Das Evangelium nach U2

Für die einen ist der Mann mit der riesigen Sonnenbrille eine Nervensäge, weil er überall zur Rettung der Welt aufruft. Für die anderen ist er einer der begabtesten Rockmusiker unserer Zeit, voller Geist und übersprühenden Ideen. Ein neues Buch beleuchtet den christlichen Hintergrund von Bono und den restlichen Mitgliedern einer der erfolgreichsten Bands der Welt: U2.
Von PRO

"The Gospel According to U2" (Das Evangelium nach U2) ist ein passender Titel des neuen Buches von Greg Garrett. Hierin spürt der amerikanische Pastor und Songwriter nicht nur dem Glaubensweg von Bono Vox und seinen drei Mitstreitern nach, sondern entwickelt geradezu eine eigene Theologie, basierend auf den Liedtexten der Iren.

Garrett ist nicht der Erste, der die Glaubensansichten von U2 in einem Buch zusammenzufassen versuchte. Bereits vor sieben Jahren schrieb Steve Stockman mit "Walk on: Die geistliche Reise von U2" (Asaph Verlag) eine christliche Sichtweise auf die erfolgreiche Band. Und der Leadsänger selbst, Bono, der eigentlich Paul Hewson heißt, schrieb 2007 in seinem Buch "On The Move" über seinen Glauben und sein Engagement für die Armen dieser Welt.

Garrett traf U2 schon in den 80er Jahren als Journalist eines Musikmagazins. Seitdem hat ihn die Band mit ihrer mitreißenden Musik und den tiefgehenden Texten nicht mehr losgelassen, schreibt er. Vor jedem Kapitel hat er dem Leser eine Liste mit U2-Songs bereitgestellt, die er sich vorher anhören sollte.

Viele Liedzeilen von U2 bieten sich an, sie christlich zu interpretieren, wie etwa "Looking for to save my save my soul / Looking in the places where no flowers grow / Looking for to fill that God shaped hole" ("Mofo") oder "Love, Lift me up from out of these blues / Won’t you tell me something true / I believe in you" ("Elevation"). Andere Lieder sprechen ganz offen von der Bibel oder vom Glauben, und oft geht es um Gerechtigkeit, Frieden und Liebe. Garrett sagt etwa über einen U2-Klassiker wie "Still Haven’t Found What I’m Looking For", er drücke keineswegs Zweifel aus, sondern die "Quintessenz des Glaubens": die Suche nach Gott als höherem Wesen, das nie ganz verstehbar ist, solange es sich nicht selbst offenbart. Und so sieht Garrett die Band U2: auf einer langen Reise, immer auf der Suche nach Gottes Liebe und Weisheit.

Einst Mitglieder einer charismatischen Gemeinde

Elysa Gardner vom Magazin "Rolling Stone" schrieb, als sie U2 zum ersten Mal hörte, es seien offenbar "religiöse Freaks" aus Irland. Jason Byassee schrieb in "Christian Century": "Die Mitglieder von U2 sind echte Theologen, die die Schrift in sich aufgenommen haben und sie in ihren Songs wiedergeben." Für amerikanische Christen, schreibt Garrett, sei es immer wichtig gewesen, zu unterscheiden: ist diese oder jene Band nun christlich oder nicht? Sind die Mitglieder Christen, kann man sie getrost hören. Wenn nicht, sollte man Abstand von ihnen halten. "Immer wenn Bono das ‚F-Wort‘ in der Öffentlichkeit sagte, immer wenn die Band in Nachtclubs zu sehen war, oder wenn die Musik von U2 in den 90er Jahren die Kultur zu preisen schien, die sie früher gemieden hatte, dann wuchsen die Zweifel unter den Studenten: Wie kann U2 christlich sein, wenn sie sich so verhalten?"

Bono, The Edge (David Howell Evans ) und Larry Mullen Junior gehörten einst einer charismatischen Gemeinde in Dublin namens "Shalom" an. Doch die Gemeindeleiter hatten ihre Schwierigkeiten damit, dass die Musiker die Absicht hatten, irgendwann "die größte Band der Welt" zu werden. Das war mit der Bibel in ihren Augen nicht vereinbar. Und so verließen die drei die Gemeinde "und ließen die organisierte Religion hinter sich", wie Garrett schreibt. Seitdem fragen viele Kritiker: Wie können die Bandmitglieder Christen sein, wenn sie keiner offiziellen Kirche angehören? Auch dieser Frage, wie U2 zu Kirchen oder zu Religion stehen, widmete Garrett ein Kapitel.

