Papst-Buch: Die Angst vor dem leeren Akku

Der Mensch sollte in all den Sozialen Netzwerken nicht sein unmittelbares soziales Netzwerk, die eigene Familie, vergessen. Diese und andere Betrachtungen von Papst Franziskus erfährt der Leser im Buch „Gott ist jung“, in dem ein Gespräch zwischen ihm und einem italienischen Journalisten wiedergegeben ist. Eine Rezension von Jörn Schumacher
Von Jörn Schumacher
Das Buch „Gott ist jung“ gibt ein Gespräch von Papst Franziskus und einem italienischen Journalisten wieder

Papst Franziskus hat am Montag erstmals hunderte Jugendliche in den Vatikan eingeladen, damit sie bei der Vorbereitung der Bischofssynode im Herbst in Rom helfen können. Die Synode im Oktober steht unter dem Motto „Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsentscheidung“. Passend dazu erschien einen Tag später das Buch „Gott ist jung“, in dem ein Gespräch des 81-jährigen Oberhauptes der katholischen Kirche mit dem italienischen Journalisten Thomas Leoncini wiedergegeben ist. Das Buch erscheint in zehn Sprachen.

Franziskus setzt darin den Fokus auf die Jugendlichen. Der Titel des Buches gibt seine Auffassung wieder, dass die jungen Leute, „die im großen Stile ‚Weggeworfenen‘“, in Wirklichkeit „aus dem gleichen Teig“ wie Gott seien. Ihre besten Eigenschaften seien die Gottes, sagt Franziskus und ergänzt, Gott sei nicht nur Vater, sondern auch Sohn und damit auch Bruder. „Er holt (junge Menschen) aus dem Abseits, in das sie verbannt worden sind, und zeigt sie als die Protagonisten der Gegenwart und der Zukunft. Unser aller Geschichte.“

Franziskus will die Begriffe „alt“ und „jung“ nicht bewerten oder gegeneinander aufwiegen. „Alt zu sein, sollte uns glücklich und stolz machen, so wie wir gemeinhin stolz darauf sind, jung zu sein.“ Aber: „Über die Jungen zu sprechen, bedeutet, über Verheißungen zu sprechen, und es bedeutet, über die Freude zu sprechen.“ In der Pubertät suchten die Jugendlichen die Konfrontation, „stellen Fragen, diskutieren über alles, suchen Antworten“. Ihm liege daran, zu betonen, wie wichtig dieses Infragestellen sei.

Er selbst habe in seiner Jugend unter den Schmerzen dreier Zysten gelitten, so dass ihm im Alter von 20 Jahren ein Teil seiner Lunge entfernt werden musste, erinnert sich Franziskus. Dennoch resümiert er über jene Zeit: „Ich war voller Träume und Wünsche.“ Mit 17 habe er seine „erste intensive Begegnung mit Gott“ gehabt, erzählt er. Im September 1953 habe er das offenstehende Portal einer Kirche gesehen, und es habe ihn etwas gedrängt, hineinzugehen. Einem dort anwesenden Priester legte er die Beichte ab. „Ich weiß nicht, was genau in diesen Minuten geschehen ist, aber was auch immer es war, es hat mein gesamtes Leben für immer verändert“, erzählt Franziskus. Sehr bald danach wusste er, dass er Priester werden wollte.

„Internet besteht aus Nichtorten“

Im Gespräch kritisiert der Papst eine nur am Konsum ausgerichteten Gesellschaft, die sich eine Art „Einwegprinzip“ zur Gewohnheit gemacht habe. „Man benutzt etwas mit dem Wissen, dass man es nach einmaligem Gebrauch entsorgen wird.“ Das treffe oft auch auf den Umgang mit Menschen zu. In manchen Statements tritt die Weltsicht zutage, für die Papst Franziskus bekannt ist, etwa: „Ich bin zudem fest von der Notwendigkeit überzeugt, als Kirche Bescheidenheit vorzuleben: Die Männer und Frauen der Kirche sollten sich nur mit dem bekleiden, was der Erfahrung des Glaubens und der Barmherzigkeit des Volkes Gottes dient, und alles Überflüssige ablegen.“

Ihm mache der Trend unter Jugendlichen Sorge, sich ästhetisch-plastischer Chirurgie anzuvertrauen. Sie entmenschliche die Schönheit des Menschen und lasse ihn „wie alle anderen“ aussehen. „Warum nur wollen wir einer Norm entsprechen? Warum lieben wir uns nicht, wie Gott uns erschaffen hat?“ Auch der Stil des Internets neige zur „Gasförmigkeit“: „Produziert nicht etwa auch die Mode fortwährend insektengleiche ‚Schwärme‘?“ Das Internet bestehe aus „Nichtorten, wo jeder nach Belieben untertauchen, sich davonschleichen, zurückkehren kann, wo alle einzig und allein ihre persönlichen Interessen verfolgen, die nur minimal mit denen der anderen übereinstimmen, wo es keine Hierarchie und keine Gemeinsamkeit gibt, sondern nur flüchtige Begleitung“.

Die Familie bilde die „Wurzeln“, die einem im Leben Halt geben. „Heute sieht es auf den ersten Blick so aus, als würden uns die sozialen Netze eben diese Verbindungsmöglichkeit mit den anderen bieten; das Internet gibt den Jugendlichen das Gefühl, Teil einer einzigen großen Gruppe zu sein. Doch das Problem des Internets ist die Virtualität: Das Netz lässt die Jugendlichen in der Luft hängen und macht sie daher extrem flatterhaft.“

Seiner Beobachtung nach hätten Jugendliche heute „ständig Angst, plötzlich mit leerem Akku in ihrem Smartphone dazustehen. Denn das bedeutet, aus der Welt zu sein, ausgeschlossen von sämtlichen Verbindungen, von den ‚Gelegenheiten‘ des Ladentischs des Konsums“. Dabei liege die „wahre Gefahr“ darin, dass die Dinge, die man nicht kaufen kann, verkümmern.

Zum Thema Flüchtlinge erklärte Papst Franziskus: „Wir dürfen uns nicht fragen, warum diese Menschen hierherkommen, ob sie vor einem Krieg flüchten, ob wir an ihrer Stelle dasselbe getan hätten.“ Er denke beim Thema Flüchtlinge oft an seinen eigenen Vater, der ebenfalls geflüchtet sei. „Und dann stelle ich mir die Frage: Warum sie und nicht ich?“ Er fügt hinzu: „Wenn Gott uns die Möglichkeit zu einem besseren Leben geschenkt hat, warum danken wir ihm dann nicht und versuchen nicht, uns in die Lage dessen zu versetzen, der weniger Glück hat als wir?“

Papst Franziskus: „Gott ist jung. Ein Gespräch mit Thomas Leoncini“, Herder, 144 Seiten, 16 Euro, ISBN: 978-3-451-38276-5

Von: Jörn Schumacher

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