklammern sollte.“ Der Astronom ist vielmehr der Meinung: „Atheismus ist eine legitime Überzeugung, wissenschaftlich begründen lässt sie sich nicht.“

Glauben und Wissenschaft „wie der Wettlauf zwischen Hase und Igel“

Gerade Schwarze Löcher zeigten Grenzen der Erkenntnis auf, und für Falcke steht fest: „Wer es wagt, über die Grenzen der Physik hinaus zu fragen, kommt an Gott nicht vorbei“, und weiter: „Eine gänzlich gottlose Physik ist nicht möglich, wenn man wirklich bis an die Grenze menschlichen Erkennens fragt – und über diese Grenze dann hinausgeht.“ Jeder Mensch trage die „großen Fragen“ nach dem Woher, Wohin und Warum mit sich herum. „Religion, Philosophie und Wissenschaft spielen bei dieser Suche ihre eigenen Rollen. Schwierig wird es, wenn eine Disziplin die ganze Weltdeutung für sich allein beansprucht.“ Anders ausgedrückt: Wir haben die Spielregeln des Alls besser verstanden, aber woher das Spiel und die Regeln kommen, haben wir nicht beantwortet.

Die Diskussion zwischen Glauben und Wissenschaft komme ihm vor wie der Wettlauf zwischen Hase und Igel, so Falcke: „Der Hase namens Wissenschaft macht sich über die krummen Beine seines Gegners lustig und rennt fleißig seine Wege hin und her, nur um festzustellen, dass Gott wie der gewitzte Igel ist – und immer schon vorher da war.“ Und wenn es um Gott gehe, komme er ohne einen Verweis auf eine Beziehung nicht aus, denn auch die Bibel zeuge von vielen Begegnungen und Geschichten von und mit Gott. „Die Frage, ob ich geliebt werde oder was ich wert bin, erschließt mir die Sprache der Mathematik nicht.“

Warum sollte eigentlich ein hartgesottener atheistischer Naturwissenschaftler davon ausgehen können, dass beim Urknall von selbst aus dem Nichts Materie, Naturgesetze und Menschen mit Bewusstsein entstehen konnten, oder dass es Multiversen geben könnte, oder dass die ganze Welt eine einzige große Computersimulation sein könne – den Gedanken an einen Schöpfer-Gott lehnte er als unvernünftig ab? Falcke: „Der Gedanke, Gott als Person zu beschreiben, dürfte agnostische oder atheistische Physiker an mir zweifeln lassen, aber der Gedanke ist weniger befremdlich, als man vielleicht meint.“

Er selbst bekennt am Schluss des Buches, dass er Gott „allein im Gebet, im Feiern der Gemeinschaft, im Schauen auf Jesus und in der Größe und Schönheit des Weltalls“ sehen könne: „Wenn ich ins All aufschaue, dann schaue ich (…) auf das, was dahinter liegt. Die Physik erschließt mir neue Wunder; sie nimmt mir aber nicht den Glauben, sondern erweitert und vertieft ihn. Schaue ich auf den Menschen Jesus Christus, entdecke ich die menschliche Seite von Schöpfung und Schöpfer. So finde ich für mich einen Gott, der Anfang und Ende umfasst, dem ich nichts mehr beweisen muss und nichts mehr beweisen kann und bei dem ich jetzt schon zu Hause bin.“ Ein wertvolles Buch, das „Licht ins Dunkel“ bringt, sowohl was das Verständnis von Schwarzen Löchern angeht, als auch die Suche nach Gott.

Heino Falcke, Jörg Römer: „Licht im Dunkeln. Schwarze Löcher, das Universum und wir“, Klett-Cotta, 384 Seiten, 24 Euro, ISBN: 9783608983555

Von: Jörn Schumacher

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