"Vielleicht sieht U2 nicht wie eine typische christliche Band aus und klingt auch nicht so. Aber was könnte christlicher sein als das, was sie tun und produzieren?", fragt der Autor. Weil die Band "die Schönheit und die Wahrheit" vermittele, könne man durch sie etwas über die Schöpfung und schließlich über den Schöpfer lernen. Außerdem habe U2 viel Geld für notleidende Menschen gespendet, für die Opfer des Wirbelsturms Katrina etwa, oder für Hungernde in Afrika, und viele Menschen seien von U2 animiert worden, ebenfalls zu spenden. "U2 wurden zu einem wichtigen Teil meiner geistlichen Reise", sagt der langjährige Fan Garrett jedenfalls über sich.

Die Botschaft sucht sich immer einen Weg über das aktuelle Medium

Der Autor geht auch auf die (zahlreichen) Zweifel ein, dass eine so erfolgreiche Band wie U2 Christen etwas sagen könne. "Die zeitgenössische Pop-Kultur – Filme, Musik, Videospiele, Fernsehshows und andere Medien, die Geschichten erzählen – ist für viele Menschen etwas geworden, in dem sie Bedeutung für ihr Leben suchen und auch finden. Ich selbst habe auch schon heilige Momente in Kinosälen oder in Konzerthallen erlebt", schreibt Garrett. Viele Menschen verweigerten sich der Idee, dass Christen ihre Botschaft heutzutage über "iPods und X-Boxes" transportieren. Letztenendes gehe es beim Glauben aber um eine Botschaft, und die suche sich immer den Weg der aktuell gängigen Medien.

Garrett gibt zahlreiche Beispiele von U2-Liedern, die am besten als Gebet verstanden werden können, wie etwa "Gloria", "Rejoice", "Yahweh" oder "40", das sich auf Psalm 40 bezieht. Garrett geht in einem Nachwort auch auf das allerneueste U2-Album "No Line On The Horizon" ein. Bono selbst sagte über das Lied "If God Will Send His Angels", es handle vom "stummen Ärger, den die Welt hat, und dass Gott nicht eingreift". Das ganze Album "Pop" sei jedoch insgesamt ein "Schreien zu Gott": "Auf diesem Album gibt es viel Argumentieren mit Gott (…) Aber das heißt nicht, dass ich meinen Glauben verloren habe. Wenn man immer wieder damit ankommt, dass man jemanden nicht mag, dann zeugt das nur von besonderer Leidenschaft. Man kann nicht mit Gott streiten, wenn man gar nicht an ihn glaubt."

Bono sagte einmal, dass er immer dort sein wolle, "wo der Geist weht" und dass er sich den Geist Gottes stets als weiblich vorstelle. Als der Song "New Year’s Day" aufgenommen worden sei, sei der Text nahezu spontan vor dem Mikrofon entstanden. "Es war wie Zungenreden, ‚Öffne meine Lippen, und mein Mund soll dich loben’", berichtet Bono."Wir waren wie Quäker, die herumsitzen, bis der Geist sie bewegt." 

Am Ende seines Buches fasst Garrett "zehn geistliche Lehren, die wir von U2 lernen können", zusammen und macht sie exemplarisch an U2-Liedern fest. Einige dieser "Lehren" lauten: Das Leben ist eine Reise, und der Glaube bedeutet, niemals aufzuhören, Gott zu suchen. Wir sind dafür gemacht, dass wir uns gegenseitig helfen. Wir alle suchen "Erhöhung" ("Elevation") – die meisten finden sie im Geist. Und vor allem: Riskiere alles im Namen der Liebe. (PRO)

Greg Garrett: "We get to carry each other, The Gospel according to U2", bisher nur auf Englisch im im christlichen Verlag "Westminster John Knox Press" erschienen. 176 Seiten, 16,95 Dollar, ISBN-10: 0664232175

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