Kritik an schulischer Sexualerziehung in der Schweiz

Die Sexualerziehung an Schulen und Kindertagesstätten in der Schweiz soll einheitlich geregelt werden. Das Konzept stößt auf Kritik und Widerstand bei Eltern, Politikern und Pädagogen.
Von PRO

Kindergartenkinder interressieren sich für die Unterschiede zwischen Mann und Frau. Und sie  wollen wissen, wo die Babys herkommen. In Schweizer Kindertagesstätten soll die Aufklärung  noch weiter gehen: Wenn Fünfjährige künftig Geschlechterrollen spielerisch erkunden, sollen sie nicht nur klassische Vater-Mutter-Kind-Familien, sondern auch Konstellationen mit zwei Müttern oder Vätern nachspielen.

Auch Grundschulkinder sollen sich mit dem Interesse und der erotischen Anziehungskraft zum gleichen Geschlecht beschäftigen. Zumindest sieht dies das "Grundlagenpapier Sexualpädagik und Schule" vor, das neue Konzept für die Sexualerziehung im Alpenland. Es beschreibt die jeweiligen Entwicklungsaufgaben der unterschiedlichen Altersstufen. Das "Kompetenzzentrum Sexualpädagogik und Schule" der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz (PHZ) hat das 51 Seiten starke Dokument verfasst.

Ziel des Konzeptes ist es, die Sexualerziehung in den Schulen der 26 Kantone des Alpenlandes einheitlich zu regeln. Der Auftrag hierfür kam vom Bundesamt für Gesundheit (BAG). Bereits 2006 haben PHZ und BAG Verträge abgeschlossen, die die Grundlage für das Kompetenzzentrum bilden.

Sexualerziehung soll künftig bei Vierjährigen in der Kindertagesstätte beginnen und bis zur neunten Klasse stattfinden. Basel-Stadt ist das erste Schweizer Bundesland, das den neuen Sexualkunde-Unterricht im Sommer einführen wird. Ab 2014 soll die einheitliche Sexualerziehung mit der Einführung des "Lehrplans 21" in allen Schweizer Kantonen umgesetzt werden.

Sexspielzeug und Massagen in der Schule?

Viele Eltern und Pädagogen sehen dem mit Skepsis entgegen. Im Mai sorgte eine Sonntagsausgabe des "Blick" für Empörung: Die Zeitung stellte in dem Artikel "Verdirbt dieser Sexkoffer unsere Kinder?" die "Sexbox" vor, die Schulen und Kindertagesstätten als Material erhalten sollen. Grundschulen und Kindertagesstätten bekommen einen Materialkoffer mit Büchern, einem Puzzle zum Thema sowie zwei Puppen mit deutlichen Geschlechtsteilen. Die "Sexbox" für weiterführende Schulen enthält Holzpenisse sowie eine Vagina aus Plüsch, Kondome und weitere Verhütungsmittel und Filmmaterial.

Für Unmut sorgte außerdem die "Blick"-Aussage, dass Kindergartenkinder sich künftig gegenseitig massieren sollten. Kinder sollten erkennen, dass Berührungen an Körperstellen lustvoll sein könnten, zitierte "Blick" den Konrektor Kindergärten, Daniel Schneider. Diese Meldung verbreitete sich schnell über diverse Onlinemedien und sorgte für Diskussionen.

Von solchen Methoden ist allerdings im Grundlagenpapier nichts zu finden. Dafür treffen andere Passagen auf massive Kritik: Beispielsweise soll es in Zukunft nicht mehr möglich sein, dass Eltern ihre Kinder aus religiösen Gründen vom Sexualkunde-Unterricht befreien lassen. Die Experten des Kompetenzzentrums bewerteten dies als "nicht sinnvoll" und wollen diese Regelung "mit Blick auf das Recht des Kindes" ändern.

Gegen diese Pläne haben sich verschiedene Organisationen und Einzelpersonen zu der überkonfessionellen "Schweizerische Interessengemeinschaft Sexualerziehung" zusammengeschlossen. In einem 13-Punkte-Forderungskatalog fordern sie unter anderem einen Fortbestand des Dispensationsrechtes für Eltern, die ihre Kinder lieber selbst aufklären möchten. Die Interessengemeinschaft sieht in dem Konzept eine Übergewichtung von Homosexualität und hat die Expertenkommission aufgefordert, diese Gewichtung zu korrigieren. Studien hätten ergeben, dass nur maximal fünf Prozent der Menschen homosexuell empfänden.

Sexualerziehung "stark ideologielastig"

Die "Familienlobby Schweiz" kritisiert folgende Passage des Grundsatzpapiers: "Sexualität gilt als kulturell und psychosozial bedingt, ist nicht auf Stereotype von Mann und Frau festgelegt und umfasst hetero-, homo-, und bisexuelle Lebensformen." Andrea Foussini von der "Familienlobby" schreibt auf der Website des überkonfessionellen Vereins: "Hier werden wir konfrontiert mit einem zentralen Punkt der Ideologie von Gender Mainstreaming: Jeder Mensch kann sich sein Geschlecht selber aussuchen, er wird nicht als Mann oder Frau geboren."

Auch die Organisation "Human Live International Schweiz" bewertet die vorgesehene Sexualpädagogik als "stark ideologielastig". "Themen und Inhalte aus Gender-Mainstreaming, Homosexualität, Bisexualität und Transgender haben einen dominierenden Einfluss", heißt es auf der Internetseite der Organisation. Die Lebensschützer bemängeln außerdem, dass in dem Konzept selbstverständlich davon ausgegangen werde, dass Jugendliche sexuell aktiv sind. Der sexualpädagogische Ansatz bestehe lediglich darin, die Risiken zu minimieren. Die Verantwortung einer frühen sexuellen Aktivität werde dagegen kaum aufgezeigt. "Die Rolle der Eltern wird unter dem Vorwand, die meisten Eltern würden diese Aufgabe sowieso nicht gerne übernehmen, minimiert", so Human Live International. (pro)

http://www.wbza.luzern.phz.ch/gesundheitsfoerderung/kompetenzzentrum-sexualpaedagogik
http://www.zukunft-ch.ch/home
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