Winfried Kretschmann, erster Ministerpräsident mit grünem Parteibuch, glaubt an Gott. Aber nicht an einen, der einem die schwersten Dinge abnimmt, sondern die eigenen Grenzen aufzeigt. Das erklärte der Politiker in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit am Donnerstag. Für die zurückgehende Zahl von sich engagierenden Christen in der Politik, macht der Ministerpräsident von Baden-Württemberg die Säkularisierung der Gesellschaft verantwortlich. Die Kirchenzugehörigkeit spiele demnach bei Wahlen keine Rolle mehr. Kretschmann, der nach Angaben der Zeitung in den siebziger Jahren Mitglied einer kommunistischen Sekte war, gesteht in dem Interview mit Patrick Schwarz ein, dass er in dieser Zeit zu unreflektiert geglaubt habe „und vor allem zu eng“. Damals habe ihn ein „übersteigertes Gerechtigkeitsgefühl“ angetrieben. Gewalt lehnt der Politiker ab: „Ich bin schon als Kind gewalttätigen Streits stets ausgewichen“, sagt Kretschmann in dem Interview.
Gesellschaft christlich wie nie
Auf die Frage von Schwarz, ob er sich als Grüner und als Christ doppelt unter Druck gesetzt fühle, antwortet Kretschmann: „Ich ziehe eine ganz andere Konsequenz daraus, Christ zu sein. Ich kann die Welt nicht retten.“ Kretschmann erklärt, dass man als Politiker keiner totalitären Erlösungphantasie erliegen dürfe. „Erlösung ist etwas für den Erlöser – und davon gibt es für Christen nur einen, und der sitzt im Himmel.“ Was den Poliker stört ist, „dass meine Kirche nicht zugeben kann zu irren.“ Weiter sagt er: „Die Zeiten sind vorbei, in denen die Hierarchie Debatten einfach für beendet erklären konnte.“ Als Problem sieht der Politiker „nicht die Dogmen an sich, sondern dass die Kirche glaubt, sie seien alle richtig“.
Der Katholik glaubt nicht an die Jungfrauengeburt, er „bete aber das Glaubensbekenntnis tapfer mit“. Er sei ein „zweifelnder Glaubender“, erklärt Kretschmann und sagt: „Ich glaube einfach nur das, was ich glaube. Anders kann ich nicht glauben.“
Kretschmann vertritt die These, dass die Gesellschaft so christlich geprägt sei wie noch nie, das Evangelium mehr denn je gelebt – nur stehe das nicht immer drauf. „Nehmen Sie die Ideale des Sozialstaates oder die Bewahrung der Schöpfung oder der Würde des Menschen, das sind doch durchgreifende Erfolge der Evangelien in der heutigen Welt.“ (pro)