Schirrmacher: Evangelikale kämpfen gegen Rassismus

Mit seinem neuen Buch "Rassismus" will der evangelikale Wissenschaftler und Autor Thomas Schirrmacher mit Vorurteilen aufräumen – das sei auch heute noch wichtig. Außerdem ist er überzeugt: Evangelikale haben sich immer vehement gegen Rassismus gewehrt.
Von PRO

Der Kern des Rassismus ist das „Anderssein“, schreibt Schirrmacher, und der Glaube daran, dass dieses Anderssein Menschen über- oder unterlegen macht. Dennoch wird bei der Lektüre seines Werkes schnell klar: Rassismus ist biologisch gesehen Unsinn: „Die Ergebnisse der modernen Genetik haben einwandfrei bewiesen, dass es keine unterschiedlichen Menschenrassen gibt, sondern nur eine Spezies Mensch.“ Auch biblisch begründet Schirrmacher mit Hilfe des Jakobus-Kapitels im Neuen Testament, selbst „ein erwiesener Unterschied menschlicher Rassen würde nichts über die allen gleiche Würde des Menschen aussagen“.

So heiße es dort: „Wenn ihr wirklich das königliche Gesetz ‚Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst‘ nach der Schrift erfüllt, so tut ihr recht. Wenn ihr aber die Person anseht, so .. werdet vom Gesetz als Übertreter überführt.“ In der Charta der Vereinten Nationen sei nach christlicher Tradition festgehalten: „Alle Menschen gehören einer einzigen Art an und stammen von gemeinsamen Vorfahren ab. Sie sind gleich an Würde und Rechten geboren und bilden gemeinsam die Menschheit.“

Evangelikale forderten Abschaffung der Sklaverei

Gegenüber dem Christlichen Medienmagazin pro betont der Autor den positiven Zusammenhang zwischen Rassismusbekämpfung und der evangelikalen Bewegung: „Mit dem Wort ‚evangelicals‘ wurde erstmals eine Bewegung in Großbritannien benannt, die die Abschaffung des Sklavenhandels und der Sklaverei forderte und dies schließlich auch erreichte. Evangelikale spielten eine zentrale Rolle in der Antisklavereibewegung in den USA, etwa die freikirchlichen Quäker und Methodisten. Am bekanntesten ist da der evangelikale Klassiker ‚Onkel Tom’s Hütte‘. Ich zitiere in meinem Buch einen Historiker, der aufzeigt, dass der Rassismus in Frankreich und Deutschland viel größere Chancen hatte, weil es dort kaum Evangelikale gab. In Indien hat William Carey – manche sehen den britischen Missionar und Sprachforscher als Kirchenvater der Evangelikalen – im 18. Jahrhundert den durch das Kastenwesen vorgegebenen Rassismus in den christlichen Kirchen bekämpft.“

Heutzutage sorge auch die Internationalität der evangelikalen Bewegung dafür, dass der Rassismus keine Chancen habe. „Ich habe in meinem evangelikalen Umfeld von klein auf Indonesier, Kenianer und Lateinamerikaner als Vorbilder kennengelernt, da hatte der Rassismus ausgedient, bevor ich ihn auf dem Schulhof kennenlernte. Und die Weltweite Evangelische Allianz hat wiederholt deutlich gegen jede Form von Rassismus Stellung bezogen“, sagte Schirrmacher. „Und in der Gegenwart wüsste ich wirklich nicht, wo Rassismus in evangelikalen Gemeinden eine Heimat finden sollte. Wir sind es längst gewohnt, Bücher von Autoren aller Erdteile zu lesen, führende Geistliche aller Kulturen als Vorbilder zu nehmen und Menschen aller Kulturen und Ethnien willkommen zu heißen. Da der größere Teil der evangelikalen Bewegung aus Asien, Afrika und Lateinamerika kommt, geben sie in vielen Gremien längst den Ton an.“

Häufig werde gerade die evangelikale Bewegung in den USA wegen rechtsradikaler Ansichten kritisiert. Dabei vergäßen viele, dass es nicht nur ‚weiße‘ Evangelikale gebe, sondern auch viele Afroamerikaner, Latinos und Asiaten. Leider gebe es in den USA ein breites rechtsextremes Spektrum, das sage, Amerika sei weiß, englischsprachig und christlich. Mit den christlichen Kirchen aber habe das wenig zu tun. Sein Buch habe er vor allem geschrieben, um über Rassismus aufzuklären – das sei auch heute noch wichtig: „Rassismus ist eine so folgenschwere Fehleinstellung, dass es gar nicht genug Schriften dagegen geben kann. Sie wären sicher erstaunt, wie wenige Bücher es dazu auf dem deutschen Buchmarkt gibt, und die meisten sind sehr technisch, sehr speziell und für Otto Normalverbraucher kaum zu verstehen.“

Gegen „Schwarze“, Juden und „Zigeuner“

In seinem Buch schreibt der Theologe von „drei Arten des Rassismus, die international am verbreitetsten sind und jeweils über viele Jahrhunderte verfolgt werden können“. Sie richteten sich gegen „Schwarze“, Juden und „Zigeuner“, also die Sinti und Roma. Schirrmacher stellt fest, dass es schlicht unsinnig ist, von „rassischen Unterschieden“ zu sprechen. „Dass man in Mitteleuropa nach all dem ‚Rassengemisch‘ im römischen Weltreich, den anschließenden Völkerwanderungen, Eroberungszügen aus allen Himmelsrichtungen, dem Einfall asiatischer Reitertruppen und der Zuwanderung aus aller Welt überhaupt von irgendeiner Rasse sprechen will, die seit Jahrtausenden stabil ist, kann nur damit erklärt werden, dass der Wunsch Vater des Gedankens ist. Studien an Y-Chromosomen legen nahe, dass die Völker Europas keinen feststellbaren Ursprung haben, sondern auf immer neue Einwanderungswellen aus verschiedenen geografischen Richtungen zurückgehen.“

Thomas Schirrmacher ist Rektor des Martin Bucer Seminars, Professor für Religionssoziologie an der Staatlichen Universität Oradea in Rumänien und Direktor des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit der Weltweiten Evangelischen Allianz. Er promovierte 1985 in Ökumenischer Theologie in den Niederlanden, 1989 in Kulturanthropologie in Los Angeles und 2007 in Vergleichender Religionswissenschaft an der Universität Bonn. Zum Thema erschien von ihm zuletzt „Multikulturelle Gesellschaft“ (2007) und „Hitlers Kriegsreligion“ (2007). „Rassismus“ ist im März im Hänssler-Verlag erschienen und im Internet für 7,95 Euro bestellbar. (PRO)

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