Erstmals war der Beitrag am Dienstag in den „RTL MorgenNews“ ausgestrahlt worden, aber auch in allen folgenden Nachrichtensendungen. Gegenüber der „Netzeitung“ sagte der Sohn der angegriffenen Lehrerin, er sei fassungslos ob des mangelnden Problembewusstseins des Senders. Nach seiner Ansicht würden Jugendliche „durch diese Form der falschen Anerkennung bestärkt, derartige Gewaltexzesse zu begehen, weil als Belohnung das Fernsehen winkt“, so der 30-Jährige. Er könne sich nicht vorstellen, wie der RTL-Beitrag mit journalistisch-ethischen Maßstäben zu vereinbaren sei.
Er forderte RTL weiter auf, die Ausstrahlung dieses Beitrages „unverzüglich freiwillig“ zu stoppen. In dem Beitrag seien auch Bilder der Verletzten zu sehen, ohne dass diese ihr Einverständnis gegeben habe. Aus Sicht der Angehörigen wird dadurch das Recht auf Persönlichkeitsschutz verletzt.
Der Mediendienst „Fairpress“ beschreibt den Beitrag so: „Zunächst schildert der Schüler den Ablauf des Geschehens auf dem Schulhof. Dem Interview folgt eine Szene, in der er Kampfposen vor der Kamera zeigt. Am Ende des Beitrages präsentiert er sich als reuiger Schüler, der sich für seine Tat bei der Lehrerin entschuldigen will.“
Wegen interner und externer Kritik hat der Sender RTL am selben Tag den Beitrag geändert. Ein RTL-Sprecher sagte gegenüber der „Netzeitung“, man werde den Täter im Interview unkenntlich machen, um diesem kein Forum zu bieten. Dies sei in weiteren Nachrichtensendungen auch passiert. Das Gesicht des Jungen sei nur noch gepixelt erkennbar gewesen, so „fairpress“. Die Kampfposen, aber auch die Entschuldigung des Jungen wurden herausgeschnitten.
Der RTL-Sprecher weiter: „Wir bedauern, dass sich die Familie durch den Beitrag verletzt fühlt. Das lag nicht in unserer Absicht. Wir denken aber, dass es sich bei dem Vorfall auf einem Berliner Schulhof um ein zeitgeschichtliches Ereignis handelt, das Missstände an deutschen Schulen zeigt.“ Durch Interviews mit einer Lehrerin und einem Berliner Abgeordneten habe man sich um eine Einordnung der Vorgänge bemüht.
In der heutigen Ausgabe der „Bild“ ist ebenfalls ein Beitrag über den Grundschüler abgedruckt. Die Eltern des Jungen kommen zu Wort: “Er ist ein lieber Junge“. Auch sein Entschuldigungsbrief ist auf den Internetseiten abgebildet. Fakt ist, dass der Zwölfjährige für sein Fehlverhalten viel Aufmerksamkeit in den Medien erhielt.
Dieser Fall ist nach Ansicht von Medienexperten nicht der erste, der zeigt, dass Nachrichtenjournalismus eine Gratwanderung sein kann zwischen Aufklärung und Hintergrundinformationen und einer erhöhten Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Betroffene, aber auch Pädagogen und Eltern, sehen immer mehr die Gefahr, dass sich jugendliche Täter durch derartige Medienreaktionen in ihrem Verhalten bestätigt fühlen.