Kultur in Strömen

Musik, Bücher oder Filme finden ihren Weg zu den Menschen zunehmend über Internet-Abonnements wie Spotify, Kindle Unlimited oder Netflix. Wie nutzen christliche Verlage die neuen Verbreitungsformen?
Von PRO
Musikstreaming-Dienste werden beliebter – viele lassen sich auch unterwegs nutzen
Wäre es nicht schön, die CDs, die die pro-Redaktion in dieser Ausgabe auf den Seiten 54 und 55 vorstellt, sofort und kostenlos anzuhören? Ohne erst die CD zu bestellen und auf deren Lieferung zu warten? Oder nicht einmal die MP3-Dateien bezahlen und herunterladen zu müssen? Und das alles völlig legal? Internet-Abonnements zu Musikstreaming-Diensten wie Spotify oder Deezer ermöglichen genau das. Nutzer haben damit Zugriff auf Millionen von Liedern, die im Internet kostenlos abrufbar sind: Einfach einen Musiktitel oder einen Künstler suchen und abspielen. Das Programm streamt dann die Inhalte, das heißt sie werden zum Anhören kurzfristig auf dem Gerät, das man gerade nutzt, zwischengespeichert. Wer bereit ist, eine monatliche Pauschale zu zahlen – je nach Dienst etwa fünf bis zehn Euro –, kann werbefrei hören und eine begrenzte Zahl von Liedern dauerhaft speichern. So kann er sie auch ohne WLAN-Zugang – etwa beim Joggen – auf mobilen Endgeräten wie Smartphones oder Tablets anhören. „Freemium“ nennt sich diese Kombination aus freiem und kostenpflichtigem Angebot. In Deutschland gibt es diese Form des Musikleihens seit geraumer Zeit, doch erst im vergangenen Jahr hat sie Fahrt aufgenommen, sagt der Bundesverband Musikindustrie. Demnach hat sich der Umsatz bei Streaming-Diensten allein im Jahr 2013 nahezu verdoppelt und lag bei 68 Millionen Euro. Am Gesamtumsatz machen sie jedoch bislang nur rund fünf Prozent aus. Das größte Geschäft machen die Musikverlage immer noch mit der klassischen CD (rund 70 Prozent des Umsatzes) – der Verkauf von physischen Tonträgern ist bis auf die Schallplatte allerdings rückläufig.

Die Musik der Welt zuhanden

Der Trend zum Musikstreaming scheint jedoch offenkundig. Der Marktführer Spotify aus Schweden zählt nach eigenen Angaben weltweit mehr als 50 Millionen Nutzer. 12,5 Millionen davon zahlen einen monatlichen Beitrag für das Premiumangebot. Der Grunddienst ist kostenlos. Die Analysten von Generator Research, die das Geschäft mit digitalen Medieninhalten beobachten, bescheinigen dem Markt gute Wachstumschancen: Bis 2017 werden Spotify und Co. ihre Nutzerzahlen wohl verdoppeln. Der Marktforscher Mark Mulligan schreibt auf seinem Blog Music Industry: „In fünf Jahren werden lizensierte Streaming-Dienste allgegenwärtig sein, Verkauf von Musik hingegen nicht.“ Angesichts dieser Aussichten ist der Kampf um die Marktmacht längst entbrannt: Erst im Juni dieses Jahres hat Deezer aus Frankreich das deutsche Angebot Ampya vom Medienunternehmen ProSiebenSat.1 aufgekauft, um Spotify in Deutschland den Rang abzulaufen. Deezer hat nach eigenen Angaben 16 Millionen Nutzer. Hinsichtlich der verfügbaren Lieder ist der Dienst jedoch obenauf: Deezer bietet mit 35 Millionen Titeln rund 15 Millionen mehr als Spotify. Und auch die Google-Tochter YouTube hat einen Musikstreaming-Dienst namens Music Key mit 30 Millionen Liedern angekündigt. Unklar ist derzeit allerdings, ob dieser auch in Deutschland verfügbar sein wird.

