Im Oktober hatte die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die Eröffnungsfeier der Landes-Redaktion der türkischen Zeitung Zaman besucht. Das Medium gilt laut Welt als Sprachrohr der islamischen Gülen-Bewegung. Nahe stehe dem Netzwerk auch die Online-Zeitung DTJ, der Kraft ein Interview gab. Schon seit Jahren feierten die Landtagspräsidenten in Nordrhein-Westfalen das Fastenbrechen mit Vertretern der Gülen-Bewegung, die im sogenannten Rumi-Forum organisiert seien.
Yilmaz Kahraman ist Islamwissenschaftler, Bildungsbeauftragter der Alevitischen Gemeinde Deutschlands und leitet im Auftrag des Bundesfamilienministeriums das Projekt „Zeichen setzen“ zur Stärkung von „demokratischen Werten und Toleranz bei Zuwanderern“. Im Interview mit der Welt kritisiert er Kraft: Er erwarte von deutschen Politikern, dass sie nicht nur auf Sonntagsreden achteten, sondern sich mit den Lehren Fethullah Gülens beschäftigten. „Zum Beispiel mit seinem reaktionären Frauenbild.“
In der kommentierten Koranausgabe der Gülen-Bewegung werde Polygamie als der westlichen Monogamie überlegen gefeiert, wobei nur der Mann ein Recht auf mehrere Frauen habe. Frauen würden zudem als den Männern charakterlich unterlegen beschrieben, es mangele ihnen laut der Schrift an Sachlichkeit und Unparteilichkeit. Zugleich würden dem Mann ein Erziehungs- und Züchtigungsrecht gegenüber seiner Frau zugesprochen. „Gülen lehnt den säkularen Staat ab und distanziert sich nicht eindeutig vom traditionellen Schariaverständnis“, sagt Kahraman und rät Hannelore Kraft: „Wenn sie sich das nächste Mal mit Gülen-Leuten trifft, sollte sie zumindest vorbereitet sein und ein paar kritische Fragen mitbringen.“ (pro)