Warum ein Buch über Mohammeds Ehefrau nicht erscheint

Die Entscheidung des New Yorker Verlages Random House, den Roman "The Jewel of Medina" der Journalistin Sherry Jones nicht zu veröffentlichen, hat eine neue Diskussionen über einen "vorauseilenden Gehorsam" gegenüber dem Islam angestoßen. Parallelen würden deutlich, so einige Beobachter. Zu der abgesetzten Oper "Idomeneo" oder der Verfolgung von Salman Rushdie.
Von PRO

Noch in der vergangenen Woche war lediglich von einem Verschieben des Erscheinungsdatums die Rede, doch jetzt wird der Verlag Random House den Roman „The Jewel of Medina“ nicht mehr publizieren. Beobachter des Falles sehen in dem Vorfall Parallelen zu der Diskussion um die Aufführung der Oper „Idomeneo“ im November 2006 an der Deutschen Oper in Berlin. Damals war zuerst eine Absetzung der Oper beschlossen worden – aus Angst vor möglichen islamistischen Reaktionen auf die Schlussszene der Inszenierung, in der die abgeschlagenen Köpfe von Mohammed, Buddha und Jesus auf die Bühne getragen werden. Idomeneo wurde schlussendlich doch aufgeführt – weil das Landeskriminalamt die tatsächliche Bedrohung als gering einschätzte.

Ähnliches scheint sich nun auf dem amerikanischen Buchmarkt zu wiederholen. „F.A.Z.“-Redakteur Oliver Jungen schreibt dazu: „Eine Wiederauflage erlebt diese Art der vorauseilenden Selbstzensur nun auf dem amerikanischen Buchmarkt.“ Der Pressesprecher von Random House, Tom Perry, begründete die Entscheidung damit, das Buch könnte bei einer kleinen radikalen Gruppe Gewaltakte auslösen. Konkrete Drohungen habe es aber nicht gegeben, so Perry, lediglich die Warnungen vor Reaktionen bei radikalen Muslimen. „Jewel of Medina“ handelt von Aisha, der dritten und jüngsten Ehefrau des Propheten Mohammed.

„Falsche Darstellung einer heiligen Geschichte“

Hinter der Vertragsauflösung standen laut dem „Wall Street Journal“ allerdings keine Moslems, sondern eine Professorin für Islamische Geschichte, Denise Spellberg. Sie lehrt an der Universität in Austin im US-Bundesstaat Texas. Der Verlag hatte sie um ein paar Zeilen zu dem Roman für den Klappentext des Buches gebeten. Spellberg, selbst Verfasserin eines Sachbuches über Aisha und Expertin für das Leben der Ehefrau Mohammeds, bewertete den Roman als „historisch falsch, hässlich und dumm“. Jones hätte eine „heilige Geschichte“ in „einen Soft-Porno verwandelt“. Das Buch sei eine Kriegserklärung an Moslems und bedrohe die nationale Sicherheit, es sei kontroverser als die „Satanischen Verse“ und die dänischen Cartoons. „Welt Online“ zitiert nun Auszüge aus einem Leserbrief der Professorin, den sie nach Bekanntwerden der Verlagsentscheidung an das „Wall Street Journal“ schrieb: „Als Spezialistin für das Leben von Aischa dachte ich, es sei meine professionelle Pflicht, der falschen Darstellung zu begegnen, die dieses Buch vom Leben einer sehr realen Frau gibt. Aus demselben professionellen Pflichtgefühl heraus dachte ich, ich müsse die Presse vor dem Potenzial dieses Buches warnen, Ärger unter manchen Muslimen hervorzurufen.“

Der Verlag Random House löste daraufhin den Vertrag mit der Autorin auf, obwohl diese bereits ein Honorar von 100.000 US-Dollar für dieses und ein weiteres Buch erhalten hatte. Warum die Lektoren des Verlages erst kurz vor dem Erscheinungstermin einen Rückzieher machen, ist nicht geklärt. Immerhin war dem Verlag sowohl Inhalt und Stil des Romans seit einiger Zeit bekannt und offensichtlich ein hohes Honorar wert.

Nachdem die Vertragsauflösung bekannt wurde, begann eine Diskussion in den Medien. „Ich habe viele ermutigende E-Mails erhalten“, so Autorin Sherry Jones in ihrem Weblog. Der Chefradakteur einer amerikanischen muslimischen Internetzeitung, Shahed Anamullah, meinte, die Entscheidung, „Das Juwel von Medina“ nicht zu verlegen, sei ein Resultat „der Stagnation und der zunehmenden Missverständnisse, die von einem abgewürgten Dialog herrühren“.

Provokation von Muslimen?

Mittlerweile ist das erste Kapitel von „Jewel of Medina“ als PDF-Dokument im Internet zu lesen. Autorin Jones lässt ihre Hauptfigur in Ich-Perspektive aus dem Leben als Mohammeds Ehefrau erzählen. Im ersten Kapitel stellt sie Mohammed als verständnisvollen und zärtlichen Ehemann dar. Nach islamischer Tradition soll Aisha bei der Hochzeit sechs Jahre gewesen sein, beim ersten Geschlechtsverkehr neun Jahre. „Welt“- Autor Hannes Stein schreibt dazu: „Indessen sollte man hinzufügen, dass Mohammed gemäß der islamischen Überlieferung zum Zeitpunkt jenes Geschlechtsverkehrs in seinen Fünfzigern war; Aische dagegen war neun Jahre alt. (…) Vielleicht sollten Verleger sich weigern, das Buch zu publizieren, weil es sich bei genauer Analyse um Kinderpornografie handelt.“

Asra Q. Nomani, selbst Muslimin und frühere Reporterin beim „Wall Street Journal“, schildert in einem Beitrag für die renommierte Zeitung „Washington Post“, wie Muslime auf die Entscheidung des Verlages reagierten, das Buch nicht zu veröffentlichen. Sie selbst, schreibt Nomani, sei enttäuscht darüber, dass das Buch nicht erscheine. Es sei noch immer nicht möglich, über Mohammed zu schreiben.

Nomani schildert in ihrem Beitrag, dass sich eine Gruppe Namens „Husaini Youths“ in Internetforen gerühmt habe, eine „Verschwörung der westlichen Medien verhindert zu haben, die unseren geliebten Propheten Mohammed beschämen wollten“. Man habe in den „Fußspuren von Imam Komeini“ gehandelt, heißt es in E-Mails der Gruppierung – wohlwissend, dass der iranische Revolutionsführer den Autor der umstrittenen „Satanischen Verse“, Salman Rushdie, im Jahr 1989 durch eine Fatwa zum Tode verurteilt hatte.

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