Christliche Fundstücke

In den virtuellen Plattensammlungen sind auch christliche Stücke zu finden. Themen- oder Genrelisten weisen in dem Dschungel aus Liedkunst den Weg. Auf Spotify gibt es zum Beispiel die Liste „Today’s best Christian Songs“, die wöchentlich aktualisiert wird, oder „Not Your Mother’s Christian Music“ mit christlicher Rockmusik. Beim Stöbern kann man zudem tatsächlich ein Album mit dem Titel „Christian Workout Playlist: Fast Paced“ entdecken, christliche Songs zum Sporttreiben. Das Cover dazu ziert eine Mutter, die beim Joggen ihr Kind in einem sportlichen Kinderwagen vor sich herrollt. Für den Nutzer liegen die Vorteile dieser Angebote auf der Hand: Neben dem spontanen Zugriff auf die Musik lassen sich mitunter auch ganz unbekannte Stücke entdecken. Mitarbeiter von Musikdiensten ordnen den Musiktiteln Genres oder Stimmungen zu. So empfehlen die Dienste dem Nutzer automatisch alternative Titelvorschläge, die zu seinen Vorlieben passen könnten. Vorschläge findet dieser aber auch durch Liederlisten von Freunden, denen er folgen kann. Hinzu kommt, dass durch die Streaming-Dienste Musik verfügbar wird, die hierzulande auf anderen Tonträgern bereits vergriffen ist: Wer den 13. Teil der Reihe „Holy Hip Hop“ aus dem Jahr 2012 bei Gerth Medien als CD ergattern will, erhält die Antwort: „Dieser Artikel ist vergriffen und wird nicht mehr geführt!“ Nur die Ausgaben 14 bis 18 sind vorrätig. Die Suche bei Spotify oder anderen Anbietern führt hingegen zum Erfolg: Nicht nur der 13. Teil, sondern alle 18 Ausgaben der Reihe sind dort auf einen Schlag verfügbar – angeboten allerdings vom ursprünglichen Verlag EMI Christian Music Group.

Umfassender Wandel

Der Trend zur Internet-Flatrate erfasst auch andere Medien: Bücher lassen sich als E-Books ausleihen, etwa bei Amazon Kindle Unlimited, Readfy oder Skoobe. Die Dienste nennen sich nicht selten das „Spotify für Bücher“. Auch Filme und Serien sind im Abo zu haben, etwa bei Netflix, Amazon Instant Video oder Watchever. Seit Oktober gibt es mit Readly auch eine Zeitschriften-Flatrate, die allerdings bis auf wenige Ausnahmen unbekanntere Titel bietet. Im Unterschied zu den meisten Musikangeboten sind E-Books- oder Filmverleihe grundsätzlich zahlungspflichtig – oder werden es in Zukunft sein, wie etwa das bislang noch werbefinanzierte Readfy. Außerdem ist die Auswahl nicht so umfassend wie bei den Musikdiensten, die eigentlich ein vollwertiges Musikarchiv darstellen. Ältere Serien oder Filme, sogenannte „Klassiker“, finden sich bei den Angeboten selten. Doch grundsätzlich handelt es sich um die gleichen Vorteile wie beim Musikstreaming: Der Nutzer sucht nach einem bestimmten Buch oder Film und hat ihn sofort zur Hand. Skoobe bietet etwa unter der Rubrik „Christentum & Theologie“ 568 E-Books, die Suche nach dem Begriff „Jesus“ führte zu 426 Treffern. Insgesamt sind 75.000 Titel verfügbar. Bei Filmen und Serien kommt hinzu, dass sich – anders als beim Fernsehen – auch die jeweilige Originalsprache auswählen lässt. Aktuelle Folgen, etwa von US-Serien, sind in Deutschland allerdings nicht abrufbar, es sei denn, der Nutzer zahlt noch einmal extra. Zudem ist der Markt in der Regel auf Deutschland und die USA konzentriert – damit entgehen einem andere spannende Produktionen, wie etwa „Chatufim“, die israelische Vorlage von „Homeland“. Christliche Inhalte sind rar gesät – das liegt aber in der Natur der Sache. Es gibt nun mal wenige bekannte christliche Serien oder Filme. Immerhin findet sich die hochgelobte Miniserie „Die Bibel“ auf Netflix.

