Ein Mann und eine Frau sind komplett nackt und haben Sex auf einem Möbelstück. Motive wie dieses gehören zur Kampagne „Liebesleben“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und zieren derzeit Plakatwände und Bushaltestellen in Deutschland. Dass solche Plakate auch vor Schulen hängen, wo Kinder auf den Bus warten, sehen die Initiatoren gelassen: Die Wahrnehmung von Kindern unterscheide sich von der erwachsener Menschen. „Assoziationen mit Sex können nur dann hervorgerufen werden, wenn sexuelle Skripte bereits erworben sind. Letzteres geschieht in der Regel erst während der Pubertät“, teilte die BZgA auf Anfrage von pro mit.
Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung, Jakob Pastötter, hält dieses Argument für wissenschaftlich unhaltbar. „Solche Bilder wecken die Fantasie der Kinder und regen zum Nachspielen an“, erklärt er im Gespräch mit pro. Zwar sei es richtig, dass Jungen und Mädchen hormonell erst mit Eintreten der Pubertät auf sexuelle Darstellungen reagierten, aber: „Die Gefühls- und Gedankenwelt der Kinder reagiert auf solche Bilder.“ Es sei absurd, zu behaupten, Kinder würden hier keine sexuellen Assoziationen herstellen: „Das ist, als würde man sagen, ein Horrorfilm gruselt nur den, der sich vorher schon gegruselt hat.“
Die Kampagne der BZgA wirbt für die Nutzung von Kondomen als Schutz vor Geschlechtskrankheiten und dafür, ärztlichen Rat zu suchen, falls solche spürbar werden. Pastötter kritisiert: „Der Staat macht damit nicht Werbung für geschützten Sex, er macht Werbung für Sex.“ Sex werde als bedeutungsloser, leicht zu konsumierender Spaß dargestellt, an dessen mögliche Konsequenzen man dank Kondomen keinen Gedanken mehr verschwenden müsse. Dabei gebe es auch sexuell übertragbare Krankheiten, vor denen Kondome nicht schützen – es werde also eine falsche Sicherheit suggeriert. Jedem stehe es frei, in einem Aufklärungsbuch zu schreiben, was immer er wolle – „aber warum macht der Staat Werbung für Sex als Konsumgut?“