Kostenlose Pille – damit die Kinderlein nicht kommen

Frauen in Großbritannien erhalten vor dem Weihnachtsfest kostenlos die "Pille danach", um ungewollte Schwangerschaften zu verhindern. Voraussetzung für die Ausgabe ist eine 15 minütige Telefonberatung. Kritiker befürchten durch die Kampagne einen verantwortungslosen Umgang mit Sexualität.
Von PRO

Das Weihnachtsfest hat offenbar für britische Frauen ungeplante Nebenwirkungen: Nach Angaben der britischen Beratungsorganisation "british pregnancy advisery service" (BPAS) melden sich im Januar regelmäßig mehr Frauen als sonst wegen einer ungewollten Schwangerschaft. Den Grund dafür sieht das Institut, das nach eigenen Angaben jährlich 55.000 Abtreibungen vermittelt, in den zahlreichen Feiern rund um Weihnachten und Silvester und dem damit verbundenen Alkoholkonsum.

Da auch die Apotheken über die Feiertage geschlossen seien, bietet die Organisation Frauen in den kommenden Wochen kostenlose Rationen der "Pille danach" an.  Das Hormonpäparat kann bis zu 72 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden und verhindert entweder, dass ein Eisprung stattfindet oder dass sich eine befruchtete Eizelle in der Gebärmutter einnistet. Ute Buth, Frauenärztin und Fachberaterin beim "Weißen Kreuz", dem Fachverband für Sexualethik und Seelsorge unter dem Dach des Diakonischen Werkes erklärt das so: "Aus ethischer Sicht kann man die Verhinderung einer Befruchtung, soweit dies der einzige Wirkmechanismus wäre, ähnlich bewerten wie andere Pillen, deren Ziel es ist, eine Befruchtung durch Hemmung des Eisprungs zu verhindern." Ethisch bedenklich sei aber der zweite Wirkungsmechanismus: "Verhindert die ‚Pille danach‘ den Eisprung nicht, beispielsweise, weil dieser schon stattgefunden hat, so gibt es in Studien Hinweise darauf, dass sie die befruchtete Eizelle auf dem Weg zur Einnistung angreift." Da das menschliche Leben nach wissenschaftlichen Erkenntnissen mit der Befruchtung beginnt, ist diese Wirkungsweise problematisch.

Geschmacklose Onlinewerbung für Notfallverhütungsmittel

Bunte Lichterketten formen das Wort "Sex". Darüber steht die Frage: "Getting ‚turned on‘ this Christmas?" (engl.: "An Weihnachten angemacht werden?"). Auf diese Weise wirbt die Internetseite www.santacomes.org für die in Großbritannien umstrittene Kampagne. Wer die Hormontablette haben möchte, muss ein Onlineformular ausfüllen und an einer 15-minütigen Telefonberatung teilnehmen. Zu dem Vorrats-Pack für die Feiertage gehören auch eine Packung Kondome und Ratgeberliteratur, berichtet die Süddeutsche Zeitung" (SZ).

Kritiker der Kampagne befürchten, dass mit der Initiative ungeschützter Sex gefördert werden könnte – und somit die Gefahr steige, sich mit Sexualkrankheiten zu infizieren. Die "SZ" zitiert den britischen Gesundheitsminister Andrew Lansley, der es lieber sähe, wenn die Pille nach einer direkten persönlichen Beratung ausgeben würde. Außerdem verleite die telefonische Beratung gerade junge Frauen dazu, ein falsches Alter anzugeben, um ohne Wissen der Eltern an das Medikament zu kommen. Die "Pille danach" ist in britischen Apotheken ohne Rezept erhältlich. Für Mädchen unter 16 Jahren ist sie verschreibungspflichtig.

"Hormonpräparat mit erheblichen Nebenwirkungen
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Das wünscht sich auch Gynäkologin Ute Buth: "Die ‚Pille danach‘ ist nicht ohne Grund ein verschreibungspflichtiges Hormonpräparat mit teilweise erheblichen Nebenwirkungen. Meines Erachtens sollte die Ausgabe der ‚Pille danach‘ weiterhin an einen Arztbesuch gekoppelt sein", erklärt sie gegenüber pro.

Neben der medizinischen Sicht bereitet auch der ethische Aspekt der Frauenärztin Unbehagen: "Es ist nicht sinnvoll, vor den Feiertagen die ‚Pille danach‘ breitflächig unters Volk zu streuen. Denn Tatsache ist: Sie fördert es eher, sich über die Folgen des eigenen Handelns keine tiefergehenden Gedanken mehr zu machen." Dies werde klar, wenn man die Begründung des geplanten Einsatzes lese: "…weil so viel Alkohol fließt, und weil sonst mehr Frauen in dieser Zeit schwanger werden."

"Was passiert, ist doch, dass Menschen in nicht ganz zurechnungsfähigem Zustand Wertmaßstäbe über Bord werfen und hinterher versuchen, die Folgen ungeschehen zu machen", befürchtet Buth. Zudem gebe es ja auch keine ‚Anti-Fremdgeh-Pille-danach‘, welche die Folgen unüberlegten Handelns abblocke oder eine ‚Anti-Geschlechtskrankheiten-Pille-danach‘, welche Keime im Nachhinein abtöte. "Wenn es also um das Ablegen von Verantwortung geht, ist die ‚Pille danach‘ ganz klar nicht empfehlenswert", sagt die Frauenärztin. "Wir kommen nicht um die Tatsache herum, dass Sexualität sehr eng an Verantwortung geknüpft ist, und über weite Strecken des Lebens nicht sicher von der Empfängnis getrennt werden kann."

Sie weist darauf hin, dass es das 100 Prozent sichere Verhütungsmittel nicht gebe. Aus diesem Grund habe Gott der Sexualität die Ehe als Schutzraum gegeben. Schlussendlich gelte: "Verantwortung im Blick auf Sexualität sollte in dreierlei Hinsicht geschehen: mir selbst gegenüber, meinem Partner  oder meiner Partnerin gegenüber und gegenüber einem Baby, das ich jederzeit dabei ins Leben rufen kann."

Das Medikament wurde nach Zahlen des "Daily Telegraph" in England im vergangenen Jahr 250.000 Mal abgegeben. In Deutschland ist das Hormonpräparat verschreibungspflichtig. Den Vorschlag des Bremer Gesundheitssenats, dies zu ändern und "Notfallkontrazeptiva" (Notfall-Verhütungsmittel) ohne Rezept in Apotheken zu verkaufen, diskutieren die Bundesländer momentan.

Das Weiße Kreuz gehört zum Dachverband des Diakonischen Werkes und berät Ratsuchende, verschiedenste Gemeinden und andere christliche Werke zu sexualethischen Lebensfragen. Das Netzwerk umfasst mehr als 110 Beratungsstellen in ganz Deutschland. (pro)

http://www.weisses-kreuz.de
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