Verlage sind skeptisch

Die traumhaften Möglichkeiten für Nutzer stellen sich für viele Künstler und Verlage bisher jedoch noch als Alptraum dar. Der Musiker Thom Yorke, bekannt als Sänger der britischen Band Radiohead, hat seine Musik als Solokünstler aus Spotify entfernen lassen und führt schon seit geraumer Zeit einen verbalen Kampf gegen Streaming-Dienste. Besonders junge, unbekannte Künstler verdienten kaum etwas durch Spotify und Co., klagt der Musiker. Andere Musikakteure wie Coldplay, Adele oder Taylor Swift haben in der Vergangenheit einen Kompromiss gewählt: Sie boten ihre Alben erst ein paar Monate zum Verkauf an, dann waren sie auch als Stream verfügbar. Für Taylor Swift hat sich diese Vorgehensweise aber offenbar nicht gelohnt: Sie hat Anfang November ihre gesamte Musik aus Streaming-Diensten entfernen lassen, die sie als „gewagtes Experiment“ ansieht. „Ich bin nicht bereit, mein Lebenswerk einem Experiment zu widmen, bei dem ich nicht das Gefühl habe, dass Autoren, Produzenten, Künstler und die Schöpfer dieser Musik gerecht entlohnt werden“, sagte sie Anfang November gegenüber Yahoo Music. Ähnlichen Widerstand gibt es auch unter Schriftstellern. Die Bestsellerautorin Nina George nennt E-Book-Flatrates einen „Ausverkauf der Literatur“. Mit anderen Autoren hat sie die Initiative „Fairer Buchhandel“ ins Leben gerufen, die gegen den als erpresserisch wahrgenommenen Umgang von Amazon mit einigen Buchverlagen protestiert. Durch das Abo-Modell würden die Autoren „beleidigend niedrig“ honoriert, da die Bindung an den Buchpreis entfalle. „Literatur ist kein all-inclusive-Produkt. Ihre Herstellung und ihr Wert über eine Pauschale zu definieren zeigt, dass für Amazon Bücher nur eine beliebige Ware sind, und weder die Autoren noch die Inhalte zählen.“

Streaming zum Kennenlernen

Auch christliche Verlage bewerten diese Angebote noch skeptisch. „Abo-Modelle sind definitiv kein Geschäftsmodell für Verlage“, sagt Hans-Werner Durau, Geschäftsführer des SCM Verlags. Der Verlag habe kurzfristig mit einem E-Book-Verleih zusammengearbeitet, dann aber die Aktivität eingestellt. Im Filmbereich gebe es derzeit überhaupt keine Zusammenarbeit mit Videostreaming-Diensten. Bei Musiktiteln macht der Verlag jedoch eine Ausnahme und bietet trotz der „verschwindend geringen Ausschüttungen“ seine Produktion auf Streaming-Plattformen an – doch nur, damit der Nutzer sie kennenlernt und unter Umständen die entsprechende CD kauft. „Diesen Effekt sehen wir beim Buch als sehr unwahrscheinlich an – ebenso beim Film.“ Durau betont allerdings, dass diese skeptische Einschätzung eine Momentaufnahme ist. Für die Zukunft sieht er ein Nebeneinander der Vertriebsformen. „Abo-Modelle werden sich durchsetzen, allerdings werden sie nicht die üblichen Wege ersetzen, sondern eine Ergänzung sein.“ Vor allem mit bereits vergriffenen Titeln ließe sich auf diese Weise noch Wertschöpfung erzielen. Derzeit heißt es für den SCM Verlag jedoch, die Entwicklung abzuwarten, besonders was die werbefinanzierten Angebote betrifft. „Wir werden sehen, wie sich das einpendelt, und uns dann einklinken, wenn es für uns attraktiv wird.“ Diese Strategie des Abwartens fährt auch Gerth Medien. Das Verlagsgeschäft konzentriert sich vorerst auf den Verkauf von CDs und auf Downloads. Nachdem der Verlag den Streamingbereich vorübergehend gemieden hatte, ist er seit drei Jahren dort wieder aktiv. „Wir hatten den Eindruck, dass es strategisch unklug wäre, sich ganz aus dem Geschäft herauszuhalten“, sagt Markus Bonnert, der für das Musikangebot bei Gerth Medien verantwortlich ist. Veröffentlichungen im Streaming-Bereich geschehen jedoch immer in Abstimmung mit den Künstlern. Diese sprechen sich häufig für eine zeitversetzte Veröffentlichung aus. Streaming-Dienste werden jedoch weiter an Bedeutung gewinnen, schätzt der Verlag. Schon jetzt sei zu beobachten, dass Nutzer Musik aller Stilrichtungen – von modernem Worship bis hin zu Chorälen von Paul Gerhardt – per Stream anhören. Auch Filme wie „Den Himmel gibt‘s echt“, der im März bei Gerth Medien auf Blu-Ray und DVD erscheint, werden „in naher Zukunft“ auch bei Streaming-Diensten zu sehen sein, teilt der Verlag mit. „Das physische Produkt wird aber auf die nächsten Jahre hin eine der wichtigsten Säulen unseres Geschäfts bleiben.“

