Küng: Kirche soll zu Jesus zurückkehren

Der Kirchenkritiker und Theologe Hans Küng hat die katholische Kirche dazu aufgefordert, zu ihren Wurzeln "zurückzukehren". Am Montag stellte er gemeinsam mit Moderator Thomas Gottschalk sein neues Buch "Jesus" vor. Der ehemalige "Wetten, dass..?"-Moderator zeigte sich begeistert und offenbarte eigene Glaubensprobleme.

Von PRO

Es kommt nicht oft vor, dass in Berlin Menschen Schlange stehen, um einen Theologen zu erleben. Zuletzt war das beim Papstbesuch so. Am Montag kamen die Massen ins Kino "Babylon", um einen theologischen Gegenentwurf zu Benedikt XVI. zu hören. Ob das durch den Nachhall des teilweise kritisch aufgenommenen Staatsbesuchs des höchsten Katholiken oder durch den Interview-Partner Küngs, Thomas Gottschalk, ausgelöst wurde – wir werden es wohl nie erfahren. Klar aber ist, Küng wurde in Berlin mehr als herzlich aufgenommen. Er stellte sein neues Buch "Jesus" vor, von dem der Verlag sagt, es zeige nicht den "dogmatisierten Christus Ratzingers", sondern einen "lebendigen Jesus aus historischer Perspektive".

Hans Küng gilt als einer der großen kritischen Denker des Katholizismus. 1979 entzog die Deutsche Bischofskonferenz ihm die kirchliche Lehrerlaubnis. Er weiche von der katholischen Lehre ab, hieß es. Unter anderem lehnt der ehemalige Weggefährte Joseph Ratzingers die Unfehlbarkeit des Papstes, das Verbot der Empfängnisverhütung, den Zölibat oder die Ungleichstellung der Frau in der katholischen Kirche ab. Auch sein Jesus-Bild unterscheidet sich von dem der Kirche, wie er am Montagabend erklärte.

"Macht ihn nicht zum Gott!"

So wandte er sich gegen eine "Überhöhung" Jesu "als Gott auf Erden". Er sei ein Gesandter Gottes gewesen, der dem Höchsten näher gestanden habe als die Priester im Tempel. Er sei "revolutionärer als die Revolutionäre" gewesen, habe sich für die Armen und Schwachen eingesetzt und sei letztendlich in "Gottes Ewigkeit aufgenommen" worden. Küng lehnt die Vorstellung eines Sühnetods ab. Vielmehr sei Jesus gestorben, weil er mit den Obrigkeiten darum gestritten habe, wie Gott tatsächlich ist. Jesus habe in diesem Streit "den kürzeren gezogen". "Es hat böse geendet", sagte Küng.

"Macht ihn nicht zum Gott!", rief Küng deshalb auf. Stattdessen solle auch die Kirche Jesus so nehmen, "wie er war" und zu ihm "zurückkehren". "Wenn Jesus wiederkäme", so Küng, würde er anders urteilen in Sachen der Sexualmoral oder in der Frage wiederverheirateter Geschiedener. Das Christentum fuße nicht auf Dogmen, sondern auf einer historischen Person, erklärte Küng. So fragte er auch, was die Papstreise nach Deutschland eigentlich noch mit Jesus zu tun gehabt habe. Er habe gehofft, dass Benedikt XVI. die Chance nutze, um auf Geschiedene zuzugehen und ein ökumenisches Zeichen zu setzen. Stattdessen laufe vieles in der katholischen Kirche wie in der ehemaligen DDR. Einem Pfarrer, der sich gegen den Papst oder bestimmte Dogmen der Kirche stelle, blieben Aufstiegschancen verwehrt. In seinem Buch erklärt Küng, die Diskrepanz zwischen dem Leben Jesu und der Kirche sei "unerträglich groß" geworden: "Jesus bei einem triumphalen Pontifikalamt im Petersdom? Oder im Gebet mit dem amerikanischen Kriegspräsidenten (George W. Bush, Anm. d. Red.) und Benedikt XVI. im Weißen Haus? Oder bei einer aufwändigen Staatsreise des ‚Stellvertreters‘ mit im Papamobil? Nicht auszudenken!"

Gottschalk: Skepsis wird größer

"Ich bin überzeugt, dass hier in Berlin viele Menschen ihn kennenlernen wollen", sagte Küng über Jesus. Lediglich der Zugang fehle ihnen und einen solchen wolle er geben. Zu diesen Suchenden zählte sich auch Moderator Thomas Gottschalk. "Ich konnte nicht anders", sagte er über seinen christlichen Glauben. Er sei eben katholisch erzogen, doch mit steigendem Alter werde die Skepsis in ihm größer. Auch erfahre er, dass es ihm nicht gelänge, seinen Kindern die Religiosität weiterzugeben. Hilfreich erscheine ihm da Küngs selbstverfasstes Glaubensbekenntnis, mit dem sein neues Buch schließt: "In der Nachfolge Christi kann der Mensch in der Welt von heute wahrhaft menschlich leben, handeln, leiden und sterben: in Glück und Unglück, Leben und Tod gehalten von Gott und hilfreich den Menschen."

In der Sendung "Gottschalk live" hatte Küng zuvor erklärt, es gehe beim Christsein darum, Jesus im Leben zu haben, nicht nur in der Kirche. Im "Babylon" erklärte Küng über sein neues Werk, er habe "kein harmloses Buch" geschrieben. Kritisch wird es mit Sicherheit betrachtet werden. Küng aber schreckt das wenig: "Ich bin natürlich unbequem, aber dafür habe ich ja einen hinter mir", sagte er und deutete auf die Lettern, die den Buchdeckel zieren. Jesus. (pro)

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