Angebot gegen illegales Herunterladen

Gegen Abo-Dienste im Internet lassen sich gegenwärtig noch viele Argumente anführen: Die Frage, ob ein ausgeliehenes E-Book überhaupt noch als ästhetisches Kunstprodukt wahrgenommen werden kann, ob die Allverfügbarkeit von Kunst eben diese entwertet, ob Künstler noch eine wirtschaftliche Grundlage haben. Ein gewichtiges Argument für Streaming-Dienste hat jedoch Brian Ek, der Geschäftsführer von Spotify, unlängst angebracht. Auf seinem Blog reagierte er auf die Absage von Taylor Swift und erinnerte daran, warum er Spotify eigentlich gegründet habe: Um der Musikpiraterie ein Ende zu bereiten. Das illegale Herunterladen von Musik und Filmen griff um die Jahrtausendwende um sich. Schnelle Internetverbindungen ermöglichten es. Die Umsätze der Musikindustrie brachen ein. Die Satiresendung South Park hat im Jahr 2003 dem Phänomen eine Folge gewidmet, die die damalige Lage auf den Punkt bringt. Die Geschichte endete mit der Moral: Gegen den illegalen Download ist nichts zu machen. Künstler müssen zu ihrem Gewinn eben durch Konzerte kommen und nicht durch den Verkauf von Musik. Für Ek sind Musikstreaming-Dienste ein unumgänglicher – und funktionierender – Weg, um etwas gegen illegalen Konsum zu tun und Musiker auszuzahlen. Seit seiner Gründung im Jahr 2008 habe Spotify mehr als zwei Milliarden US-Dollar an Musikverlage und Künstler weitergegeben, die Hälfte davon seit Jahresbeginn 2013. „Spotify ist der größte Antreiber für das Wachstum auf dem Musikmarkt“, erklärt der Schwede. Angesagte Künstler wie Taylor Swift verdienten umgerechnet 4,8 Millionen Euro allein durch Spotify. Die Alternative: keinerlei Einnahmen durch illegale Austauschbörsen. Tatsächlich ist an Eks Argumentation etwas dran: Laut dem Bundesverband Musikindustrie verzeichnete die Branche in Deutschland im Jahr 2013 nach 15 rückläufigen Jahren erstmals wieder ein Wachstum – auch wenn es mit 1,2 Prozent gering ausfiel. Musikstreaming ist dabei zwar immer noch nicht viel mehr als ein „Zusatzgeschäft“, konnte aber den weltweiten Rückgang legaler Downloads im Jahr 2013 auffangen. Für den Bundesverband Musikindustrie sind Streaming-Angebote eine Möglichkeit, eine Brücke zu schlagen zu den Nutzern, „die sich bislang nicht vom Angebot der Musikindustrie angesprochen gefühlt haben“. Noch sind illegale Downloads jedoch ein drängendes Problem. Sechs Millionen Nutzer in Deutschland beziehen ihre Inhalte auf unlauterem Wege – Musik, E-Books, Filme oder Serien. Auf jedes legal erworbene E-Book kommen zehn illegal heruntergeladene, heißt es im „Ebook Piracy Report“ vom November 2013. Damals beklagten die Autoren, dass in Deutschland das Flatrate-Angebot ungenügend ausgebaut ist. Da erst im Oktober 2014 drei von vier Angeboten auf den Markt gekommen sind, bleibt abzuwarten, ob der Kunde Flatrates für E-Books annimmt und diese etwas gegen illegales Herunterladen bewirken. Offen bleibt auch, ob Videostreaming-Angebote illegale Streaming-Plattformen ersetzen werden. Noch sind diese Portale dynamischer als die legalen Angebote: Es gibt mehr Inhalte, die Suchfunktion ist besser, aktuelle Inhalte sind schneller verfügbar. Die Film- und Fernsehindustrie muss damit auf Augenhöhe kommen. Denn was Brian Ek für den Musikbereich gesagt hat, gilt auch für andere Medien: „Die Art der Menschen, Musik zu hören, hat sich verändert – und sie wird sich nicht zurückverändern.“ Der Musikbereich zeigt außerdem, dass diese Menschen bereit sind, für ein gutes Angebot zu zahlen.
https://www.pro-medienmagazin.de/fernsehen/detailansicht/aktuell/netflix-deutschland-der-programmplaner-auf-dem-sofa-89423/
https://www.pro-medienmagazin.de/film/detailansicht/aktuell/amazon-will-mit-glaubens-geschichten-punkten-89094/
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